Blick unter die Motorhaube: Die Technik des Gutbrod Superior wirkt antiquiert. Fotos: Dietrich Quelle: Unbekannt

Nach dem Krieg verlagerte sich der Schwerpunkt auf landwirtschaftliche Motorgeräte und Kraftfahrzeuge.

Von Peter Dietrich

„Bestes Material, neueste Technik, aber keine Revolutionen“, könnte man die Philosophie von Wilhelm Gutbrod beschreiben. Vor 80 Jahren zog er mit seiner Firma nach Plochingen. Er fertigte Motorräder, Autos und Lastwagen und war größter Produzent von Motormähern in Europa. Trotzdem begann 1954 die Liquidation wegen Zahlungsunfähigkeit. Oldtimer-Fans hielten nun beim Treffen in Plochingen die Geschichte der Flitzer hoch (siehe Text unten).

Die Firmengeschichte beginnt in Ludwigsburg. 1926 gründen Wilhelm Gutbrod und Gustav Rau die Standard-Fahrzeugfabrik GmbH. Die Fabrik fertigt Motorräder und eigene Motoren und ab 1933 auch Autos. Im Oktober 1933 folgt der Umzug ins soeben nach Stuttgart eingemeindete Feuerbach, erneut in gemietete Räume. Im Jahr darauf scheidet Gustav Rau aus der Firma aus.

Lange sucht Gutbrod nach eigenen, größeren Räumen, er findet sie in Plochingen und kauft dort die leer stehende ehemalige Konserven- und Dörrobstfabrik Plochina. Ende 1937 zieht die Firma ein, ab 1938 firmiert sie als „Standard-Fahrzeugfabrik Wilhelm Gutbrod“. Der Chef zieht auch privat mit seiner Familie nach Plochingen, verlässt die Ludwigsburger Mietwohnung zugunsten einer Villa mit Schwimmbad hoch über dem Neckartal. Damit kein falscher Eindruck entsteht: Der 1948 gestorbene Firmengründer war sehr sparsam, mehr als seine beiden Söhne Walter und Wolfgang. Es wird erzählt, frühere Dörröfen seien zum Trocknen des Lacks verwendet worden.

Die Motorräder der Firma, zu ihnen gehörten auch Gespanne, hatten einen guten Ruf, aber nur einen geringen Marktanteil. Die Produktion endete 1940, fortan wurde die Firma zur Kriegsproduktion herangezogen und musste Teile für Flugzeuge liefern. Deshalb durfte Gutbrod nach dem Krieg die eigene Firma nicht mehr betreten, sein Sohn Walter führte die Geschäfte. Dass der Firmengründer die Nazis nicht mochte, zeigt sich daran, dass er den Beitritt zur NSDAP so lange wie als Geschäftsmann möglich vermied und den Beitrag zur „Deutschen Arbeitsfront“ so niedrig wie möglich hielt.

Nach dem Krieg verlagerte sich der Schwerpunkt auf landwirtschaftliche Motorgeräte und Kraftfahrzeuge. Eine kleine Motorradproduktion blieb noch erhalten, auch die Plochinger Polizei war auf Maschinen von Gutbrod unterwegs. Das letzte Motorrad wurde vermutlich 1949 ausgeliefert.

Mit der Autoproduktion hatte sich die Firma schon vor dem Krieg versucht. Basis war der „Maikäfer“, ein vom Diplom-Ingenieur Joseph Ganz entworfener offener Roadster ohne Türen. Ganz hatte seine Konstruktion auch Daimler-Benz vorgeführt, ohne Erfolg. Dann erwarb Gutbrod die Rechte und entwickelte das Fahrzeug zum „Vollschwingachs-Kleinwagen Superior 500“ weiter. Der Zweisitzer wurde für 1590 Reichsmark angeboten und viel gelobt, aber wenig gekauft. Auch deshalb, weil es ab 1800 Reichsmark einen DKW und ab 1990 Reichsmark einen Opel gab. Zudem gab es billigere Dreiradfahrzeuge wie den Goliath Pionier. Im ganzen Land wurden 1933 nur 196 Superior angemeldet, ein paar Exportexemplare kamen noch hinzu.

„Platz genug für uns vier“ warb Gutbrod mit einem Familienbild für das Nachfolgemodell von 1934, das dem späteren VW Käfer erstaunlich ähnlich sah. Die hintere Notsitzbank war nur für Kinder zu gebrauchen. Insgesamt wurden im Deutschen Reich nur 381 Stück zugelassen. Zum Vergleich: Opel brachte es 1934 auf über 52 000 Zulassungen.

Das Auto wurde zum Lieferwagen Merkur umkonstruiert, der bis 1939 gebaut wurde. Dann erzwangen die Nazis die Vereinheitlichung, widerwillig musste Gutbrod ein Lkw-Design des Herstellers Tempo bauen. In der Herstellung von Motormähern, die er 1939 begann, fand er seine Nische. Die Motoren für die landwirtschaftlichen Geräte wurden im Zweigwerk in Murr hergestellt, dieses bestand bis 1953. Aufwärts ging es mit den landwirtschaftlichen Geräten nach der Währungsreform von 1948. Anders als bei den Motorrädern erreichte Gutbrod große Stückzahlen, in Spitzenzeiten wurden monatlich 1700 Mäher produziert. Gutbrod war damit der größte Motormäher-Hersteller in Europa.

Bei seiner Rapid-Motorhacke ging Gutbrod wie beim Maikäfer vor: Er kaufte ein fremdes Design und verbesserte es. Ab Anfang 1951 wurden in einer Außenstelle des ein Jahr zuvor gegründeten Calwer Zweigwerks Schlepper produziert. Ein Fahrzeug wie der „Farmax“, ein Zweitakter mit vorne angebrachter Pritsche, fand von der Firma Fendt weite Verbreitung.

Der Mähdrescher, in den die Firma Dechentreiter 1951 einen Motor von Gutbrod verbaute, war eine Fehlkonstruktion. 250 verbaute Motoren, die oft heiß liefen, hielten den Kundendienst auf Trab. Beinahe wäre es mit der Firma Gutbrod nach dem Krieg zu Ende gewesen, als ehemaliger Rüstungsbetrieb sollte sie von den französischen Besatzern demontiert werden. Der totale Abbau unterblieb, doch einige Maschinen wurden demontiert. Nach einer nicht nachprüfbaren Erzählung soll Gutbrod einige Maschinen auf einem Schrottplatz in Straßburg gefunden, sie dort gekauft und nach Plochingen zurückgebracht haben.

Die Besatzung wechselte zu den Amerikanern. Sie konnte Gutbrod überzeugen, dass seine Transportgeräte im Nachkriegsdeutschland nützlich sein könnten. Als erster Betrieb in der amerikanischen Besatzungszone durfte er Kleinlieferwagen fertigen. Der Höhepunkt der Produktion an Autos und Nutzfahrzeugen war 1951, in diesem Jahr wurden in Calw insgesamt mehr als 7000 Fahrzeuge produziert. Danach ging es mit dem PKW „Superior“ und den Lieferwagen „Atlas 800“ und „Atlas 1000“ schnell wieder bergab.

Beim Marktanteil aller in der Bundesrepublik (ohne Berlin) zugelassenen Autos kam Gutbrod nie über 0,6 Prozent hinaus, bei den Lieferwagen wurden 2,2 Prozent erreicht. Was waren schon 206 im Februar 1951 produzierte Superior-Autos gegenüber mehr als 7500 Autos von Volkswagen? Immerhin: Porsche schaffte in diesem Monat nur 86 Stück.

Dennoch ist die Geschichte des bei Wettbewerben erfolgreichen Nachkriegs-„Superior“ bemerkenswert. „Mir bauet jetzt a Auto“, hatte Walter Gutbrod seinem Chauffeur im Mai 1949 auf der Messe in Hannover erzählt. Schon im August 1950 gab es die ersten Auslieferungen. Zu Lernzwecken wurde im Plochinger Schuppen ein Topolino zerlegt und ein frühes Versuchsfahrzeug hatte versehentlich nur einen Vorwärts-, aber dafür drei Rückwärtsgänge. Beim Kauf des Firmengeländes in Calw, in dem Gutbrod den Superior produzieren wollte, musste er sich 1950 gegen den Neckermann-Versand durchsetzen. Dass die Verkaufspreise beim Superior nicht zu halten waren, wurde mit „Reifenzuschlägen“ kaschiert. Beworben wurde das Fahrzeug mit dem Slogan „Gutbrod, ein Name von Klang - Superior, ein Wagen von Rang“.

Warum ging es mit der Firma Gutbrod 1954 zu Ende? Bei den kleinen Stückzahlen war die Fertigung oft zu teuer. Dazu kam, dass die Söhne Walter und Wolfgang weniger vorsichtig waren als ihr Vater. Gefedert war die Firmenschließung für Mitarbeiter, die bei anderen Automobilherstellern unterkamen. Das Firmengelände in Calw ging an Bauknecht, der Plochinger Stammsitz folgte. Heute gehört er zu Bosch.

Hauptquelle dieses Artikels ist das hervorragend recherchierte Buch „Neben den Großen, Band 1: Standard/Gutbrod“ von Otfried Jaus und Peter Kaiser. Es ist im Jahr 1994 als Kaiser Sachbuch erscheinen und noch vereinzelt antiquarisch zu bekommen.