Mit ihrer Berufswahl zufrieden: Die Studierenden Lucas Fischer (von rechts), Marcus Miess und Stefanie Adams mit dem Ausbildungsleiter der Firma Pilz, Klaus Schneider. Hier testen sie eine Miniatur-Fertigungsstraße mit einem Pilz-Steuerungsgerät. Foto: Bulgrin Quelle: Unbekannt

Die Kombination von Studium und Betriebspraxis und dabei schon Geld verdienen, das macht das Duale Studium für junge Menschen attraktiv. Durchgetaktete Stundenpläne und viele Prüfungen bedeuten aber einen engen Rahmen. Auf der anderen Seite setzen Firmen immer stärker auf dieses System, um selbst die gefragten Fachkräfte heranzuziehen. Beim Automatisierungsunternehmen Pilz in Ostfildern starten diesen Oktober sechs Studenten die Zwei-Komponenten-Ausbildung. Lucas Fischer wollte mehr: „Ich habe von Anfang an meine Projekte, die ich allein umsetze.“ „Man macht einen Abschluss und lernt gleichzeitig den Beruf kennen“, findet Stefanie Adams.

Von Roland Kurz

Stefanie Adams studiert bereits im fünften Semester Wirtschaftsingenieurwesen - an der Dualen Hochschule Stuttgart und bei Pilz. Nach dem Abi wollte sie nicht nur weiterpauken, sondern auch praktische Erfahrungen machen, erzählt sie. „Man macht beim Dualen Studium einen Abschluss und lernt gleichzeitig schon den Beruf richtig kennen.“ Außerdem verdiene sie sofort eigenes Geld und sei unabhängig von den Eltern. 1050 Euro gibt es im ersten Semester, später steigt die Vergütung auf über 1200 Euro. Auch Fahrtkosten, Studiengebühren und Druckkosten übernimmt die Firma.

Finanzielle Unabhängigkeit und Praxisbezug haben auch Marcus Miess ins Duale Studium gezogen, außerdem reizte ihn der Auslandsaufenthalt, der bei Pilz Standard ist. Das war aber nicht der einzige Grund, warum der junge Mann aus Neuhausen sich für Elektrotechnik bei Pilz entschieden hat. Das Produktportfolio, das von Sensoren über Steuerung bis zur Antriebstechnik reicht, war ihm wichtig. Zudem sei die Firma Dienstleister für Kunden.

In den ersten drei Semester ndurchlaufen die Studenten alle Abteilungen. Und erstes Praxissemester bedeutet für die Dualen Studenten echte Handarbeit: Sie lernen bei der GARP (Ausbildungsstätte der IHK) oder im Betrieb die Grundfertigkeiten ihrer Branche: feilen, sägen, fräsen, löten, schweißen, drehen und bohren.

Stefanie Adams hat diese Bandbreite im technischen und wirtschaftlichen Bereich schätzen gelernt. Sie bemerkte, dass ihr Produktionstechnik mehr liegt als der Einkauf und hat deshalb die Studienrichtung innerhalb ihres Fachs gewechselt. In der zweiten Hälfte des Studiums sind die Studenten ihrer Zielabteilung zugeordnet, in der sie auch die Bachelorarbeit schreiben.

Umgekehrt sucht sich die Firma gezielt Studenten für jene Bereiche aus, wo sie Bedarf hat, betont Ausbildungsleiter Klaus Schneider. „Über diese Schiene finden wir die Entwickler und Ingenieure, die wir vorher auf dem freien Markt suchen mussten.“ Bekanntlich wird die Suche nach Fachkräften immer schwieriger. Während des Studiums, so sagt Schneider weiter, erkennen wir auch, „wie jemand tickt, ob er ins Team passt“. Und die Studenten bauen sich schon während der Ausbildung ihr Netzwerk in der Firma auf.

Von Lucas Fischer wusste der Ausbilder schon wie er tickt. Er hat nach der Realschule bei Pilz eine Ausbildung zum Elektroniker für Geräte und Systeme gemacht. Nebenbei holte Lucas Fischer in der Abendschule die Fachhochschulreife nach. Mit der Zeit reizte ihn der Gedanke, mehr aus seinem Beruf zu machen, auch mehr Verantwortung zu übernehmen. „Dann bin ich nicht mehr technischer Assistent des Entwicklers, sondern bin selbst vorne dabei.“ Elektrotechnik in der Fachrichtung Automation studiert er nun - begeistert und stolz. „Ich hatte von Anfang an meine Projekte, die ich allein umsetze.“ So arbeitet er beispielsweise daran, Motorströme und Kräfte eines Antriebs auf dem Computer darzustellen. Für die Mensch-Roboter-Kooperation sei es wichtig, Kräfte zu begrenzen, erklärt der junge Mann das Projekt, aus dem auch seine Bachelor-Arbeit entstehen soll.

Etwa zwölf Wochen im Semester sind die jungen Leute in ihrem Betrieb, den Rest an der Hochschule in Stuttgart. Im Dualen Studium beschränke sich das Studentenleben auf die ersten Wochen, berichten die Pilz-Studierenden einhellig, dann werde das Tempo angezogen. Vorlesungen von 8.30 bis 16.15 Uhr, danach wird Selbststudium erwartet. „Man tut gut daran, die Zeit zu nutzen“, findet Marcus Miess. Mal ’ne Vorlesungen schwänzen, sei kaum drin. „Das geht nicht, die Hochschul-Zeit ist ja auch vergütet“, sagt Lucas Fischer. Auch ins nächste Semester verschieben, sei schwierig, weil man im Klassenverband lerne.

Die Dozenten sind wie ihre Studenten dual unterwegs, arbeiten also in der Regel in einer Firma und für die Hochschule. Praxisnähe findet Stefanie Adams gut, allerdings sei die Theorie „manchmal zu sehr von der Firmen-Erfahrung gefärbt“. Die Theorie scheint aber nicht zu abgehoben zu sein. Im Fach Außenwirtschaft habe sie gelernt, welche Papiere man für den Zoll benötige. „Das habe ich beim Auslandsaufenthalt in China sofort anwenden können“, erzählt Adams. Marcus Miess war elf Wochen lang in den USA, bei der Pilz-Tochtergesellschaft nahe Detroit. Nicht nur arbeiten sollen die jungen Leute im Ausland, sondern auch zwei Wochen Urlaub machen. Für Ausbildungsleiter Schneider ist das mehr als ein zusätzliches Bonbon. Während der Arbeit seien die jungen Leute in die Firma eingebunden, sie sollen aber auch auf eigene Faust das Land kennenlernen.

Eine Garantie für eine Weiterbeschäftigung in der Firma ist das Duale Studium nicht, aber in der Regel klappt es. „Bisher haben wir alle übernommen“, sagt Ausbildungsleiter Schneider. Von den 23 Absolventen sind bislang nur zwei weg. Einige haben einen Master-Studiengang angeschlossen. Die Firma versucht, sie während dieser Phase mit 450-Euro-Jobs zu halten. So stellt sich auch Stefanie Adams ihre Zukunft vor.

Ein Trend zeichnet sich diesen Herbst ab: Von den sechs Studienanfänger sind drei weiblich. „Beruflicher Erfolg ist keine Frage des Geschlechts, sondern der Kompetenz und des Willens“, sagt Susanne Kunschert, die zusammen mit ihrer Mutter und ihrem Bruder das Unternehmen führt.

Duale Hochschule

DHBW: 2009 hat Baden-Württemberg seine Berufsakademien in die Duale Hochschule überführt. Heute bietet die DHBW an neun Standorten und drei Campus Bachelor-Studiengänge in den Bereichen Wirtschaft, Technik und Sozialwesen an. Inzwischen sind es mehr als 20 Studiengänge mit rund 100 Studienrichtungen. Seit 2011/2012 bietet die DHBW auch berufsintegrierende und berufsbegleitende Masterstudiengänge an.

Studierende: Mit 33 500 Studierenden, hiervon 765 Master-Studierende, sowie 145 000 Alumni (Absolventen) ist die DHBW die größte Hochschule in Baden-Württemberg.

Partnerunternehmen: Die DHBW kooperiert mit mehr als 9000 Unternehmen und sozialen Einrichtungen. Diese müssen sich bewerben und nach festgelegten Kriterien einer Eignungsprüfung unterziehen.

Konzept: Zentrales Merkmal der DHBW ist ihr duales Studienkonzept mit den wechselnden Theorie- und Praxisphasen sowie der engen Kooperation zwischen der Hochschule und ihren Dualen Partnern. Diese wählen die Studierenden selbst aus, schließen mit ihnen einen dreijährigen Vertrag und bieten ihnen über die gesamte Studiendauer hinweg eine monatliche Vergütung.

Perspektiven: Rund 85 Prozent der Studierenden unterschreiben noch vor Ende ihres Studiums einen festen Arbeitsvertrag und steigen so nahtlos ins Berufsleben ein.