Multiplikator für die Inklusion: Luca Ettischer am Otto-Hahn-Gymnasium. Foto: Bulgrin - Bulgrin

Luca Ettischer will ein Zeichen setzen gegen Ausgrenzung. Darum engagiert er sich für die Inklusion behinderter Menschen an seiner Schule. Damit hat er es unter die zehn Finalisten des EZ-Ehrenamtspreises 2018 geschafft.

OstfildernHellblaue Augen, Sommersprossen, verwuschelte Surferfrisur. Den Militärrucksack lässig über die Schulter geworfen, das Skateboard unter den Arm geklemmt – eigentlich erwartet man einen Sonnyboy wie Luca Ettischer eher am Strand als auf einer Inklusionsveranstaltung. Doch der 17-jährige Schüler des Otto-Hahn-Gymnasiums in Ostfildern ist nicht nur sportlich, spielt Basketball, Handball und Volleyball. Sondern er setzt sich auch für Menschen ein, die nicht so fit sind, die im Rollstuhl sitzen, schlecht sehen oder hören. Um seine Mitschüler für die Alltagsprobleme von behinderten Menschen zu sensibilisieren, organisiert Luca seit drei Jahren Veranstaltungen zum Thema Inklusion an seiner Schule. Mit seinem Engagement hat er es in die Endrunde des Ehrenamtspreises 2018 „Starke Helfer“ von der Stiftung Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen und der Eßlinger Zeitung geschafft.

Luca und die Inklusion – das war keine Liebe auf den ersten Blick. Vielmehr kam die erste Begegnung im Jahr 2016 zufällig zustande: Die neunte Klasse sollte ein Sportprojekt organisieren und hatte sich für einen paralympischen Parcours entschieden. Doch bald bröckelte die Unterstützung in der Stufe, und das Projekt stand auf der Kippe. Da sprangen Luca und zwei Mitschüler ein, um ihre Paralympics zu retten. „Wir haben uns brutal ins Zeug gelegt“, erinnert sich Luca. „Innerhalb einer Woche haben wir 15 Rollstühle organisiert und aus Brettern Wippen zusammengeschraubt.“ Mit Brillen und Blindenstöcken simulierten die drei, wie sich Sport für sehbehinderte Menschen anfühlt. Das Angebot nutzten 270 Fünft- und Sechstklässler. Über die starke Nachfrage freut sich Luca noch heute: „Die haben uns die Bude eingerannt. Das war eine coole Rückmeldung.“

Der Erfolg trieb Luca an. Seit den Schul-Paralympics organisiert der Elftklässler jedes Jahr eine Inklusionsveranstaltung am Otto-Hahn-Gymnasium. Sein Ziel: seine nicht-behinderten Mitschüler aufmerksam machen auf die Bedürfnisse von Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen, ihre Empathie wecken und sie zu mehr Hilfsbereitschaft ermutigen. Dafür setzt Luca auf die eigene Erfahrung. Die ist schließlich am eindrücklichsten, wenn man am eigenen Leib erfährt, wie es sich anfühlt, im Rollstuhl die Hindenburgstraße entlangzufahren, mit Simulationsbrille und Blindenstock ein Bahnticket am Automaten zu kaufen und im Alterssimulationsanzug Treppen zu steigen. Die Rechnung ist aufgegangen: „Alle Teilnehmer haben ihre Berührungsängste verloren“, resümiert Luca.

Dem Gymnasiasten ist das wichtig. „Denn in vielen Köpfen ist Inklusion noch nicht als selbstverständlich angekommen“, kritisiert er. „Dabei geht Inklusion nicht nur die Behinderten etwas an.“ Seine Veranstaltungen begreift er als Aufklärung, mit der er ein „Zeichen gegen Ausgrenzung“ setzen will. Auch persönlich sei er in dieser Zeit gewachsen, meint Luca. „Ich habe gelernt, Projekte effizient zu organisieren, mich durchzubeißen, wenn es mal nicht so läuft, und Leute zum Mitmachen zu motivieren.“ Denn natürlich ist Luca kein Solitär, der die Inklusionsveranstaltungen im Alleingang auf die Beine stellt. Ganz im Gegenteil: „Nach dem ersten Projekt hatte ich Bock, mit Leuten zusammenzuarbeiten, die ihre Umwelt mitgestalten wollen“, verrät Luca. Deshalb ist er in die Schülermitverantwortung eingetreten. Inzwischen haben die circa 1000 Jugendlichen am Otto-Hahn-Gymnasium den selbstbewussten Elftklässler zum Schulsprecher gewählt.

Viel Unterstützung erhält Luca vom Forum Gesellschaft inklusiv Ostfildern. Der lose Zusammenschluss von Ehrenamtlichen setzt sich seit elf Jahren dafür ein, „dass alle mitmachen können, keiner draußen bleiben muss, anders sein normal ist, Nebeneinander zum Miteinander und die Ausnahme zur Regel wird“. Um ein selbstverständliches Zusammenleben von Menschen mit und ohne Behinderung durchzusetzen, tauscht sich das Forum Gesellschaft inklusiv regelmäßig mit Stadtverwaltung und Gemeinderat aus, berät Firmen, Behörden und Ämter, hilft Betroffenen und informiert Nicht-Betroffene. Da kam Luca gerade recht. „Er stellt den Kontakt zu den Jugendlichen her“, erklären Forumsmitglieder Hanna Heimsch und Karin Eberhard. Im Gegenzug unterstützen die beiden Frauen Lucas Projekte: Sie stellen Geräte für die Simulation körperlicher Behinderungen zur Verfügung und berichten als Referentinnen von ihren eigenen Erfahrungen im Umgang mit Beeinträchtigungen. Sie bewerten die Zusammenarbeit als rundum gelungen: „Luca bewegt die Schule in eine außergewöhnliche Richtung und ist ein starker Multiplikator in Sachen Inklusion.“

Im Rahmen dieser Serie präsentiert die EZ die zehn Finalisten des Ehrenamtspreises 2018 „Starke Helfer“ zum Thema „Jung und engagiert“.