Heinz Eininger Foto: Bulgrin

Von Harald Flößer

Eine „Ideenskizze“ geistert seit Wochen umher: Überlegungen der Bahn, mit einer oberirdischen Lösung für den Filderbahnhof, einem zentralen Teilprojekt von Stuttgart 21, möglicherweise rund 600 Millionen Euro sparen zu können. Nach den bisherigen Plänen sollte diese Verkehrsdrehscheibe in rund 27 Metern Tiefe unter der Messepiazza entstehen. Dazu gibt es nach Meinung von Esslingens Landrat Heinz Eininger keine Alternative. Jede andere Lage des Filderbahnhofs oder der Wegfall des dritten Gleises würde sich auf die Verlängerungen der U 6 vom Fasanenhof zum Flughafen und der S 2 von Filderstadt nach Neuhausen nachteilig auswirken, sagt er. „Damit wäre dieses zentrale Nahverkehrsprojekt gefährdet.“ Gemeinsam mit Neuhausens Bürgermeister Ingo Hacker und Christoph Traub, dem Oberbürgermeister von Filderstadt, fordert der Kreischef deshalb: „Der Filderbahnhof am Flughafen muss wie geplant gebaut werden.“
Ist die oberirdische Lösung wirklich eine echte Alternative? Auf diese Frage wollte ein Bahnsprecher am Mittwoch gegenüber unserer Zeitung keine explizite Antwort geben. Er verwies stattdessen auf eine Pressemitteilung vom Montag, die die Bahn nach einer Sitzung des Lenkungskreises veröffentlicht hatte. Infrastruktur-Vorstand Ronald Pofalla hatte darin erklärt, dass es für die Anbindung der Neubaustrecke und der Gäubahn an den Flughafen gültige Verträge und planrechtliche Verpflichtungen gebe. Änderungen seien nur im Einvernehmen aller Projektpartner möglich. Dieses gemeinsame Verständnis sei am Montag von allen Projektpartner nochmals bekräftigt worden.

Weitere Gespräche im Januar

Am Flughafen, einem der Projektpartner und Mitzahler von S 21, hatte man die neuesten Überlegungen zur Kostenersparnis zunächst mit Verwunderung zur Kenntnis genommen. Doch geht die Flughafenführung mittlerweile davon aus, dass an den aktuellen Planungen, sprich der unterirdischen Variante, nicht gerüttelt wird. „Die Bahn hat uns am Montag zusammen mit den anderen Projektpartnern über den aktuellen Stand der bestehenden Planungen am Flughafen informiert“, berichtet Walter Schoefer, der Sprecher der Geschäftsführung der Flughafen Stuttgart GmbH. „Dies bildet die Grundlage, um die Gespräche im Januar 2018 weiter zu vertiefen.“
Das wäre ganz im Sinne von Landrat Eininger. „Die U 6- und die S 2-Verlängerung funktionieren nur mit einem Filderbahnhof am Flughafen, der Grundvoraussetzung für die Maßnahmen ist.“ OB Traub und Bürgermeister Neuhausen bekräftigen dies. „Ein Bahnhof in Autobahnnähe bringt für die ÖPNV-Kunden einen zusätzlichen Umsteigevorgang, also nur Nachteile“. Der Esslinger Landrat ist überzeugt: „Eine zentrale Verkehrsdrehscheibe am Flughafen mit Fernbahnhof eröffnet dem Landkreis Esslingen Chancen zur weiteren Verbesserungen im öffentlichen Personennahverkehr. Dazu gehört insbesondere auch die Anbindung der Filder über Neuhausen ins Neckartal, worüber es bereits erste Untersuchungen über Alternativen durch den Landkreis, verschiedene Städte und Gemeinden und den Verband Region Stuttgart gibt.“ Für Filderstadts OB Traub würde eine Abkehr vom geplanten Filderbahnhof „den Wesenskern des als Infrastrukturprojekt beschriebenen Vorhabens nachteilig verändern“. Der Filderraum südlich der Landeshauptstadt müsse bei der Mobilitätsentwicklung mehr denn je seinen Schwerpunkt auf den Ausbau des ÖPNV setzen. „Mit der Alternativplanung würden die Chancen dazu genommen.“

OB Klenk: „geradezu chaotisch“

Eininger sieht im Filderbahnhof „eine Jahrhundertchance für den Filderraum, die wir nicht verspielen dürfen“. Sie werde durch keine Kosteneinsparungen aufgewogen. „Wenn wir den öffentlichen Nahverkehr in diesem Raum in Griff bekommen wollen, dann geht das nur mit dem jetzt in der Planung befindlichen Bahnhof und nicht mit irgendwelchen kurzfristig hervorgeholten Ideenskizzen, die nur für Verwirrung sorgen“, so der Kreischef. Die Kommunalpolitiker erinnern daran, dass der geplante Filderbahnhof auch die Geschäftsgrundlage für den Volksentscheid gewesen sei. Die verkehrlichen Wirkungen der Gäubahn würden nicht über die alte Trasse erreicht, sondern nur dann, wenn die Gäubahn über den Flughafen geführt wird. Außerdem entfalle damit die Geschäftsgrundlage für die Beteiligung des Verbands Region Stuttgart am Bau des neuen Filderbahnhofs am Flughafen in Höhe von 20 Millionen Euro. „Wir erwarten, dass solche Überlegungen angesichts der geschlossenen Verträge nicht weiter verfolgt werden“, sagten Eininger, Traub und Hacker übereinstimmend.
Deutliche Worte zu den Verwirrungen findet Leinfelden-Echterdingens OB Roland Klenk. Die aktuelle Diskussion sei „geradezu chaotisch“. Bei den Planungen für das Bahnprojekt falle man im Augenblick „von einem Entsetzen ins andere“. Für Klenk steht außer Zweifel: Die oberirdische Alternative für den Filderbahnhof „würde alles zunichte machen, was an Verbesserungen für den ÖPNV im Filderraum vorgesehen war“. Leinfelden-Echterdingen müsste dann die Last der durchfahrenden Züge tragen, jedoch auf alle Vorteile für einen verbesserten Nahverkehr verzichten.

„Ideenskizzen“ zu oberirdischem Filderbahnhof

Das Projekt Stuttgart 21 werde nochmals wesentlich teurer und auch deutlich später fertiggestellt. Ende November war das publik geworden. Die Kosten werden sich nach aktuellen Berechnungen nicht auf 6,5, sondern voraussichtlich auf 7,6 Milliarden Euro belaufen. Außerdem sei mit einer Inbetriebnahme von S 21 erst im Dezember 2024 zu rechnen, also rund drei Jahre später als bisher geplant.
Wenig später tauchten aus Bahnkreisen „Ideenskizzen“ auf, wie man die Kosten für einen zentralen Teilbereich von S 21, den Flughafenbahnhof, die Kosten möglicherweise von 800 auf 200 Millionen Euro senken könnte. Statt des geplanten Tiefbahnhofs mit einem dritten Gleis und einem Halt für Fern- und Regionalzüge ist seither eine ICE-Haltestelle entlang der Autobahn neben dem Bosch-Parkhaus im Gespräch.