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(red) - Wer bei der Suchtberatung Rat und Hilfe sucht, hat oft Scheu, die Beratungsstelle persönlich aufzusuchen. „Was, wenn mich jemand hineingehen sieht oder ich dort einen Bekannten treffe“, fragen sich viele. Maria Köster-Sommer, die Leiterin der Psychosozialen Beratungs- und Behandlungsstelle für Suchtgefährdete und Suchtkranke in Nürtingen, weiß um diese Hürden. Ein neues Angebot soll den Zugang erleichtern. Ab sofort können sich Ratsuchende über die vertrauliche Online-Beratung per E-Mail bei der Suchtberatung melden. Dazu wird ein von beiden Seiten passwortgeschütztes Portal genutzt.
„Der erste Kontakt ist häufig mit Scham verbunden. Eine E-Mail kann diesen Schritt erleichtern“, sagt Köster-Sommer. Man erreiche in der Suchthilfe nur etwa 20 Prozent der Betroffenen. Deshalb seien mehr niederschwellige Zugänge dringend nötig, sagt die Fachfrau. Die Vorteile des neuen Angebots liegen auf der Hand: Man kann es zu jeder Tages- oder Nachtzeit nutzen und muss nicht vorher einen Termin vereinbaren. „Eine Frau mit kleinen Kindern hat vielleicht keine Zeit, in die Beratungsstelle zu kommen, aber sie kann sich nachts an den Computer setzen und ihr Anliegen schreiben.“ Außerdem fühlt man sich im eigenen Zuhause sicherer. Auf Wunsch können Ratsuchende komplett anonym bleiben. Das sei allerdings auch möglich, wenn jemand die Beratungsstelle aufsuche, betont Köster-Sommer.
Antwort innerhalb von zwei Tagen
Zudem unterliegen die Berater wie beim persönlichen Gespräch dem Datenschutz und der Schweigepflicht. Innerhalb von zwei Tagen bekommen die Fragenden eine erste Antwort. Diese können sie dann im geschützten Bereich des Portals nachlesen. Wer möchte, bekommt eine neutrale Benachrichtigung per E-Mail, wenn die Antwort eingegangen ist. Zudem werden die Mails im Portal nach 60 Tagen automatisch gelöscht. Ob sich nach der ersten Anfrage ein längerer E-Mail-Dialog entwickelt, ist offen. Auch in der Beratungsstelle seien einmalige Kontakte nicht ungewöhnlich, sagt Köster-Sommer. Antworten müssten deshalb möglichst so formuliert werden, dass wenig offen bleibt. In erster Linie geht es um Fragen, die mit Sucht zu tun haben. Manchmal sind die Probleme aber auch komplexer. Dann verweisen die Berater auch auf andere Unterstützungsangebote.
Zwischen den Zeilen lesen
Die acht Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Beratungsstelle, die vom Landkreis Esslingen und dem Kreisdiakonieverband getragen wird, werden für das neue Angebot geschult. Denn auch für sie gibt es große Unterschiede zum Gespräch von Angesicht zu Angesicht: „Im persönlichen Gespräch bekomme ich ein Gesamtbild eines Menschen, erlebe seine Reaktionen und kann direkt nachfragen. Im E-Mail-Kontakt muss ich auch zwischen den Zeilen lesen, um das Problem und die emotionale Situation des Betroffenen zu erfassen.“ Wer sich hinsetzt und seine Fragen oder Probleme formuliert, hat diese schon durchdacht. „Die Selbstreflexion ist ein wichtiger Schritt, das Aufschreiben des Problems kann schon allein eine entlastende Wirkung haben.“ Allerdings wird die Online-Beratung nicht weniger Zeit einnehmen. Eine Antwort, die dem Ratsuchenden weiterhilft, muss sorgfältig formuliert werden. Bei komplexeren Fragestellungen und Problemen ist das Ziel, zum Weg in die Beratungsstelle in Nürtingen oder eine der Außenstellen in Kirchheim und Leinfelden-Echterdingen zu motivieren. Denn bei längerfristigem Behandlungsbedarf kann sich Köster-Sommer eine reine Kommunikation per Mail schwer vorstellen. Noch müsse man aber Erfahrungen sammeln, betont sie. „Die Online-Beratung ist ein zusätzlicher Zugang und ersetzt nicht unsere anderen Angebote.“
Andere Beratungsstellen haben mit der Online-Beratung bereits gute Erfahrungen gemacht. So bietet die Psychologische Beratungsstelle Filder des Kreisdiakonieverbands Online-Beratung bereits seit 2009 mit Erfolg an.
www.landkreis-esslingen.de/suchtberatungnuertingen
www.evangelische-beratung.info/suchtberatung-nuertingen