Imposant, aber marode: Foto: Ait Atmane - Ait Atmane

Das zwischen 200 und 250 Jahre alte Plochinger Naturdenkmal ist nicht zu retten. Pilzbefall zehrt an der Baumsubstanz.

PlochingenDie Bühleiche auf dem Plochinger Stumpenhof ist schon lange krank. Wie ernst es um sie steht, hat allerdings den Mitgliedern des Ausschusses für Technik und Umwelt (ATU) einen Schrecken versetzt. Wer den Baum nochmal in seiner aktuellen, trotz allem mächtigen Erscheinung sehen will, sollte sich sputen.

Eigentlich ist die Bühleiche gar nicht so alt, wie gemeinhin angenommen wird. Nicht nur im Internet, auch in den „Plochinger Wegspuren“ ist zu lesen, sie sei kurz nach dem Dreißigjährigen Krieg gepflanzt worden. Doch das, so Dietrich Wagner, der Umweltbeauftragte der Stadt, sei eine „alte Mär“. Baumgutachter Andreas Christoph schätzt das Alter der Stieleiche eher auf 200 bis 250 Jahre. Beweisen wird man das nicht mehr können, denn selbst wenn man den Baum durchsägen würde, fände man keine Jahresringe: Der Stamm ist hohl.

Lange Krankenakte

Und das ist nur ein Punkt in einer langen Krankenakte. Das Büro „Müller – Kompetenz für Bäume“ untersucht und beobachtet die 1983 als Naturdenkmal ausgewiesene Eiche schon seit Jahren. Diesen Sommer habe man erstmals Fruchtkörper des Schadpilzes Schwefelporling am Fuß des Stammes festgestellt, berichtete Christoph. Das ist ein Alarmzeichen, denn wenn der Pilz an die Außenfläche komme, sei das Bauminnere schon komplett mit seinen fadenförmigen Zellen durchzogen. Im Fall der Bühleiche „haben wir einen komplett zersetzten Holzkörper, das haben wir messtechnisch nachgewiesen“, so der Gutachter.

Die Fruchtkörper sind in einer sogenannten Blitzrinne erschienen, einer Wunde, die leicht zum Infektionsherd werde. Auch die Ausbruchstelle eines Hauptastes sei ein Schwachpunkt, zumal sie mit einer wasserdichten Schicht verschlossen wurde. Das machte man früher so, dadurch werde aber im Inneren Feuchtigkeit gefangen und verursache Fäulnis. Den etwas unproportionierten Wuchs der Eiche, die im oberen Stammbereich verdickt wirkt, führt Christoph darauf zurück, dass sie in der Vergangenheit vermutlich zwei Mal „auf den Kopf gesetzt“, also die Krone gekappt wurde. Deshalb seien auch die Äste relativ dünn; sie trieben danach wieder aus. Weitere Pilzarten wurden am Baum gefunden, Querrisse und Falten in der Rinde sind ein Hinweis darauf, dass die Statik nicht mehr stimmt und der Stamm das Gewicht nicht mehr tragen kann. Dass die Seile, die irgendwann zur Bruchsicherung in die Krone eingebracht wurden, unter Spannung stehen, sieht der Gutachter als weiteres Zeichen: Da arbeite etwas.

Flapsig ausgedrückt hat die ehrwürdige alte Eiche also keineswegs nur Fußpilz, sie hängt richtig in den Seilen. Und ist dabei doch ein wertvoller Lebensraum für zahlreiche Lebewesen, von Bohrkäfern bis hin zu Vögeln und Mäusen, die im hohlen Stamm hausen. Auch der Juchtenkäfer könnte sich hier wohlfühlen, sagte Christoph. Der wurde zwar nicht nachgewiesen, wohl aber der Große Eichenbock und weitere geschützte und streng geschützte Arten.

Als Habitatbaum, wie Biologen sagen, ist die Bühleiche also unbedingt erhaltenswert. Das betonte der Gutachter, der mit seiner Darstellung der vorgeschlagenen Sicherungsmaßnahme eine Schrecksekunde im Ausschuss auslöste. Sämtliche Äste müssen demzufolge auf einen bis 1,5 Meter Länge gekürzt werden. Übrig bleibt da keine Krone, sondern eher ein Stamm mit einer Art Stoppelfrisur.

Nötig sei das einerseits wegen der Verkehrssicherungspflicht der Stadt. Denn die Eiche steht nicht mitten im Wald, sondern an einem Weg, den praktisch jeder Spaziergänger, Jogger oder Radler auf dem Stumpenhof nimmt. Das Gewicht der Krone ziehe auch noch ausgerechnet zum Weg hin. Dem Baum selbst würde Christoph zufolge der Erhalt der Krone ebenfalls eher schaden. Mit dem Rückschnitt könne er vielleicht nochmal austreiben; lasse man dagegen alles wie es ist, werde er möglicherweise in fünf bis zehn Jahren zusammenbrechen. Ein Warnschild oder ein Zaun, wie Bürgermeister Frank Buß vorschlug, seien an dieser frequentierten Stelle auch keine Lösung. „Das tut weh. Das ist das Naturdenkmal schlechthin für Plochingen, mit dem sind wir aufgewachsen“, sagte Reiner Nußbaum (CDU). Aber offenbar seien die Probleme nicht zu beherrschen. „Wir sehen aufgrund Ihrer Ausführungen das Ende unserer Bühleiche in naher Zukunft gekommen“, meinte auch Thomas Fischle (SPD) und schlug vor, später an dieser Stelle wieder eine Eiche zu pflanzen. Rainer Theobald (OGL) hatte die Idee, Eicheln von der Bühleiche zu sammeln und Setzlinge zu ziehen. Allerdings müsse man vor dem Verweilen bei diesem Baum warnen, sagte der Gutachter: Damit erhöhe man die Verkehrssicherungspflicht der Gemeinde. So riet er auch davon ab, ein Schild mit Erklärungen zum Zustand des Baumes aufzustellen, wie Dagmar Bluthardt (SPD) vorschlug.

Für wichtig und machbar hielt Andreas Christoph dagegen, die gekappten Äste der Eiche in der Nähe auf dem Boden zu lagern. So könnten sich die Larven fertigentwickeln und andere darin lebende Tiere in Ruhe umziehen.