Die Obstkörbe bleiben in diesem Jahr ziemlich leer, viele Apfelbäume tragen überhaupt keine Früchte. Foto: Jüptner Quelle: Unbekannt

Kreis Esslingen - Der Blick auf die Apfelbäume bietet in diesem Jahr ein trauriges Bild. In manchen Lagen hängt nicht ein einziger Apfel an den Ästen. Drei Frostnächte im April mit Temperaturen bis minus sieben Grad waren für die größtenteils bereits in voller Blüte stehenden Bäume zu viel. Auf 70 bis 80 Prozent schätzt Albrecht Schützinger, Obstbauberater beim Esslinger Landratsamt, den Ausfall.

Von Henrik Sauer

Zwar sei der Ausfall nicht überall total, sagt Schützinger. Je nach Lage und Sorte gebe es schon auch Bäume mit Ertrag. Nichtsdestotrotz stehe unter dem Strich ein ganz schwaches Jahr, was die Apfelernte - und die Obsternte allgemein - anbelangt. Für das gesamte Obst - bei Erdbeeren, Himbeeren, Johannisbeeren, Kirschen ist die Saison abgeschlossen, die Brombeeren- und Zwetschgen-Ernte läuft gerade - schätzt Schützinger den Ausfall auf 60 bis 70 Prozent, wobei er betont, dass es schwierig sei, eine verlässliche Zahl zu nennen. Bei Äpfeln sei der Ausfall wohl etwas höher. Am ehesten sehe es noch bei einigen späteren Sorten gut aus. Kirschen habe es dieses Jahr praktisch keine gegeben. Das wenige Obst allerdings sei immerhin von guter Qualität, sagt Schützinger.

Der Hauptgrund, dass die Obstblüte so stark gelitten hat, waren die Frostnächte vom 19. bis 21. April. „Die Vegetation war für diese Zeit schon weit entwickelt“, erklärt der Kreisobstbauberater. Generell leide der Pflanzenwuchs aber unter den extremen Wetterschwankungen in diesem Jahr: Erst der Frost, dann eine lange Trockenheit und im Juli viel Nässe: „Das schlaucht uns Menschen, und das ist bei Pflanzen nicht anders.“

Noch ein weiterer Punkt komme hinzu, sagt Schützinger: „Es spielt auch eine Rolle, wie die Bäume im Vorjahr getragen haben.“ 2016 habe es eine große Menge an Äpfeln gegeben. Deshalb hätten viele Bäume „dieses Jahr ohnehin ausgesetzt“. Der Fachmann spricht von der Alternanz; sie bezeichnet eine Art natürlicher Erholungsphase der Bäume.

Aus dem Neuffener Tal meldet Jens Schimanko, zweiter Vorsitzender des Vereins für Obstbau, Garten und Landschaft Linsenhofen und Fachwart für Obst und Garten, einen Totalausfall bei den Äpfeln. Nur ganz vereinzelt gebe es Bäume, an denen ein paar Früchte hingen. Schon die Kirschenernte sei gleich null gewesen. So wenig wie lange nicht: „Ein 30-jähriges Ereignis, würde ich sagen.“

Für die Erwerbsobstbauern und auch die zahlreichen Brenner von Destillaten ist 2017 kein gutes Jahr. Martin Weber vom gleichnamigen Obstbaubetrieb in Frickenhausen schätzt seinen Ausfall bei den Äpfeln auf „mindestens 80 Prozent“. Normalerweise erntet er um die 150 Tonnen. „Das kommt dieses Jahr für uns fast einem Totalausfall gleich“, sagt er. Denn der Aufwand für die Pflege der Anlagen sei der gleiche wie bei einer guten Ernte. Über den Preis könne man das nicht hereinholen. „Da sind uns enge Grenzen gesetzt. Wir können nicht einfach das Doppelte verlangen, denn sonst sind die Kunden weg“, verdeutlicht er.

In der Gegend um Bissingen kam zum Frost erschwerend noch ein Hagelunwetter hinzu, berichtet Karl Nägele, der dort einen landwirtschaftlichen Hof mit Erwerbsobstbau betreibt. „Das Wenige, das es noch gegeben hätte, wurde verhagelt.“ Nägele, der auch stellvertretender Vorsitzender des Arbeitskreises Obstbau im Kreisverband der Obst- und Gartenbauvereine Nürtingen ist, glaubt ebenfalls nicht, dass die Preise stark steigen werden: „Durch den globalen Markt wird sich das preislich kaum auswirken“. In anderen Regionen Deutschlands sei die Ernte normal.

Bleibt nur die Hoffnung, dass kommendes Jahr wieder ein besseres Obstjahr wird. Jürgen Schimanko aus dem Neuffener Tal ist da zuversichtlich: „Für die Obstbäume war’s gar nicht so schlecht, sie konnten sich erholen von den Riesenerträgen des vergangenen Jahres.“ So könne man jetzt bereits erkennen, dass es im kommenden Frühjahr aller Voraussicht nach eine sehr starke Blüte geben werde. „Bis Juni bildet ein Baum innerlich schon Blütenknospen fürs nächste Jahr“, erklärt Schimanko. Wenn der Baum viele Früchte trage, könne er weniger Kraft für Blütenknospen fürs Folgejahr aufbringen - und umgekehrt.

Ob aus der starken Blüte dann auch entsprechend viele Äpfel werden, hängt freilich vom Wetter ab. Und hier vermehren sich die Sorgenfalten der Experten. „Durch die Klimaerwärmung blühen die Bäume früher als vorher“, sagt Schimanko: „Früher hätte ein Frost im April wohl keinen so großen Schaden angerichtet.“

Betroffen von der geringen Ernte sind auch die Mostereien und Obstannahmestellen. Jens Schimanko berichtet, dass in Linsenhofen die „Bag-in-Box“-Anlage in der Kelter, die der Verein vergangenes Jahr gekauft hatte und die von der Gemeinde betrieben wird, gar nicht erst angeworfen wird. 8000 Liter Saft waren damit vergangenes Jahr in Kunststoffbeutel abgefüllt worden. Der Verein will damit eine lokale Verarbeitung des Mostobstes fördern. Doch mangels Masse bleibt die Anlage heuer außer Betrieb.

„Wir überlegen momentan noch, was wir machen“, sagt Martin Valet von Valet Getränke in Wendlingen-Bodelshofen. Wegen ein paar Zentnern rentiere es sich kaum, die Obstannahme ganztägig und jeden Tag geöffnet zu halten. Vor allem bei den frühen Sorten gebe es kaum Obst. Deshalb werde man wohl erst Anfang September anfangen mit der Annahme.