Er schlichtet Konflikte zwischen Bürgern und Landesbehörden: Volker Schindler. Aus seiner Heimatstadt Plochingen hat er bislang noch keine Beschwerden erhalten. Foto: Bulgrin Quelle: Unbekannt

Von Greta Gramberg

Ein Mann, zuständig für fast elf Millionen Baden-Württemberger: Volker Schindler hat im Februar eine große Aufgabe übernommen. Der Plochinger ist der erste vom Landtag gewählte Bürgerbeauftragte im Südwesten. Wer Ärger mit einer Landesbehörde hat, kann sich an ihn wenden - und Volker Schindler versucht zu vermitteln.

Trotz der vielen Telefonate, die derweil auf seinem Anrufbeantworter im Stuttgarter Büro stranden, strahlt Schindler Ruhe beim Interview in seinem Zuhause aus. Der 63-Jährige war vorher Vizepolizeipräsident in Aalen. Er hatte erst kurz vor der Wahl im Dezember 2016 seinen Ruhestand angetreten. Sein Name war den Grünen, die das Vorschlagsrecht für die Besetzung hatten, im Zusammenhang mit der Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge in Ellwangen aufgefallen, wo er sich bei den Vorbereitungen als Schlichter hervorgetan hatte. Er habe überlegt, ob er in Pension gehen und das Leben genießen solle, sagt Schindler. Am Ende hat für ihn der große Reiz gezogen, „eine neue Behörde aufzubauen“.

Bislang sind etwa 140 Anfragen auf Schindlers Schreibtisch gelandet. „Wenn man alleine ist, bindet das natürlich Zeit“, sagt er. Die Mehrzahl sei aber bereits bearbeitet. Die Bandbreite reiche von Kleinigkeiten, bei denen zwei Anrufe zur Klärung genügten, bis hin zu Bürgerinitiativen, bei denen intensivere Recherche nötig sei. Wichtig ist ihm seine Unabhängigkeit von Parteien und Behörden. Er sei nur dem Landtag gegenüber rechenschaftspflichtig.„Ja, ich kann mich lösen“, antwortet er auf die Frage, ob er auch Polizisten gegenüber neutral bleibt. „Am Anfang musste ich mich zwingen, nicht spontan zu eigenen Lösungen zu kommen“, gibt Schindler aber zu. Etwa wenn er aus Erfahrung eigene Schlüsse über eine Unfallaufnahme zieht - und dennoch die zuständige Dienststelle befragt. „Ich muss zwingend beide Seiten hören.“

Auf der anderen Seite helfe ihm seine Berufserfahrung, manche Zusammenhänge schneller zu erkennen. Doch es gibt auch Themen, bei denen dem Polizisten das Fachwissen fehlt: Angelegenheiten des Baurechts, der Sozialhilfe oder ähnliches. Dann kann er die Landesbehörden um Amtshilfe bitten. Dennoch: Auch der Bürgerbeauftragte kann nicht immer das erreichen, was der Bittsteller sich wünscht. Er könne manchmal die menschlichen Schicksale verstehen und trotzdem nicht helfen aufgrund der Rechtslage, erzählt Schindler. So nennt er das Beispiel einer Frau, die durch eine Vergewaltigung in ihrer Kindheit psychisch stark belastet ist und für die strafrechtliche Verfolgung kämpft, die nicht möglich ist. In solchen Fällen erklärt Schindler Betroffenen ausführlich, warum sich ein Problem nicht so auflöst, wie er es sich wünscht. In Einzelfällen habe er sich gewundert, wie wenig vonseiten der Behörde mit dem Betroffenen gesprochen worden sei. „Man hätte mit etwas mehr Erklärung den Konflikt nicht entstehen lassen“, erzählt der Bürgerbeauftragte. Wichtigste sei zudem, den Menschen zuzuhören.

Es gibt Fälle, die Volker Schindler nicht annehmen kann: Etwa wenn bereits ein Petitions- oder Gerichtsverfahren zur Sache läuft oder das Land nicht zuständig ist. Teilweise versucht der Bürgerbeauftragte dennoch weiterzuhelfen, etwa durch einen Anruf beim Bürgermeister, wenn eine alte Frau im Clinch mit ihrem lokalen Gasanbieter ist und im Winter ohne Heizung dasitzt. „Das sind einfach Schicksale, wo man nicht sagen kann: Ich bin nicht zuständig.“ Manchmal kann Schindler auch besser helfen, indem er statt einer Behörde andere Stellen ins Boot holt. Das sei sein Vorteil gegenüber dem Petitionsausschuss, den er ergänzen soll: „Ich muss mich nicht an irgendeinen Dienstweg halten.“

Die One-Man-Show endet bald

Durch die Arbeit habe er wahnsinnig viel dazu gelernt, so Schindler. Bei Themen, die er bisher nur von außen verfolgt habe, habe er nun den Einblick, wie es zu Entscheidungen komme. „Man wird auf gewisse Weise zufriedener“, sagt er in Bezug zu den vielen Problemen, die bei ihm auflaufen. Ob ihn als Bürger nie eine Sache geärgert habe, bei der er sich Unterstützung gewünscht hätte? Etwa in Plochingen? Der Fahrradstreifen die Schorndorfer Straße hoch sei vernünftig für Radler. Doch wenn ihm in der Kurve Fahrzeuge auf seiner Spur entgegen kämen, weil die Fahrer die Rechtslage nicht kennen, sei das ein Problem, moniert der Polizist. Doch dafür brauche man keinen Bürgerbeauftragten. Allgemein habe sich in Plochingen aber unglaublich viel getan, zeigt sich Schindler mit seiner Stadt zufrieden. Der 63-Jährige ist in Wernau aufgewachsen und hat das Plochinger Gymnasium besucht. Seine erste Arbeitsstelle war das Plochinger Polizeirevier. Seit den 90er-Jahren wohnt er mit seiner Frau wieder in der Hundertwasserstadt. Aus Plochingern hat Schindler übrigens noch keine Anfragen erhalten.

Zum ersten Juli erhält er endlich Unterstützung durch einen Mitarbeiter, im August folgen zwei weitere. Wie die Beispiele in Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Thüringen zeigen, wo es bereits parlamentarisch gewählte Bürgerbeauftragte gibt, wird das wohl auf Dauer nicht ausreichen.