Damiano Moretti sagt Ciao. Foto: Kahlert Quelle: Unbekannt

Von Günter Kahlert

Es ist vorbei, den „Piper’s Club“ gibt’s nicht mehr. Finito sagen die Italiener dazu und Hausherr Damiano Moretti ist zweifellos einer, auch wenn seine Tochter Isabella ihn liebevoll-frotzelnd „Italo-Schwabe“ nennt. Sein Name und seine Person sind seit Jahrzehnten untrennbar mit dem Kirchheimer Kult-Klub verbunden. Am Neujahrsmorgen gegen 7.30 Uhr schloss er nicht nur sein Lokal für immer ab, sondern auch ein langes Kapitel Kirchheimer Gastronomie-Geschichte. Und da haben wenigstens zwei Generationen in Kirchheim und weit darüber hinaus ihre ganz eigenen Geschichten und Erinnerungen. „Woisch no, des war em Piper’s“, gehört quasi zum Standard, wenn Kirchheimer ab Jahrgang 50 über alte Zeiten sprechen.

Seit wann gibt es den Klub? Damiano weiß es selbst nicht genau, holt dann aber einen seiner Archivordner aus dem Büro und da ist sie: eine etwas angegilbte Zeitungsseite mit der Eröffnungsannonce vom 6. März 1971. Dann wäre das mal geklärt, also fast 47 Jahre. Ein Klub der sich so lange hält, davon 40 Jahre mit dem gleichen Gastronomen, ist in einer schnell wechselnden Szene rekordverdächtig.

Der erste manierliche Club

Als der „Piper’s Club“ 1971 eröffnete, war das ein ganz neuer Stil. Keine schnöde Disco, es war ein Klub: Stuttgarter Straße 10 - heißt heute Postplatz - tief im Keller, edles Ambiente, manierliche Umgangsformen, und nicht jeder durfte einfach rein. Zu der Zeit war sonst eher Rustikales üblich.

Ins Leben gerufen hat den Klub der Österreicher Heinz Piber, unterstützt vom Gastronomen Libero Jacopini, in jener Zeit Kirchheims „Edel-Italiener“. Damiano Moretti war da auch schon dabei, allerdings nur als einfacher Angestellter. „Ich begann an der Garderobe, wurde dann Türsteher und arbeitete schließlich als Kellner“, erzählt er seine Stationen. 1977 bekam er die Geschäftsführung angeboten, Heinz Piber und sein damaliger Geschäftsführer Heinz Maurer wollten sich um das neu erworbene Wachthaus kümmern. Der Rest ist bekannt: Moretti wurde zum Fixpunkt im „Piper’s Club“. Dass er ihn 1980 bereits komplett übernahm, ist ein weiterer Puzzle-Stein seiner Erfolgsstory.

Bis Ende der 80er-Jahre hatte der Klub neben seinem besonderen Ambiente noch einen ganz anderen Vorteil: Er blieb am längsten offen, bis 2 Uhr mindestens. Paul Kestermann, selber einst Kirchheimer Kult-Gastronom, erinnert sich: „Mein Kaffee Klatsch musste um Mitternacht schließen, Micha Holz mit seiner Villa um eins. Da zog dann immer die Karawane mit eigenen Gästen in den Piper’s“. Da saß es sich gut, man konnte quatschen, tanzen, einfach eine gute Zeit verbringen. Dass Damiano es mit den Sperrzeiten nicht immer so eng sah, liegt auf der Hand. Er war einer der besten „Kunden“ des Ordnungsamtes, stand in den „Charts“ der verhängten Ordnungsgelder zumindest in der Top 3. Aber das ist Schnee von gestern, längst dürfen alle diese Lokalitäten bis 5 Uhr morgens geöffnet sein.

Was war denn nun das Erfolgsrezept des „Piper’s Club“? Vielleicht lag es darin, dass er sich im Grunde nie wirklich verändert hat. Es gab diverse Renovierungen, die Musik hat sich angepasst, aber der Charakter als Treffpunkt für Junge und Ältere, als „Bar mit Tanzfläche“ ist immer erhalten geblieben. Im „Piper’s Club“ kam man sich - egal wie alt man war - nie deplatziert vor. Und es lag ganz wesentlich an Moretti selbst. Er war immer der freundliche Gastgeber, die Anlaufstelle, hatte ein Ohr für seine Gäste, musste auch mal Seelentröster spielen - und achtete penibel auf anständige Umgangsformen und den tadellosen Zustand seines Klubs.

Sohn Francesco, der seit seinem 17. Lebensjahr neben seinem Beruf auch als DJ im Klub arbeitete, hat auf Facebook einen emotionalen Post zum Ende des „Piper’s“ veröffentlicht. „In den letzten 40 Jahren hat sich alles in seinem Leben um den ‚Piper’s‘ gedreht“, schreibt er, „sogar nach seiner Hochzeit ist mein Vater arbeiten gegangen“. Trotzdem war es eine „tolle Kindheit, wir fanden es einfach normal, dass Papa sieben Tage in der Woche um 22 Uhr zur Arbeit ging“. Die Kommentare dazu dokumentieren das positive Gefühl, das viele mit dem „Piper’s Club“ verbinden. „Meine Eltern haben sich dort schon kennengelernt“, „da hat meine Mutter ihre Jugend verbracht“ oder „war ne geile Zeit“ sind nur einige davon.

Und nun, Herr Moretti?

Also, der „Piper’s“ ist jetzt Geschichte. Und nun, Herr Moretti? Er lacht: „Ich werde jetzt sicher nicht auf meinem Sofa in Owen rumsitzen. Das ist nicht mein Ding.“ Also nächstes Projekt, eine Eisdiele in Beuren, die er „Eiscafé Roma“ nennen wird. Nur im Sommer geöffnet, alles Weitere wird man sehen. Außerdem sind da auch noch seine beiden Enkelinnen, die einjährige Lea und die zweijährige Marie. Doch „schwer ist es schon, aufzuhören“, gibt er zu, „ich habe mehr als mein halbes Leben hier verbracht“. Aber seine Kinder konnten ihn überzeugen, mit 66 und körperlich fit, loszulassen, „bevor ihm Alter oder Gesundheit die Entscheidung abnehmen“, meint Francesco.

Bei allen Abschiedsgedanken hat Moretti zumindest in Sachen Nachfolge ein gutes Gefühl. Der Kirchheimer Gastronom Sedat Aybulut wird die Location übernehmen. Er ist ein enger Freund der Familie Moretti und betreibt momentan das „Ochsengässle“ in Kirchheim. So viel ist schon klar: Es wird wieder ein Klub, er wird „Unique“ heißen und Sedat Aybulut will einen „Treff für nette Leute“ schaffen. Hört sich fast an wie „Piper’s Club reloaded“.