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Von Melanie Braun und Roland Kurz
Die Bundestagswahl ist gelaufen. Doch die Diskussionen über den Wahlausgang und dessen Konsequenzen beginnen erst. Wir haben bei einigen Vertretern der Parteien im Landkreis nachgefragt, was das Wahlergebnis für sie bedeutet und wie sie damit jetzt umgehen.

Etwa Markus Grübel: Er hat für die CDU das Direktmandat im Wahlkreis Esslingen geholt. Und zwar mit 40 Prozent der Erststimmen: „Das ist den Umständen entsprechend sehr gut“, sagt er selbst. Zu seinen persönlichen Ambitionen angesichts dieses Ergebnisses will er aber nichts sagen: „Erstmal müssen wir eine Koalition bilden, dann Sachfragen klären und erst ganz zum Schluss geht es ums Personal“, betont er. Dazu, dass offenbar viele frühere CDU-Wähler zur AfD übergelaufen sind, sagt Grübel: Es sei immerhin positiv, dass viele AfD-Wähler wohl Protestwähler seien. Das bedeute, dass man sie zurückholen könne. Dafür müsse die CDU vor allem bei den Themen Rente sowie Unterbringung von Flüchtlingen punkten. Zu wenig Bürgernähe kann er bei seiner Arbeit hingegen nicht feststellen.

Etwas selbstkritischer äußert sich der CDU-Kreisvorsitzende Thaddäus Kunzmann. Nach so einem Ergebnis könne man nicht „weiter so“ sagen. Die CDU müsse sich um jene Wähler kümmern, die zur AfD abgewandert seien und um jene, die zur FDP wechselten. Es gelte, jene Menschen, die sich angesichts von Flüchtlingsströmen und Globalisierung als Verlierer fühlten, wieder einzubinden. Markige Sprüche würden dabei nicht helfen. Kunzmann: „Man darf aber die Sorgen der Menschen auch nicht weglächeln, man muss sie aufgreifen.“ Dass die SPD sich nun einer Regierungsbeteiligung verweigere, könne er als emotionale Reaktion verstehen, als Profi dürfe man aber nicht gleich die Tür zuschlagen. Von einer Jamaika-Koalition erwartet der frühere Landtagsabgeordnete, dass sie eine gesteuerte Zuwanderung auf die Reihe bringt. Er befürchtet jedoch, dass die CSU an manchen Punkten weiter von der CDU entfernt ist als es die Grünen sind.

Uwe Janssen, Mitglied des Kreisvorstands der Grünen, erwartet, dass seine Partei innerhalb einer Jamaika-Koalition weniger Differenzen mit der FDP haben werde als mit der CDU/CSU. Wenn die CDU von der rechten Seite Druck bekomme, werde es schwierig. Janssen empfiehlt seiner Partei, nicht jene Punkte festzuschreiben, die auf keinen Fall sein dürften. Stattdessen müsse man schauen, was bei wichtigen Punkten gehe, zum Beispiel beim Klimaschutz und einer vernünftigen Regelung von Integration und Immigration. Wichtig sei, dass Deutschland eine offene Gesellschaft bleibe.

In Wendlingen, wo die AfD mit 14,5 Prozent der Zweitstimmen das beste Ergebnis im Wahlkreis Esslingen eingefahren hat, bleibt die CDU gelassen – obwohl vermutlich einige ihrer Wähler zur AfD abgewandert sind. Der Fraktionsvorsitzende im Gemeinderat, Alois Hafner, sieht keine besonderen Gründe dafür, dass gerade hier die Zustimmung zu der Partei so hoch ist. Vielmehr habe sich eine allgemeinen Unzufriedenheit in dem Wahlergebnis niedergeschlagen.

Nach der „bitteren Niederlage“ hält der SPD-Kreisvorsitzende Michael Beck zwei Aufgaben für vordringlich: Die SPD müsse deutlich machen, dass sie die Opposition anführe und dabei „klare Kante“ gegenüber der AfD zeigen. Das bedeute, dass man die AfD inhaltlich stelle und zeige, dass sie beispielsweise kein Konzept zum Thema Renten habe. Und gegenüber einer Jamaika-Koalition müsse die SPD hervorheben, worin sie sich von den Regierungsparteien unterscheide. In der Großen Koalition seien die Konturen verloren gegangen. Der Ansicht, die SPD sei ausgezehrt und müsse deshalb in die Opposition, widerspricht Beck jedoch. Die Partei habe in den vergangenen Monaten viele Neueintritte verzeichnet. Und in den Wahlkreisen Esslingen und Nürtingen liege man mit der Newcomerin Regina Rapp ebenso richtig wie mit Nils Schmid. Beide hätten mehr Erststimmen bekommen als die Partei Zweitstimmen.

Auch Regina Rapp sieht die sozialdemokratische Politik an sich keineswegs am Boden. „Ich bin nach wie vor überzeugt, dass die sozialdemokratischen Grundwerte genau das Richtige sind“, sagt sie. Das schlechte Ergebnis habe die SPD nicht verdient. Aber nun müsse man sich mit den Ursachen dafür beschäftigen – und mit der Frage, warum die AfD so gut abgeschnitten habe. „Es ist eine wichtige Frage, wie der gesellschaftliche Wandel dahin passieren konnte und welche Antworten wir nicht gegeben haben“, sagt sie. Klar sei allerdings, dass man heute in einer komplexen Welt lebe, in der es keine einfachen Antworten gebe – auch wenn sie verstehen könne, dass viele sich einfache Antworten wünschten. Das schlechte Wahlergebnis ihrer Partei hat Rapp nicht entmutigt. Sie will wie bisher weiter politisch aktiv bleiben, etwa im Kreisvorstand der SPD, im Vorstand der Esslinger Sozialdemokraten und als Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (ASF) in Esslingen.

Stephan Köthe, Kandidat der AfD im Wahlkreis Esslingen, ist derweil obenauf. Das Ergebnis seiner Partei sei „sensationell, ein richtiger Vertrauensvorschuss“, schwärmt er. „Wir werden die konservative Stimme in Deutschland sein.“ Die elf Abgeordneten, die die AfD aus Baden-Württemberg nach Berlin entsende, seien vernünftig und verantwortungsbewusst. In der Landespartei überwiegen laut Köthe die moderaten Kräfte, die den „unglaublichen Statements“ einiger anderer Mitglieder der Partei nicht zustimmten. Angesichts der extremeren Stimmen werde sicher nicht alles glatt laufen in Zukunft – zumal man auch Leute an Bord habe, die man zumindest an führender Stelle nicht gebrauchen könne. Stephan Köthe, der kein Mandat für seine Partei geholt hat, betont, dass er weiter im Landesvorstand der AfD tätig sein werde und dort dafür sorgen wolle, dass das „vernünftige Lager“ gestärkt werde.

Andreas Bettelhäuser, Vorsitzender des CDU-Ortsvereins Wernau, nennt die 42,5 Prozent Erststimmen für Markus Grübel ein „respektables Ergebnis“. Aber dass in der bisherigen CDU-Hochburg Wernau die AfD 13,47 Prozent geholt hat, hat ihn doch „erschreckt“. Zwei Gründe für dieses Ergebnis glaubt er gefunden zu haben. Erstens habe die CDU beim Thema Flüchtlinge zu wenig Lösungen angeboten. In Wernau, wo mehr als 200 Schwarzafrikaner in Containern am Freibad leben, habe das offenbar Ängste ausgelöst. Dabei habe es, so betont Bettelhäuser, dank der guten Flüchtlingsarbeit vor Ort „fast keine Vorkommnisse“ gegeben. Zweitens sei mancher CDU-Stammwähler wegen der Große Koalition abgewandert. In dieser Konstellation sei die CDU manchmal „sozialdemokratisch unterwegs“ gewesen. Zuhören und den Dialog mit den Bürgern ausbauen, das sieht der CDU-Vorsitzende als Mittel, um Wähler zurückzuholen.

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