Foto: Bohmländer/Festspielhaus - Bohmländer/Festspielhaus

Peter Anders stammt aus Deizisau und spielt beim Ludwig-Musical im Füssener Festspielhaus mit.

Füssen/DeizisauEin japanisches Fernsehteam zeichnete die Proben zum Musical „Ludwig²“ im Festspielhaus Füssen auf – mit einer Drohne. „Manches mussten wir nochmal singen, weil die ziemlich laut durch die Luft schwirrte“, erzählt der Deizisauer Peter Anders. Da muss er lächeln. Der Ausschnitt wird in einem Beitrag über die Königsschlösser im japanischen TV ausgestrahlt. Der 39-Jährige, der mit Schlagerprogrammen nicht nur im Kreis Esslingen unterwegs ist, stand im Dezember und Januar in dem Musical über den kunstsinnigen Bayernkönig auf der Bühne, den seine machtgierigen Minister 1886 entmündigen ließen. Zum ersten Mal übernahm Anders eine kleine Rolle. Er verkörperte Helferlein, den urkomischen Assistenten des Erfinders, der dem Märchenkönig einen künstlichen Regenbogen verkaufen will.

Nahe der romantischen Kulisse des von Ludwig II. erbauten Königsschlosses Neuschwanstein und seiner einstigen Heimat Hohenschwangau wird die aufwendige Inszenierung in der Regie von Theaterdirektor Benjamin Sahler nach zwei Insolvenzen der früheren Produzenten seit 2016 wieder gespielt (siehe Kasten).

Über diesen Erfolg freut sich Anders. Der gebürtige Deizisauer hatte 2015 mit vielen anderen dafür gekämpft, dass das 2005 uraufgeführte Musical im neu erbauten Festspielhaus in Füssen/Oberallgäu nach langer Zwangspause wieder gespielt werden kann. „Ich wollte fürs Crowdfunding spenden, dass das Musical weiter zu sehen ist“, sagt der Sänger und Performer, der Tanz- und Schauspielunterricht genommen hat. Der Produzent und Anders kamen ins Gespräch, „und irgendwie dachte er dann, dass ich mich fürs Musical bewerben will.“ Der Aufforderung des Regisseurs, doch mal seine Unterlagen zu schicken, folgte Anders. Die Leidenschaft des Deizisauers steckt an.

Rockmusik im Königswinkel

Seit 2016 steht er jedes Jahr für zwei Monate in dem Erfolgsmusical auf der Bühne – dieses Jahr im Winter-Block. Der Stuttgarter Musiktheater-Regisseur und studierte Bertiebswirt Sahler, der auch das Musical „Die Päpstin“ produzierte, schaffte es, „Ludwig²“ wieder am Originalschauplatz zu zeigen. Seit Herbst 2017 ist er künstlerischer Direktor des Festspielhauses, verantwortet das Gesamtprogramm. 2018 spielte in der Reihe „Konzerte im Königswinkel“ Pop-Start Sting im Barockgarten, 2019 kommt unter anderem Rea Garvey.

„Ich konnte mir nicht vorstellen, dass ein Musical über den Bayernkönig Ludwig hier in der Gegend nicht zieht“, sagt Kulturmanager Sahler. Die Geschichte des weltoffenen Monarchen, der Technik und Kunst förderte, bringt er mit all ihren Licht- und Schattenseiten auf die Bühne. Dass 1,5 Millionen Touristen aus aller Welt jedes Jahr nach Füssen kommen, um Ludwigs Schloss Neuschwanstein – die märchenhafte Vision einer Ritterburg – zu besuchen – machte Sahler Mut. Der Absolvent des renommierten Hamburger Musiktheaterregie-Studiengangs wagte aber das Risiko.

Dass er nach zwei Jahren im Ensemble eine kleine Rolle bekam, freut Anders. Er spielte den Assistenten des Erfinders, den Pablo Botinelli (Bild rechts) und später Timo Pfeffer verkörperten. „Der Wechsel war eine Herausforderung, man muss sich auf einen ganz anderen Partner einstellen.“ Der Sprung ins kalte Wasser ist geglückt. Er ist glücklich, dass er als Helferlein einen Gesangspart hat. „Ich darf komisch sein. Nach den schwermütigen, ernsten Szenen ist mein Auftritt nur lustig.“ Viele Zuschauer lachten, als das Duo mit einer Regenbogen-Maschine scheiterte. Im Ensemble singt Anders nicht nur im Chor. Er ist viel auf der Bühne präsent. In der Krönungsszene tanzt er Walzer. Schauspielerfahrung sammelt er im Naturtheater Stetten und beim Ober- und Unteraicher Dorftheater. Im Mundartstück „Eine zweifelhafte Managerin“ spielt er den schlauen Neffen der Hauptfigur.

Tragische Momente überwiegen

In Füssen überwiegen tragische Momente. „Ein Li-La-Laune-Musical ist das nicht“, sagt Anders. Die Produktion wühlt ihn auf. Denn die komplexe Persönlichkeit des von vielen bis heute verehrten Bayernkönigs, der als Förderer Richard Wagners und der Künste in die Geschichte einging, komme in Rolf Rettbergs Texten schön zum Tragen. „Dass Ludwig II. überzeugter Pazifist war, wissen viele nicht.“ Diesen Aspekt zeigt Sahlers Regie packend und erschreckend zugleich. Ausgemergelte Leichen säumen den Weg des „Kini“, als er über die Bühne schreitet und mit seinem Schicksal hadert. Seinen Bruder Otto, von Kindheit an geistig zurückgeblieben, treiben Kriegserlebnisse in den Wahn. Die Musik von Konstantin Wecker, Christopher Franke und Nick Raine treibt Ludwigs Zerrissenheit auf die Spitze. „Ihr sollt tanzen, nicht marschieren“ – das rief der Bayernkönig seinem Volk zu. Dann aber hätten ihn seine Minister doch in den Krieg gedrängt, sagt Anders.

Was der unglückliche Bayernkönig für Kunst und Kultur getan habe, interessierte den Deizisauer immer. Mit seinen Eltern Siegfried und Annelie Ramlow machte er jahrelang Urlaub in Hopferau bei Füssen. Das Kunstverständnis Ludwigs II., das sich in der Architektur des Schlosses Neuschwanstein offenbart, faszinierte schon den Jugendlichen. Jetzt steht er in Füssen auf der Bühne – mit Musical-Star Matthias Stockinger als Ludwig. An Silvester lud er seinen Partner Florian Grunow, die Eltern und die ehemalige Pensionswirtin, Gisela Groda, in die Königsloge des Festspielhauses ein: „Herrlich, in Jugenderinnerungen zu schwelgen.“ 40 Freunde und Fans aus der Heimat haben Anders in Füssen besucht. Aus New York kam Norm Hirschy, Herausgeber beim Verlag Oxford University Press in New York. „Er ist Musical-Fan“, verrät Anders. Mit seinem weit gereisten Gast besuchte er die historische Altstadt Füssens und das Hohe Schloss.

Im Ober- und Unteraicher Dorftheater im „Rössle“ in Wolfschlugen ist Peter Anders bis einschließlich April zu erleben. Am 18. und 19. Januar gibt es noch Karten.

www.das-gasthaus-roessle.de

www.anderstainment.de

Mit „Ludwig²“ zum Erfolg

Mutiger Kulturmanager: Als Musiktheaterregisseur und studierter Betriebswirt kennt Benjamin Sahler die Kulturbranche. 2016 hat der Stuttgarter das Musical „Ludwig²“ wieder ins Festspielhaus nach Füssen gebracht – und das mit Erfolg. „Viele gaben dem Vorhaben keine Chance“, sagt Sahler. Da Füssen nur 15 000 Einwohner hat, und auch das Umland eher ländlich geprägt ist, hatte auch er Bedenken, was die Zuschauer angeht. Durch die Touristen öffne sich aber ein Markt – ebenso wie durch Fans aus ganz Süddeutschland und dem Allgäu. Mit dem wohl erfolgreichsten Crowdfunding in der Musik- und Theatergeschichte – 165 000 Euro kamen zusammen – hat der Manager und Regisseur das Musical wieder ins Festspielhaus gebracht. Für den Betrieb des Gebäudes fand sich ein Investor.

Publikumserfolg: 30 000 Menschen sahen „Ludwig²“ im Jahr 2018, das sind im Durchschnitt 1000 Besucher pro Vorstellung. 1350 Plätze hat das Festspielhaus. Diese Auslastung hat die Erwartungen des Produktionsteams um Benjamin Sahler übertroffen. 2019 verdoppelt der Theaterdirektor die Zahl der Vorstellungen auf 60. Seit 2017 ist Sahler auch Direktor des Festspielhauses, das mit Musicals, Rockkonzerten und einer beliebten Gastronomie gut läuft.

Termine: Ab Mai ist das Musical „Ludwig²“ wieder in Füssen zu sehen. Kartenbestellung und weitere Informationen auf der Homepage des Festspielhauses:

https://das-festspielhaus.de/ludwig2