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Der TV Nellingen hat seine Handballerinnen von der Bundesliga abgemeldet. Das stößt auf Kritik - fiel die Entscheidung doch kurz nach dem Beschluss des Gemeinderats für eine große Sporthalle.

OstfildernÜber Monate hinweg hatte der TV Nellingen (TVN) die Entscheidungsträger der Stadt bearbeitet: Ostfildern müsse zu den Hornets, wie sich die Bundesliga-Handballerinnen nennen, stehen und ihnen endlich eine wettkampftaugliche Sporthalle bauen, mit genügend Plätzen auch für die gut besuchten Derbys. Auf Initiative einer großen Koalition aus Freien Wählern, CDU und SPD fasste der Gemeinderat am 27. Februar dann auch den Grundbeschluss. Der Ersatzbau für die heruntergekommene Sporthalle 1 soll 750 Sitz- und 200 Stehplätze bekommen. Doch kaum drei Wochen später kam der TVN mit einem Paukenschlag: Das Bundesliga-Abenteuer sei finanziell nicht mehr zu stemmen. Wegen des plötzlichen Wegsfalls von Sponsorengeldern plane man in der nächsten Saison einen Neustart – in der 3. Liga. Bei der Stadt hat diese vorige Woche verkündete Nachricht große Verärgerung ausgelöst. Vorwürfe wie „Trickserei“ oder „falsches Spiel“ machen seither die Runde. Die Grünen denken sogar darüber nach, die Diskussion neu zu entfachen, um den Beschluss des Gemeinderats eventuell wieder kippen zu können.

OB Christof Bolay reagiert angefressen auf die „allenfalls drittklassige Kommunikation“ des Vereins und bekommt dafür zumindest aus Teilen des Gemeinderats Beifall. Von Vertrauensbruch ist die Rede. Beim TVN ist man seither bemüht, die Wogen zu glätten. „Wir haben nicht taktiert“, betont Vorsitzender Karl-Hans Schmid. „Bei uns haben sich die Ereignisse überschlagen.“ Eine derart dramatische Entwicklung sei nicht abzusehen gewesen. Aus finanziellen Gründen habe man keine andere Wahl gehabt, als das Team aus der Bundesliga zurückzuziehen.

Margarete Schick-Häberle, die Sprecherin der Grünen-Fraktion, kann die Aufregung nachvollziehen. Für sie ist die Entscheidungsfindung „unbefriedigend gelaufen“. Deswegen gebe es in ihrer Fraktion Überlegungen, ob man die Sache nochmals grundsätzlich aufrollen soll. Denn mit dem Rückzug aus der Bundesliga hätten sich die Voraussetzungen geändert. Man müsse sich die Frage stellen, ob die zusätzlichen 200 Stehplätze, die der mehrheitlich gefundene Kompromiss beinhaltet, überhaupt noch benötigt würden. Man solle den Hornets aber auch nicht die Tür zuschlagen. Denn vielleicht schaffe man irgendwann wieder die Rückkehr in die Bundesliga. Für die Grünen stünden bei der Hallengröße an erster Stelle die Bedürfnisse der Schule, so Schick-Häberle. Zweite Priorität hätten die Vereine. Und erst an dritter Stelle gehe es um eine bundesligataugliche Arena. Und die habe man mit 750 Sitzplätzen. Egal, wie die Debatte im Gemeinderat ausgehe, der Neubau der Sporthalle müsse schnell kommen. Denn davon hänge die gesamte Entwicklung im Nellinger Schulzentrum ab.

„Enttäuscht von der Haltung des TV Nellingen“ ist Elfi Kolm, die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU. Was da gelaufen sei, habe „zumindest ein Gschmäckle“. Kolm kritisiert wie OB Bolay, dass niemand von der Vereinsführung auf die Idee gekommen sei, die Stadt zeitnah über die neue Entwicklung zu informieren. „Ich bin skeptisch, ob wir den Beschluss in der Form aufrecht erhalten können.“ Die CDU-Stadträtin hat die Sorge, dass die Kosten für die Halle explodieren könnten und verweist auf eine Anmerkung in der Gemeinderatsvorlage, wonach mit einer Preiserhöhung von bis zu 25 Prozent gerechnet werden müsse. Außerdem stößt sich Kolm an der Aussage, dass die Bauverwaltung für die Umsetzung des Projekts Sporthalle 1 voraussichtlich um 2,7 Stellen aufgestockt werden müsse. Bis zu einem endgültigen Baubeschluss müsse noch viel geklärt werden.

Natürlich sei die Sache „dumm gelaufen“, sagt Theo Hartmann, der Fraktionschef der Freien Wähler. Doch nimmt er die TVN-Führung in Schutz. Die dramatische finanzielle Entwicklung mit dem unvorhergesehenen Wegfall von Einnahmen habe man nicht absehen können. Dass jetzt der Grundsatzbeschluss gekippt werden könne, hält Hartmann für ausgeschlossen. Denn die Sporthalle baue man „nicht für die Hornets, sondern für die gesamte Stadt Ostfildern“. Auch die Schulen bräuchten eine Halle mit einer solchen Zuschauerkapazität.

SPD-Fraktionsvorsitzender Werner Schmidt argumentiert ähnlich wie Hartmann. „Das wird eine Halle für alle Ostfilderner.“ So eine Investition müsse man zukunftsgerichtet angehen. Mit einer kleineren Sporthalle sei niemandem gedient. Wichtig seien, so Schmidt, vor allem die zusätzlichen Nebenräume. Den Zeitpunkt für die Entscheidung des TVN hält Schmidt für „unglücklich“. Doch sei es besser, rechtzeitig die Notbremse zu ziehen, bevor der Verein in eine finanzielle Katastrophe schlittere.

TVN-Chef Karl-Hans Schmid will die Situation nicht schön reden. Doch weist er Vorwürfe, wonach der Verein mit gezinkten Karten gespielt habe, weit von sich. „Auch für uns kam das alles sehr überraschend.“ Knall auf Fall seien Einnahmen und zugesagte Sponsorengelder weggebrochen. „Wir hatten plötzlich keine Mannschaft mehr.“ Trotzdem die Bundesliga-Anmeldung, für die schon eine Bürgschaft über 50 000 Euro besorgt war, aufrecht zu erhalten, sei zu riskant gewesen. Einen fairen Umgang mit der Stadt könne man dem Verein nicht abstreiten, so der Vorsitzende. Schmidt wird da deutlich: „Wir sind doch nicht blöd und lügen unsere Verhandlungspartner an.“Außerdem habe der Verein, „nie eine Hornets-Halle gefordert, sondern immer gesagt, dass eine Halle in dieser Dimension für ganz Ostfildern gebraucht wird.“

Am heutigen Mittwoch wollen er und andere Verantwortliche des TVN mit OB Bolay sprechen und ihm die Situation erklären. Auch um manche Missverständnisse aus dem Weg zu räumen, wie Vorsitzender Schmid betont.

Das hätte man alles besser vorher besprechen sollen, meint Rathauschef Bolay. Er hätte sich eine ähnlich offene Kommunikation gewünscht, wie sie von der Verwaltung mit dem Verein gepflegt werde. Zumindest hätte man zum Telefonhörer greifen können und auf vertraulichem Weg die Finanzprobleme rechtzeitig ansprechen sollen. Und dieser Hinweis hätte laut Bolay vor dem Grundsatzbeschluss des Gemeinderats kommen müssen. Dass dann ein anderes Ergebnis herausgekommen wäre, glaubt er gar nicht. Denn die große Mehrheit habe sich für die Argumentationslinie entschieden, dass man den Blick in die Zukunft richten müsse und es wichtig sei, dass eine Große Kreisstadt eine Halle in der Größe braucht.

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