Christina Alff Foto: Dietrich - Dietrich

Christina Alff war jahrelang als Entwicklungshelferin in Afrika. Wie Europas Handel und Afrikas Armut zusammenhängen, hat sie ihren Zuhörern in Hochdorf sehr eindrücklich geschildert.

HochdorfChristina Alff ist Bildungsreferentin mit Doktortitel beim sozialen Investor Oikocredit. Das könnte abgehoben akademisch klingen. Doch die bodenständige Agrarbiologin und Geografin war jahrelang als Entwicklungshelferin in Westafrika, kennt mehrere Länder aus eigener Anschauung. Ihre Beispiele, wie die Handelspolitik Europas, der USA, Chinas und anderer Länder in afrikanischen Ländern lokale Strukturen zerstört, waren teils haarsträubend.

Welches Teil des Hühnchens der Zuhörer denn bevorzuge, wollte sie wissen. Die Antwort „Hühnerbrust“ sei typisch. Weil bei uns derart billig produziert werde, sei mit der Hühnerbrust praktisch das ganze Tier bezahlt, und es sei möglich, nicht benötigte Teile nach Afrika zu exportieren. Das gehe ganz ohne Exportsubventionen, sie seien inzwischen abgeschafft. „Ghana importiert jährlich 300 000 Tonnen Fleisch aus Brasilien, der EU und den USA.“ Die Konzerne hätten das Fleisch für umgerechnet 90 Cent pro Kilo in die Märkte gedrückt, bis die einheimischen Konkurrenten platt gewesen seien. Inzwischen liege der Preis bei 2,50 Euro pro Kilogramm – dafür könnten auch die einheimischen Anbieter produzieren, die es aber nicht mehr gibt. Hätte Ghana sich wie geplant mit Schutzzöllen geschützt, hätte es den dringend benötigten IWF-Kredit nicht bekommen. Kamerun brauchte keinen solchen Kredit und konnte sich wehren, Bürger machten dafür Druck, die Fleischimporte brachen schnell ein. Dies diente auch der Gesundheit der Bevölkerung. „Die Kühlung auf dem Schiff ist in Ordnung, aber im Hafen fällt öfters der Strom aus, dann taut die Ware auf dem Markt an. Ein Großteil, das haben Untersuchungen gezeigt, erreicht den Kunden verkeimt.“

Alff: Rohstoffe direkt vor Ort verarbeiten

Warum gibt es in Mali Milchpulver aus der EU zu kaufen? Gibt es dort keine Kühe? „Doch, ich habe sogar welche gemolken, und Ziegen gibt es auch.“ Es gibt auch Tomatenmark in Dosen, obwohl vor Ort Tomaten wachsen. „Womöglich ist es Tomatenmark aus Tomaten, die in Italien unter unsäglichen Bedingungen von Flüchtlingen geerntet wurden.“ Mit etwas Bewässerung, etwa durch Kleinststauwehre, seien in Mali drei Ernten pro Jahr möglich.

„Warum kommen so viele junge Männer aus dem Senegal nach Europa? Auch deshalb, weil sie in der Landwirtschaft kein Auskommen finden. Sie gehen in die Städte, finden sie auch dort keines, ziehen sie weiter in Richtung Norden.“ 62 Prozent aller Afrikaner lebten von der Landwirtschaft, in Deutschland seien es nur 1,6 Prozent der Erwerbstätigen. „Wenn die Menschen ein gutes Auskommen haben, bleiben sie.“

Alff rät dazu, Wertschöpfungsketten auszubauen, die Rohstoffe direkt vor Ort zu verarbeiten, „vom Rohkakao zur Schokolade, von der Baumwolle zum Kleidungsstück“. Doch die Produzenten seien von den Weltmarktpreisen abhängig, beim Kakao sei er trotz weltweit steigender Nachfrage im Keller. Nur im fairen Handel gebe es Mindestpreise und Prämien. „Die sieben größten Konzerne haben 51 Prozent des Marktes.“ Christina Alff lobte hingegen den schwäbisch-quadratischen Hersteller mit eigener Plantage: „Er ist ein Vorreiter.“ Vom fairen Handel und solchen Vorreitern abgesehen ist für sie klar: „Wir beuten aus. Unser Wohlstand ist nur möglich, weil wir solche Handelsbeziehungen haben.“ Wer für 69 Cent unfaire Schokolade kaufe, unterstütze damit Kinderarbeit. „2017 gab es in Westafrika mehr als zwei Millionen Kinderarbeiter.“ Alff, die auf Einladung des Fairtrade-Fördervereins, der Flüchtlingshilfe und der VHS Esslingen nach Hochdorf gekommen war, verschwieg nicht die hausgemachten Probleme. Investitionen im ländlichen Raum brächten den lokalen Politikern keine Wähler, diese lebten meist in den Städten. Durch Vermeidung von Zöllen wolle man die urbane Schicht bei Laune halten. Und es gebe viele korrupte Beamte. Trotzdem: „Wir müssen bereit sein, für bestimmte Produkte mehr Geld zu bezahlen. Oder wir müssen damit leben, dass die Menschen zu uns kommen.“

Es brauche auf G20-Ebene freiwillige Exportbeschränkungen, und die externen Kosten wie die Nitratbelastung müssten in die Lebensmittel eingepreist werden. „Die Fleischsteuer wird kommen.“ Höhere Preise kämen auch den deutschen Bauern zugute. Dringend nötig seien zudem Änderungen bei Zöllen und Steuern: „Wenn Peru seinen Kaffee selbst röstet, muss das Land beim Export plötzlich hohe Zölle bezahlen. Fair gehandelte Produkte dürften gar nicht versteuert werden.“

Das Urteil der Referentin über den deutschen Entwicklungshilfeminister Gerd Müller (CSU) ist eindeutig: „Der Müller ist pfiffig, der will kluge Projekte. Er kann sich nur gegen die anderen, mächtigeren Ministerien nicht durchsetzen.“ Um richtige Schritte durchzusetzen, brauche es eben Druck aus der Bevölkerung, in Deutschland wie in Kamerun.