Die Band Jazztasy der Musikschule tritt mit ihrem Bandleader Rainer Frank im Hof des Hundertwasserhauses auf. Foto: Ait Atmane - Ait Atmane

Ob Chorgesang in der Schalterhalle des Bahnhofs oder Jazz und Gospel im Innenhof des Hundertwasserhauses – beim „Tag der Musik“ boten Plochinger Vereine Auftritte an besonderen Orten. Sie wollen raus aus den Konzertsälen und fanden damit ein interessiertes Laufpublikum.

PlochingenRaus aus den Konzertsälen, dahin, wo die Menschen sind – und die Musik wirken lassen. Nach diesem Konzept haben die musiktreibenden Vereine in Plochingen von Freitag bis Sonntag zum vierten Mal den „Tag der Musik“ begangen. Dabei bespielten sie auch ungewöhnliche Orte: solche, die man selten betritt ebenso wie ganz alltägliche, die es von einer neuen Seite zu entdecken galt.

Die Schalterhalle des Plochinger Bahnhofs zeigte am Samstag ganz ungewohnte Reize. Täglich gehen viele Menschen, meistens hastig, durch den kahlen Raum mit seinen Schwingtüren. Am Samstagmittag kurz nach zwei war das anders. Wer eilig vom Bahnsteig hereinkam, blieb stehen oder ging vorsichtig, möglichst ohne zu stören, weiter. Denn der kleine, aber sehr feine Chor des Sängerbunds Liederkranz füllte mit traditionellen Weisen in verschiedenen Sprachen die hohe Halle, die eine beeindruckende Akustik offenbarte. Mancher nahm bei dieser Gelegenheit zum ersten Mal wahr, dass sie eine dunkle Holztafeldecke mit goldener Verzierung hat.

Ein beinahe ehrfürchtig lauschendes Publikum hörte sich das ganze halbstündige Konzert an, vom altrussischen Kirchengesang bis zum irischen Segenslied; eine Radfahrerin blieb lange an der Tür stehen. Zum Abschluss, nach der eingeforderten Zugabe, gab es ein Gläschen Sekt für die Mitwirkenden, mitgebracht von Helga und Hans Keller. Die beiden haben bei einem früheren Tag der Musik den Liederkranz an genau diesem Ort kennengelernt und pflegen seitdem freundschaftliche Beziehungen: „Wir sind einfach Fans!“

Faszinierendes Klangspiel

Während der Bahnhof ein belebter Ort ist, hat die Öffentlichkeit zum Hof des Hundertwasserhauses nur selten Zutritt. Am Samstag baute die Band Jazztasy von der Musikschule unter seinem Pavillon ihre Instrumente auf, daneben nahm der Oratorienchor Aufstellung und sang sich ein. Unter freiem Himmel sei das immer ganz anders als drinnen, sagte Chormitglied Alexandra Kreuzer. Aber es mache Spaß, „das ist ein schönes Ambiente“. Eva Rehorek konnte bei dieser Gelegenheit zum ersten Mal überhaupt den Hof mit der farbenfrohen Mosaik-Kulisse betreten. Nach der Probe verteilten sich einige Chormitglieder in Grüppchen in dem verspielten Garten mit seinen Büschen und den modellierten Hügeln, um dann beim ersten Lied singend aus den verschiedenen Winkeln zusammenzukommen. Die Zuschauer genossen den Ort ebenso wie afrikanische Lieder, Gospels und Jazz, die vom Chor und der Band teils wechselweise, teils gemeinsam vorgetragen wurden.

Bei der „Trommlerei“ in der Marktstraße war ein aktives Publikum gefragt. Schlagzeuglehrer Wolfgang Rosner animierte die rund 50 im Halbkreis stehenden Passanten zum Mitklatschen, während seine Schüler den Rhythmus vorgaben. Unter freiem Himmel, mitten in der belebten Fußgängerzone gelang ihnen sogar das Kunststück, eine „Percussion der leisen Töne“ vorzutragen. Sie begann mit dem rhythmischen Schleifen zweier Besen auf dem Boden, dazu kam das sachte Reiben von Spülschwämmen, das Klopfen von Kaffeelöffeln, das Klatschen von Schuhsohlen und das satte Geräusch von Plastiktüten, die sich mit Luft füllen – ein faszinierendes Klangspiel.

Sich durch die Stadt bewegen und ein musikalisches Schmankerl nach dem anderen mitnehmen oder zufällig vorbeikommen: beides funktioniert am Tag der Musik. Am Fischbrunnenplatz spielten die Harmonikafreunde, wobei die Crazy-Akkordeon-Kids zunächst durch ein fehlendes Kabel ausgebremst wurden, dann aber mit eingängigen Songs wie „Yesterday“ von den Beatles in Fahrt kamen. Die Ottilienkapelle, eigentlich kein so ungewöhnlicher Ort für Konzerte, strahlte an diesem Tag aus: Durch ihre geöffnete Tür war das Kammerorchester mit einer Sinfonie von Joseph Hayden bis weit in die Marktstraße und die Burgstraße hinein zu hören.

Bereits am Freitag und auch am Sonntag wurde an vielen weiteren Orten musiziert, in der Burgschule, im Kulturpark Dettinger oder bei Steiner am Fluss. Mit allen Zuhörern könnte man bestimmt einen großen Konzertsaal füllen. Wichtig sei aber auch, dass die vielen verschiedenen musizierenden Vereine und Institutionen etwas zusammen machen, sagte Ralph Krasselt, Vorsitzender des Musikvereins, der den Tag der Musik für den Arbeitskreis der Plochinger Vereine federführend organisiert hatte.