Foto: dpa/oh - dpa/oh

Die EZ hat Karolin Schmidt, Céline Kühnel und Maximilian Fiel zum Austausch der Bewerber um die Nachfolge Angela Merkels begleitet.

BöblingenAm Ende fühlen sich Céline Kühnel, Karolin Schmidt und Maximilian Fiel wie die drei Stars des Abends. Die eigentlichen Hauptpersonen haben zu diesem Zeitpunkt die Böblinger Kongresshalle nach der fünften CDU-Regionalkonferenz vor der Wahl eines neuen Parteichefs bereits verlassen. Nun stehen also die drei Vorstandsmitglieder der Jungen Union (JU) im Kreis Esslingen gleich vor mehreren Kamerateams und werden um ihre Meinungen gebeten. Es ist der krönende Abschluss eines ereignisreichen Ausflugs der Jungpolitiker zu ihren Parteigrößen, eine Art schwarzer Rausch, bei dem klar wird: Der Nachwuchs ist polit- und medientauglich sowie bedacht. Doch der Reihe nach.

Karolin Schmidt aus dem Lenninger Tal, 24, in Ausbildung zur Kauffrau für Büromanagement, neben der JU auch als Beisitzerin im CDU-Kreisvorstand aktiv, nennt als Schwerpunktinteressen Wohnungspolitik und Digitalisierung. Céline Kühnel, 25, Lehramtsstudentin und Gemeinderätin in Leinfelden-Echterdingen, begeistert sich am meisten für Bildungspolitik. Und der Denkendorfer Maximilian Fiel, 26, wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Landtagsabgeordneten Fabian Gramling, brennt für Verkehrs- sowie Sicherheitspolitik. Und er und Kühnel brennen füreinander, die beiden haben sich bei der JU kennen und lieben gelernt.

Alle Drei sind auch Mitglied in der CDU, dürfen deshalb zur Regionalkonferenz nach Böblingen. Das Trio startet am Stuttgarter Hauptbahnhof. In der S 1 erzählen sie von hitzigen Diskussionen über die Nachfolge von Angela Merkel innerhalb der Nachwuchsunion im Kreis Esslingen. Jens Spahn und Friedrich Merz bekämen dabei den meisten Zuspruch, für Annegret Kramp-Karrenbauer sieht es eher mau aus. Offiziell hat sich die JU Baden-Württemberg bereits auf Merz festgelegt.

Fiel gefällt das, er plädiert für den alten Newcomer der CDU, die Frauen sind noch unentschlossen. „Ich hatte den Namen vor seiner Kandidatur noch nie gehört“, sagt Kühnel, die seit 2015 im Gemeinderat mitwirkt und wie ihre beiden JU-Mitstreiter vor Jahren über die Familie oder Freunde und Bekannte zur Jungen Union kam. Die drei Kreisvorständler interessieren sich für die Probleme vor Ort und in der Welt. Sie sind jung und sachlich, wollen aber unisono keine Berufspolitiker werden. Weil der Tagesplan viel zu voll sei oder weil ehrenamtliches Engagement auf Kommunalebene mehr Spaß mache.

Dabei haben sie Talent. Jedenfalls spulen auch sie das derzeitige CDU-Mantra – die Partei lebt, drei tolle Kandidaten, es macht wieder Spaß – wie die Großen der christdemokratischen Bühne ab. Ebenso wenig fehlt die Kritik am GroKo-Partner SPD. Bei den Schwarzen ist auch der Nachwuchs schon mit den politischen Wassern gewaschen. Da verwundert es auch nicht, dass Fiel – wie die Parteispitze – entgegen einiger Medienberichte von keiner aufgeheizten Stimmung unter den Kandidaten spricht. Der Ton sei nicht rauer, das habe er jedenfalls bei der Vorstellung der Kandidaten im Landtag am Nachmittag vor dem Termin in Böblingen so erlebt.

In der dortigen Kongresshalle begrüßt der Esslinger Tim Hauser, CDU-Stadtverbandschef und einer der 1001 Delegierten, die beim Bundesparteitag in Hamburg am 7. Dezember über den CDU-Vorsitz abstimmen werden, die Drei. Er feiert an diesem Tag seinen 34., schüttelt viele Hände, kennt so einige und ist bei vielen bekannt. „Es wird Zeit, dass ihr mal ein paar von den Alten absägt“, sagt eine ältere Dame im Vorbeilaufen zu ihm. Nur alle gemeinsam könnten etwas erreichen, antwortet er und sagt bezugnehmend auf die drei Kandidaten um den Bundesparteivorsitz: „Am meisten zählt die Begeisterungsfähigkeit. Alles steht unter der Überschrift: Wer kann am Ende am besten mitreißen – die CDU und die gesamte Bevölkerung.“ Für Hauser ist klar, dass das vor allem Merz sein kann. Ihm wird er seine Stimme geben, ihn hat er an diesem Nachmittag von Stuttgart nach Böblingen chauffiert. Nun telefoniert er mit Merz’ PR-Berater, verkämpft sich für ein Interview für die EZ. Kurz darauf schnappt aber AKK, wie Annegret Kramp-Karrenbauer hier alle nennen, den Interviewpartner weg. Die beiden wollen vor dem Schlagabtausch auf der Bühne noch plaudern, erfährt Hauser am Handy. Nach der Veranstaltung sollte es aber klappen (siehe unten stehendes Interview).

In der Zwischenzeit haben die drei JU-ler einen Platz für den Reporter im Saal freigehalten. Später wird sich auch Hauser mit seiner Frau zu seinen jungen Kollegen gesellen. Er macht Fiel mit einem Parteisenior in der Vorderreihe bekannt, und Fiel stellt diesem wenig später nicht ohne Stolz seine Freundin als Gemeinderätin vor. Von ihrem Umfeld erfahren sie in der Regel eine positive Rückmeldung für ihren politischen Einsatz. „Es könnten sich ruhig noch mehr engagieren“, sagt Kühnel, und Schmidt ergänzt: „Meine Freunde sind in der Regel gegen die CDU, eher für die Grünen oder die SPD. Aber Frau Merkel finden sie alle gut.“

Um deren Nachfolge bewerben sich die drei Kandidaten, die nun unter großem Applaus einlaufen. Jedes Mitglied im Saal steht. In den folgenden drei Stunden stellen Kramp-Karrenbauer, Merz und Spahn zunächst in einem jeweils zehnminütigen Plädoyer ihre Kernabsichten vor, danach beantworten sie die Fragen der anwesenden Mitglieder. Sie werden nur einen Bruchteil der 200 Fragen schaffen, so viele wie bei keiner bisherigen Regionalkonferenz. Die drei Nachwuchskräfte diskutieren über Aussagen, Mimik und Rhetorik der Bewerber, klatschen mal mehr, mal weniger intensiv. Als Merz für ein Verbot von Werbung für Schwangerschaftsabbrüche wirbt, applaudiert Schmidt bewusst nicht. „Jawoll“, ruft Fiel, als Spahn den Soli abschaffen will. Und alle drei applaudieren, als Kramp-Karrenbauer die Loyalität innerhalb der CDU beschwört.

Insgesamt fällt auf, dass der Nachwuchs nicht ganz so frenetisch applaudiert wie die betagteren Mitglieder im Saal. Sie gucken dafür öfter auf ihr Smartphone, posten auf dem Instagram-Kanal der JU Esslingen ein Foto von sich, sichten die digitalen Kommentare über die Veranstaltung. „Wir sind viel auf sozialen Plattformen aktiv, deshalb ist es wichtig, dass die Politiker diese bedienen“, wird Schmidt auf der Heimfahrt sagen. Zuvor huscht den Jungspunden gegen Ende der Fragestunde auch mal ein Gähner übers Gesicht, doch beim Auftritt vor den Kameras sind sie wieder hellwach. „Friedrich Merz hat ganz klare Kante gezeigt, AKK war wieder sehr souverän, und Jens Spahn war sehr sehr stark in der Rhetorik. Keiner hat Angriffsflächen geboten, man könnte jeden unterstützen“, sagt Schmidt, und Fiel bilanziert: „Ich denke immer noch, dass Friedrich Merz der Richtige ist, weil er der einzige ist, der den Finger so richtig in die Wunde legt. Er wird viele Themenfelder in der CDU auf links drehen.“ Kühnel hat weiterhin keinen Favoriten, für sie hat der Abend vor allem gezeigt, „dass die CDU lebt. Es ist toll, das zu sehen.“

Doch trotz des Rampenlichts steht fest: Berufspolitiker wollen die drei jungen Unionisten auch jetzt nicht werden.

Interview mit Friedrich Merz

Kommentar zum Thema