Klaus-Dieter Waldmann (links) und Ulrich Essig vom Carsharing-Verein vor dem Teilauto in der Tiefgarage beim Rathaus. Foto: Bulgrin - Bulgrin

Mobilitätsserie: 2009 hoben einige Wendlinger ihr Carsharing-Projekt aus der Taufe. Weil ihr eigenes Auto zu oft ungenutzt auf dem Parkplatz stand, teilten sie das Fahrzeug. Inzwischen hat der Verein 40 Mitglieder und vier eigene Fahrzeuge. Auch die Stadtverwaltung zieht mit.

Wendlingen Als begeisterter Radfahrer lässt der Wendlinger Ulrich Essig nicht nur bei schönem Wetter sein Auto gerne stehen und radelt nach Neuwirtshaus zu seinem Arbeitgeber Porsche. Mit Kollegen hat er sich für eine Fahrgemeinschaft zusammengetan. „Manchmal muss man aber einfach motorisiert sein“, findet der Gründer des Wendlinger Carsharing-Vereins. Sein eigenes Auto stand oft ungenutzt herum und blockierte einen Parkplatz in der Stadtmitte. 2009 rief er deshalb gemeinsam mit drei Frauen einen Pool ins Leben. Das erste gemeinsame Auto war der ausgediente Sportwagen des Gründers. Inzwischen verfügt der Verein über vier Fahrzeuge – zwei davon werden elektrisch betrieben. Im Dorf mobil zu sein, ohne selbst ein Auto zu haben, findet Essig wichtig. 2012 haben die Bürgerinnen und Bürger den Verein „Ökologie und Mobilität“ gegründet, um die Trägerschaft auf eine breitere Basis zu stellen.

Weil die Wendlinger mit Teilauto Schwäbisch Hall kooperieren, haben sie rein theoretisch Zugriff auf acht weitere Autos, die dort stationiert sind. Seit 2012 ist auch die Stadt Wendlingen im Rahmen des integrierten Verkehrskonzepts im Verein dabei. Ein Auto steht dauerhaft in der Rathausgarage. Es wird tagsüber von Mitarbeitern der Verwaltung genutzt. In bestimmten Randzeiten ist dieses Elektroauto für alle offen. Bürgermeister Steffen Weigel hat das Projekt von Anfang an unterstützt. Er nutzt das Auto auch selber, wenn er dienstliche Termine hat: „Da muss man aber schnell sein, denn oft ist das Elektroauto ausgebucht.“ Wenn sich der Verwaltungschef spontan entscheidet, kommt er oft auch mal nicht zum Zug. Beim geteilten Auto der Stadtverwaltung gilt das Windhundprinzip.

„Weil Wendlingen eine kleine Stadt ist, gibt es bei uns kein Car2Go, und auch für Stadtmobil würde sich der Bereich nicht lohnen“, sagt Ulrike Seiffert. Da seien die großen Städte einfach im Vorteil. Als Berufspendlerin fährt sie werktags nach Stuttgart und setzt da auf öffentliche Verkehrsmittel. Die Anbindung an die Landeshauptstadt mit Zug und S-Bahn findet die Bankkauffrau optimal. Am Wochenende oder abends kommt sie mit ihrem Elektro-Motorroller aber nicht überall hin. Daher ist sie froh, dass sie auf die Autos des Vereins zurückgreifen kann.

Alle tragen Verantwortung

Aus finanziellen Gründen habe sie das eigene Auto nicht abgeschafft, sagt Seiffert. „Mir ist es wichtig, etwas für die Umwelt zu tun.“ Außerdem findet sie es gut, dass die Verantwortung für die Fahrzeuge auf mehrere Schultern verteilt ist. Obwohl Ulrich Essig sich um die meisten technischen Probleme kümmert, packen die anderen auch oft mit an: „Wer Zeit hat, fährt einfach mal kurz in die Werkstatt, um Sommerreifen aufziehen zu lassen.“ Gleiches gilt für die Waschanlage, für das Betanken oder für den Ölwechsel.

Jedes Mitglied hinterlegt eine Kaution von 1000 Euro. Wer das Carsharing-Modell erst mal nur befristet ausprobieren möchte, hinterlegt 500 Euro. Drei Monate lang dürfen Interessenten das Angebot unverbindlich testen. Die Kilometerpauschalen für die Nutzung werden dann monatlich abgerechnet und über das Lastschriftverfahren eingezogen. Über eine gesonderte Jahresabrechnung wird die Abnutzung der Fahrzeuge ebenso erfasst wie Wartungskosten. „So werden die tatsächlichen Kosten gerecht auf alle umgelegt“, findet Ulrich Essig. Die Buchhaltungsarbeit schultern die Mitglieder des Vereins selbst.

Die zwei Elektroautos sind in der Tiefgarage des Rathauses stationiert. Da gibt es auch eine Ladestation. Die beiden Renault Zoe, die der Verein angeschafft hat, werden zu 100 Prozent elektrisch betrieben und haben voll geladen eine Reichweite von 400 Kilometern. Gibt es bei den privaten Nutzern manchmal Konflikte, wenn alle Autos ausgebucht sind? „Wenn man das Fahrzeug braucht, muss man einfach ein bisschen vorplanen“, sagt Ulrike Seiffert. Da sei sie inzwischen auch selbst ein bisschen disziplinierter geworden. Übers Internet haben die Mitglieder jederzeit Einsicht, wer das Auto gerade geliehen hat. „Wir geben uns Mühe, das Fahrzeug nicht länger als nötig zu blockieren“, sagt Ulrich Essig. Bei regelmäßigen Treffen tauschen sich die Nutzer aus. Da wird nach den Worten von Vereinschef Essig auch darüber gesprochen, wie man das Carsharing im Alltag noch besser gestalten kann. „In so einer überschaubaren Gemeinschaft funktioniert das gut.“

Dass die Stadtverwaltung in das Carsharing-Projekt mit eingestiegen ist, ermöglicht nach den Worten von Ulrike Seiffert auch professionellere Strukturen. In der Tiefgarage des Rathauses in der Wendlinger Stadtmitte gibt es zwei Ladestationen für die zwei E-Autos, die da geparkt sind. Gerade jenseits der Zentren sind solche Stationen selten zu finden. Da ist es noch ein langer Weg, bis sich Elektromobilität als wirkliche Alternative durchsetzt. In der Tiefgarage gibt es auch Stellplätze für Fahrräder. „Wir wünschen uns, dass wir die Verkehre optimal miteinander vernetzen können“, sagt Seiffert. Gerade im schwer belasteten Mittleren Neckarraum findet sie es wichtig, nicht nur in der Freizeit mit umweltfreundlichen Verkehrsmitteln unterwegs zu sein.

Vorbild für andere Kommunen

„Es wäre schön, wenn unser Carsharing auch in anderen kleineren Kommunen Schule machen könnte“, sagt Ulrike Seiffert. Ihr persönliches Fazit fällt durchweg positiv aus. Mit dem Elektroroller habe sie sich einen Traum erfüllt. „Aber damit komme ich eben nicht in allen Lebenslagen durch.“ Da sie das Teilauto für Notfälle in der Hinterhand habe, sei ihr der Umstieg leicht gefallen. „Manchmal braucht man einfach ein Auto, das fängt schon beim Schleppen der Getränkekisten oder beim Großeinkauf an.“

Bei Cityfest in Wendlingen am Sonntag, 22. Juli, stellt der Verein seine Arbeit und seine Fahrzeuge vor. Da dürfen Interessenten den elektrischen Renault Zoe auch mal probeweise fahren. „Wenn wir mehr Mitglieder haben, könnten die Strukturen langsam wachsen“, sagt Ulrich Essig. Deshalb sind neue Gesichter jederzeit willkommen.

www.carsharing-wendingen.de

Die Stadt und ihr Verkehr

S-Bahn-Anschluss: halbstündliche Verbindung nach Stuttgart und Kirchheim. Freitags, samstags und vor Feiertagen fahren die S-Bahnen nachts.

Zuganschluss: In Wendlingen halten Regionalexpress-Züge nach Stuttgart und nach Tübingen sowie Regionalbahnen nach Plochingen und Herrenberg.

Bus: Die Stadtbuslinie 154 verbindet den Bahnhof mit dem Wohngebiet Weinhalde; die Linie 154 erschließt den Stadtteil Unterboihingen. Sehr positiv wird der Relex-Bus zum Flughafen angenommen.

Bürgerbus: Bewährt hat sich der Bus für Senioren.

Verkehrsbelastung: Auf der Ortsdurchfahrt Stuttgarter und Ulmer Straße stauen sich häufig die Autos. Das belastet die Anwohner der Straße und kostet Fahrer Zeit.

Radwege: Trotz ausgeschilderter Radwege im Zentrum gibt es Lücken im Netz, zum Beispiel an der Kapellenstraße zum Schulzentrum.

Barrierefreiheit: Wenig rollstuhlgerechte Gehwege in beiden Stadtteilen.

Die Stadt Wendlingen hat 15 995 Einwohner. Sie liegt verkehrsgünstig an der Autobahn 8 nach Karlsruhe und München sowie an der B 313. Zum Flughafen Stuttgart sind es mit dem Auto rund 20 Minuten. Mit der S-Bahn dauert diese Verbindung über Stuttgart sehr lang. Der Relex-Bus bringt Fluggäste in 26 Minuten zum Flughafen oder zurück. Damit besteht auch eine gute Verbindung nach Denkendorf. In Wendlingen gibt es laut Auskunft des Statistischen Landesamts 6400 Arbeitsplätze. Die Zahl der Berufspendler, die in Wendlingen arbeiten, liegt bei 5414 Menschen. Dem stehen 6449 Auspendler gegenüber.