Bitte einsteigen: Bis zu ihrem 80. Geburtstag will sich Marta Deuschle Foto: Ulrike Rapp-Hirrlinger - Ulrike Rapp-Hirrlinger

Sie hat schon schweres landwirtschaftliches Gerät und Lastwagen bewegt. So ist es für Marta Deuschle eher ein Kinderspiel, mit dem Denkendorfer Bürgerbus durch die Gemeinde zu fahren. Die 78-Jährige ist von der ersten Stunde an dabei und will sich bis zu ihrem 80. Geburtstag regelmäßig hinters Steuer setzen.

DenkendorfGroße Fahrzeuge zu lenken, ist für Marta Deuschle kein Problem: Ob Traktoren und andere schwere landwirtschaftliche Maschinen, Lastwagen oder inzwischen den Denkendorfer Bürgerbus – die 78-Jährige sitzt gerne hinterm Steuer.

Gemeinsam mit ihrem Mann Karl-Heinz bewirtschaftete Marta Deuschle lange den Sonnenhof in Denkendorf. Später unterstützte sie ihren Ehemann zusätzlich in dessen Transportunternehmen und fuhr dank eines LKW-Führerscheins auch die Trucks. Als 2010 der örtliche Bürgerbusverein ins Leben gerufen wurde, waren die beiden als Gründungsmitglieder dabei. „Für uns war klar, dass wir als Fahrer mitmachen wollten“, erzählt Marta Deuschle. Auch nachdem Karl-Heinz Deuschle 2014 starb, blieb seine Frau dem ehrenamtlichen Fahrerjob treu. Den Personenbeförderungsschein zu machen, sei kein Problem gewesen. Er gilt für jeweils fünf Jahre. 2015 erneuerte sie die Lizenz. „2020 ist Schluss, denn dann bin ich 80“, erklärt sie. „Man muss seine Grenzen kennen und Verantwortung zeigen.“

Im Durchschnitt zweimal im Monat setzt sich Marta Deuschle hinters Steuer des Busses. Am liebsten fährt sie die Touren am Vormittag. Die sind mit dreieinhalb Stunden nicht ganz so lang. „Außerdem bin ich vormittags besser beieinander.“ Im Bürgerbus herrscht eine familiäre Atmosphäre: Ein freundliches „Grüß Gott“ und die Frage nach dem Befinden sind für Marta Deuschle selbstverständlich. Und sie weiß, an welchen Stellen Passagiere zusteigen wollen, denn in bestimmten Straßenzügen, darf der Bus per Handzeichen gestoppt werden.

Wenn jemand Unterstützung beim Einsteigen braucht, ist die Fahrerin zur Stelle. Manchmal müsse sie aber auch bestimmt auftreten, etwa, wenn jemand sich nicht anschnallen will. „Ich bin da nicht verschrocken“, sagt die resolute Schwäbin, die über eine gehörige Portion Humor verfügt. Im Bürgerbus kommt man miteinander ins Gespräch. Nicht selten schütten die überwiegend älteren Passagiere der Fahrerin ihr Herz aus. „Man ist ein bisschen der Kummerkasten. Ich teile dann gerne eigene Erfahrungen oder gebe Ratschläge.“

Das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun

Auch was die Fahrgäste untereinander sprechen, bekomme sie natürlich mit. „Ich würde aber davon nie etwas weitererzählen“, versichert sie. Oft gehe es um Dinge, die sich im Ort ereigneten. Zuweilen werde auch politisiert . Was sie gar nicht leiden kann: „Wenn sich jemand abfällig über die Bundeskanzlerin oder andere Politiker äußert.“ Dann gibt sie schon mal Kontra: „Könnt ihr es besser?“ Auch wenn jemand meint, der Bürgerbus sei ein billiges Taxi, das einen individuell chauffiere, stellt Deuschle das klar. Doch insgesamt hat Marta Deuschle mit den Fahrgästen gute Erfahrungen gemacht. „Viele loben uns. Das gibt mir das Gefühl, etwas Gutes und Sinnvolles zu tun.“ Selbst wenn sie sich mal verspätet, weil es an einer Haltestelle etwas länger gedauert hat, nehme das kaum jemand krumm.

Dass in der Anfangsphase oft nur wenige Bürger den Bus nutzten, sei schon frustrierend gewesen. Inzwischen jedoch erfreut sich der Bus großer Beliebtheit. Auch die Autofahrer auf Denkendorfs Straßen seien sehr rücksichtsvoll. „Wir werden als Einrichtung wahrgenommen und oft gibt man dem Bus Vorfahrt.“ Die ganzen Jahre hat Marta Deuschle den Bürgerbus unfallfrei gelenkt. Nur einmal ging der Bus mitten auf der Tour kaputt. Weil es zu lange gedauert hätte, bis der örtliche Autohändler, der den Bus wartet, einen Ersatzfahrzeug gebracht hätte, nahm Deuschle kurzerhand ihr eigenes Auto und sammelte die wartenden Fahrgäste auf.

Sich für andere einzusetzen, ist für Marta Deuschle selbstverständlich. 28 Jahre lang war die Mutter von vier Kindern Vorsitzende der Denkendorfer Landfrauen, bis diese mit Köngen fusionierten. Ihr Engagement für den Bürgerbus hat auf ihre Tochter abgefärbt. Sie fährt inzwischen in Köngen Bürgerbus.

Noch eineinhalb Jahre wird Marta Deuschle sich hinter das Steuer des Denkendorfer Bürgerbusses setzen. Ob ihr der Fahrerjob fehlen wird? „Dann habe ich mehr Zeit für die Enkel und Urenkel und meinen Garten“, sagt sie ganz pragmatisch. Und falls sie einmal nicht mehr selbst Autofahren könne, werde sie sicher den Bürgerbus nutzen.

Der Bürgerbus

„Bürger fahren für Bürger“ ist das Motto des 2010 gegründeten Bürgerbusvereins. Gut 200 000 Kilometer hat der Bürgerbus seit seiner Inbetriebnahme im Februar 2011 im Ort zurückgelegt und in dieser Zeit mehr als 36 000 Fahrgäste befördert. Das Ticket für den Rundkurs kostet einen Euro. Nun soll ein neuer Bürgerbus angeschafft werden, denn der reine Kurzstreckenverkehr hat den alten Bus stark beansprucht. Er ist reparaturanfällig geworden. Derzeit engagieren sich mehr als 30 ehrenamtliche Fahrerinnen und Fahrer. Weitere Mitstreiter werden gesucht.

https://buergerbusdenkendorf.de