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Rund vier Jahre, nachdem Plochingen sein asbestbelastetes Stadtbad geschlossen hat, will ein Bürgerbegehren den Plochingern ein neues bescheren.

PlochingenIm November hatte der ehemalige Stadtrat Klaus Hink Mitstreiter gesucht, den Plochingern mit einem Bürgerbegehren wieder ein Stadtbad zu bescheren – als Ersatz für die 2015 wegen Asbestbelastung geschlossene Einrichtung am Burgplatz. Danach hat man lange, lange nichts mehr von den Vorhaben gehört. Jetzt steht fest: Das Bürgerbegehren geht in den nächsten Tagen an den Start.

Und die Initiatoren Harald Schmidt, Andreas Ortz und Klaus Hink, der mehr als 20 Jahre im Plochinger Gemeinderat saß, aber 2014 nicht mehr kandidierte, treten mit 19 Mitstreitern auf einer „Unabhängigen Liste Plochingen“ zur Kommunalwahl an und wollen das Bad zum Wahlkampfthema machen. Zwar hätten drei von derzeit noch vier Gemeinderatsfraktionen wieder ein Becken in Aussicht gestellt, so Schmidt. Aber nur ein Sport- und Vereinsbad, deshalb habe man sich entschlossen, sich doch in den Gemeinderat wählen zu lassen. Denn man brauche ein öffentliches barrierefreies Bad für alle.

Sieben Prozent der Wahlberechtigten sind nötig

„Sind Sie dafür, dass die Stadt Plochingen im zeitlichen Zusammenhang mit der Sanierung des Gymnasiums ein öffentliches Hallenbad baut?“ So lautet jetzt die Fragestellung über der Unterschriftenliste, die sie in den kommenden Tagen in Läden und anderen Einrichtungen auslegen wollen. Plochingen müsse als Schulstadt den Kindern ein Bad fürs Schwimmenlernen ermöglichen. Sportvereine mit Schwimmabteilungen bräuchten ein wettkampftaugliches Becken, und für ältere Menschen sei Schwimmen eine gute Möglichkeit, die Beweglichkeit zu erhalten. Soweit die Begründungen.

Die Initiatoren gehen von elf Millionen Euro Investitionskosten aus. Als Kostendeckungsvorschlag nennen sie unter anderem den Verkauf der Alten Spinnerei und des Gebäudes Am Markt 8. Bei der Deckung der Betriebskosten sind die Streichung des städtischen Instandhaltungszuschusses an den Eigenbetrieb Wohnen, die Streichung des Mietzuschusses für die Alte Spinnerei und 120 000 Euro öffentlich-rechtliche Entgelte die größten Posten. Schmidt verweist darauf, dass mittlerweile einige Bäder auch öffentliche Subventionen erhalten hätten, zudem könne man doch vielleicht auch Unterstützung aus der Pfisterer-Stiftung bekommen, wenn man das neue Bad nach dem Stifter benenne.

Etwa 770 wahlberechtigte Unterzeichner – das entspricht sieben Prozent der 11 000 Wahlberechtigten – brauchen die Initiatoren, damit ihr Bürgerbegehren von der Stadtverwaltung auf seine Zulässigkeit hin untersucht wird. „Das werden wir in enger Abstimmung mit der Rechtsaufsichtsbehörde tun“, sagt Bürgermeister Frank Buß, dem die Initiatoren den Text noch nicht haben zukommen lassen. Mit rund 1000 Unterschriften für ihr Anliegen rechnet die Unabhängige Liste Plochingen, die als Ideengeber und Realisierungsträger auf dem Papier steht. Als Vertrauenspersonen sind Schmidt, Ortz und Hink benannt.

Bürgermeister Frank Buß wollte die Details des Bürgerbegehrens auf die Schnelle nicht bewerten. Aber er gab zu bedenken, dass auf dem städtischen Investitionsplan für die kommenden Jahre nicht nur die millionenschwere Sanierung des Unteren Schulzentrums, sondern auch die Konsequenzen aus dem Verkehrskonzept stünden, das der Gemeinderat am Dienstag auf den Weg gebracht hat. Zudem steht die Sanierung der Schafhausäckerhalle an. Buß: „Das sind Pflichtaufgaben. Da ist schon die Frage, ob wir unsere letzten Liquiditätsreserven in freiwillige Aufgaben stecken sollten.“

Und was den Verkauf der Alten Spinnerei anbelange, habe es sich vor ein paar Jahren schon herausgestellt, dass sie zu dem erwarteten Preis nicht weg ging. Wenn man zudem die Mietzuschüsse für die 56 städtischen Wohnungen dort streichen wolle, müsse man sich darüber im Klaren sein, dass man einen Teil der Betriebskosten für ein Hallenbad bei den Schwachen der Gesellschaft hole. Das gelte auch für den Verkauf des Gebäudes Am Markt 8, das die Stadt im Erdgeschoss für die Arbeit mit Geflüchteten nutzt und in dem sie darüber Obdachlose untergebracht hat.

"Übertriebener Wohnungsbau"

Es sei nicht nur das Thema Hallenbad, das die Liste vereine, meint Spitzenkandidat Harald Schmidt, den man in Plochingen auch als Autor der „Plochinger Meilensteine“ kennt. Hink, der einst über die CDU-Wahlvereinigung in den Gemeinderat gerückt war und sich nach der Trennung im Unfrieden lange Jahre als Solist gegen alle gestemmt hatte, hat als Einziger kommunalpolitische Erfahrung. Er steht auf Platz vier der Liste, die Schmidt, Ortz und Irene Blümlein anführen. Und er sei bereit, mit Mitte 70 wieder ins Gremium einzuziehen, berichtet Schmidt. Dort wolle man die Bürger selbst vertreten, die in den vergangenen Jahren im „Verwaltungsmonopoly“ zu kurz gekommen seien. Schmidt geißelt den „übertriebenen Wohnungsbau“ in Anbetracht des zu erwartenden Strukturwandels in der Automobilindustrie. Für wen solle denn an der Bühleiche, auf dem Bruckenwasen und in den Schafhausäckern gebaut werden? Seit Jahren seien die Vereinszuschüsse eingefroren, während die Stadt einen Haufen Geld für den Erwerb und Ausbau des Hauses neben der Ottilienkapelle oder in den Markt 8 investiert habe.

Dass hiermit dem Populismus das Wort geredet werde und in Leserbriefen Sachverhalte bewusst falsch kommuniziert würden, bestreitet er. „Wir sind politisch absolut unabhängig und stehen für Transparenz und dafür, dass die Bürgerschaft mehr in den Fokus kommt.“

Vom Wunsch zum Bürgerentscheid

Bürgerbegehren: Ein Bürgerbegehren muss die Frage, um die es geht, ausformulieren, eine Begründung und einen realistischen Kostendeckungsvorschlag für die geforderten Maßnahmen bringen. Unterschreiben müssen sieben Prozent der wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger ab 16 Jahre. In Plochingen braucht die Initiative rund 770 Unterschriften.

Bürgerentscheid: Nach Eingang des Bürgerbegehrens entscheidet der Gemeinderat spätestens innerhalb von zwei Monaten über dessen Zulässigkeit. Ist es zulässig, muss innerhalb der folgenden vier Monate ein Bürgerentscheid durchgeführt werden. Er ist dann erfolgreich, wenn die zur Disposition stehende Frage die Mehrheit der gültigen Stimmen hinter sich gebracht hat. Diese Mehrheit muss mindestens 20 Prozent der Stimmberechtigten ausmachen.

Fragestellung des Plochinger Bürgerbegehrens: Sind sie dafür, dass die Stadt Plochingen im zeitlichen Zusammenhang mit der Sanierung des Gymnasiums ein öffentliches Hallenbad baut?

Zur Kostendeckung der auf elf Millionen Euro angenommenen Investitionskosten schlagen sie vor: Kündigung des städtischen Darlehens von rund 7,5 Millionen Euro an den Eigenbetrieb Abwasserversorgung; Realisierung von mindestens drei Millionen Euro Buchgewinn durch Verkauf der Alten Spinnerei; 800 000 Euro durch den Verkauf des Gebäudes Am Markt 8; Realisierung von mindestens 500 000 Euro Vorsteuerabzug durch die Stadtwerke als Maßnahmenträger; jährliche Rücklage von 200 000 Euro für Preissteigerungen (Ersparnis Stilllegung Stadtbad) oder Streckung der Sanierung des Gymnasiums um drei Jahre; freiwerdende Mittel für Stadtbad.

Jährliche Abschreibung und Betriebskosten: 120 000 Euro öffentlich-rechtliche Entgelte, 20 000 Euro privatrechtliche Entgelte; 60 000 Euro Einsparung für die Fahrten/Gebühren nach Altbach und Wernau; 350 000 Euro durch Streichung des Instandhaltungszuschusses an Eigenbetrieb Wohnen, Streichung des Mietzuschusses von 100 000 Euro an die Alte Spinnerei.