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Was bedeutet „Verfristung“? Volker Schindler kann übersetzen. Wer sich zum Beispiel über einen Bescheid in unverständlichem Behördendeutsch ärgert, findet bei dem Landesbürgerbeauftragten aus Plochingen Hilfe.

Stuttgart/PlochingenBedarf nach einem Vermittler besteht. Das zeigen die 324 Eingänge im ersten Jahr ohne große Werbung. Und unsere Erfolgsquote zeigt, dass das Sinn macht“, sagt Volker Schindler, der erste Bürgerbeauftragte des Landes Baden-Württemberg. Der frühere Aalener Vizepolizeipräsident, der in Wernau aufgewachsen ist und in Plochingen wohnt, trat im Februar 2017 das neu geschaffene Amt an. Er wurde vom Landtag für acht Jahre gewählt. Am Mittwoch hat er nun in Stuttgart seinen ersten Jahresbericht vorgestellt – und im Anschluss unserer Zeitung seine persönliche Einschätzung mitgeteilt.

In gut jedem dritten Fall konnte Schindlers Team „in der Sache helfen“, wie es im Bericht heißt. So wurde einer in Frankreich lebenden Familie geholfen, deren Kindergeldzahlung unberechtigt eingestellt worden sei. Einer Frau half man, ihrem Widerspruch gegen eine Baugenehmigung ihres Nachbarn Gehör zu verschaffen. Jedoch könne er stets nur moderieren, betonte Schindler. „Wir hören beide Seiten und klären, ob noch ein Ermessen besteht – zugunsten des Bürgers.“ Bescheide aufheben könne er nicht. Mittlerweile sind auch Fragen aus dem Kreis Esslingen eingegangen – unter anderem aus Plochingen. Dabei sei es um Probleme mit dem Jugendamt gegangen, wie Schindler berichtet, ohne ins Detail zu gehen. „Wir waren eigentlich nicht zuständig, aber haben die Verbindung zu den richtigen Ansprechpartnern hergestellt und hoffentlich dazu beitragen können, dass sich das Problem klären ließ“, sagt der Bürgerbeauftragte am Telefon.

Wie schnell Volker Schindler und seine drei Mitarbeiter helfen können, ist unterschiedlich. „Kleinere Anliegen lassen sich am Telefon klären. Es gibt aber auch Sachverhalte, die begleiten uns ein viertel oder ein halbes Jahr lang, weil Entscheidungen oder Stellungnahmen ausstehen“, erzählt der Plochinger. „Wir versuchen, alles innerhalb von zwei bis vier Wochen zu bearbeiten.“

Dabei sorgt nicht selten allein die Klärung von Missverständnissen durch Behördendeutsch für zufriedene Bürger, wie Schindler deutlich macht: „Wir konnten Verwaltungshandeln erklären und übersetzen.“ Worte wie „Verfristung“ etwa seien vielen nicht geläufig – „Frist abgelaufen“ hingegen schon eher. Unter „Abhilfe durch Information“ führt der Jahresbericht 25,3 Prozent der Fälle auf. Nichts machen konnte der Bürgerbeauftragte bei 115 der 324 Eingaben. Dabei ging es etwa um laufende Gerichtsverfahren oder Petitionen. Auch bei anonymen Eingaben ist er machtlos.

In seinem zweiten Amtsjahr rechnet der frühere Polizist mit einer deutlichen Zunahme an Eingaben und Beschwerden – vor allem mit Bezug auf die Polizei. In den vergangenen Wochen habe seine Behörde spürbar mehr Eingaben von Angehörigen der Polizei bekommen – etwa das Unverständnis einer Polizistin auf Nichtverlängerung ihres Arbeitsvertrages. Woran das liegen könnte? Die neue Behörde hätte gerade dort erst einmal bekannt werden müssen. Gehe die Entwicklung so weiter, müsse man sicher irgendwann auch an mehr Personal denken, so Schindler.

Im ersten Jahr sei es bei je 20 Prozent der 324 Eingaben um Ordnungsrecht, Soziales und Baurecht gegangen. Für das laufende Jahr sei damit zu rechnen, dass sich die Eingaben zur Polizei mit diesen die Waage halten und auf ebenfalls 20 Prozent ansteigen werden. Auch eine deutliche Zunahme an Beschwerden über Polizeieinsätze sei spürbar. Schindler erwähnt auch die Sorge eines Bürgers auf faire Aufnahme eines Unfalls, an dem ein Polizist beteiligt war.

Auch ganz persönlich sieht Schindler sein Amt positiv. „Die Arbeit macht Spaß, sie umfasst eine Themenvielfalt, wie ich sie bislang nicht kannte“, sagt er unserer Zeitung. „Es ist spannend, sich einzuarbeiten und mit unterschiedlichsten Behörden und Bürgern zusammenzuarbeiten.“

Der Landesbürgerbeauftragte ist telefonisch, über ein Online-Kontaktformular und nach Anmeldung persönlich zu den Sprechtagen zu erreichen. Weitere Informationen unter Telefon 0711/137765-30, E-Mail post@buergerbeauftragter.bwl.de und www.buergerbeauftragter-bw.de.