Die Gutachter kommen zum Ergebnis, dass es auf dem Wohnungsmarkt noch günstige Angebote gibt. Foto: Bulgrin - Bulgrin

1900 bedürftige Haushalte im Kreis Esslingen wohnen in zu teuren Wohnungen. Zu diesem Ergebnis kommt ein Gutachten im Auftrag des Kreises. Werden nun die Zuweisungen an die Hilfeempfänger gekürzt?

Kreis Esslingen Mit seinen Mietobergrenzen für hilfebedürftige Bürger steht der Landkreis Esslingen seit Jahren immer wieder in der Kritik. Wohlfahrtsverbände halten sie für zu niedrig und das Sozialgericht Stuttgart bescheinigte im Jahr 2016 dem Kreis, dass seine Datengrundlage nicht ausreichend sei. Nun liegt im Landratsamt ein Gutachten auf dem Tisch, das die Lage auf dem Miet-Wohnungsmarkt analysiert hat und „angemessene Quadratmeterpreise“ nennt. Auf dieser neuen Datenbasis sollen künftig die Zuschüsse für Unterkunftskosten berechnet werden.

Viele Hilfeempfänger müssen nun fürchten, dass ihnen weniger Wohnung- und Heizungskosten bezahlt werden. Nach den neuen Maximalwerten wohnen im Landkreis 1900 Bedarfsgemeinschaften „unangemessen“. Von den 170 neuen Grenzwerten, die anhand von Wohnungsgröße und Ort ermittelt wurden, liegt fast ein Drittel der Werte unter den alten Mietobergrenzen. In neun Regionen hat das Büro Rödl & Partner den Kreis Esslingen eingeteilt. Die Filderregion mit den Städten Filderstadt, Leinfelden-Echterdingen und Ostfildern nimmt dabei – wenig überraschend – die Spitzenstellung bei den meisten Wohnungsgrößen ein. Nur bei den Wohnungen über 75 Quadratmetern liegt die Region H, zu der unter anderem Deizisau, Denkendorf, Köngen und Neuhausen zählen, eine Spur höher.

Die Zahl von 1900 Bedarfsgemeinschaften, die angeblich zu teuer wohnen, ist allerdings auch für die Gutachter keine fixe Größe. Sie gestehen zu, dass für die teuren Mieten durchaus Gründe vorliegen könnten, zum Beispiel wegen einer Behinderung, wegen hohen Alters oder wegen Handicaps, die es erschweren, eine Wohnung zu bekommen. Diese Besonderheiten müssten im Einzelfall geprüft werden. Eine Kostensenkung lasse die Realität in weniger als den 1900 Fällen zu, heißt es im Rödl-Gutachten.

An zwei Punkten verwundert die Vorgehensweise der Gutachter. Zum einen erklären sie, es gebe in allen Kreisregionen genügend leerstehende Wohnungen einfachen Standards. Wer Zeitungsannoncen durchforstet, findet allerdings wenige günstige Wohnungen. Auf dem häufig genutzten Internet-Portal Immoscout24 gibt es so gut wie keine günstigen Wohnungen.

Zum anderen stützt sich das Büro Rödl vor allem auf die Daten der Bestandsmieten und leitet daraus „angemessene Quadratmeterpreise“ ab. Zur Festlegung von Obergrenzen kann das hilfreich sein. Doch welche Entscheidungen kann eine Behörde daraus ableiten? Sie könnte ihre Zahlung an den Hartz-IV-Empfänger entsprechend kürzen. Oder sie kann ihn auffordern, eine günstigere Wohnung zu suchen. Doch schon bisher hat das Sozialamt eher selten auf einen Wohnungswechsel gedrängt, weil auf dem knappen Markt kaum Günstigeres zu finden ist.

Hatte ein Hilfeempfänger Widerspruch gegen den Unterstützungs-Bescheid eingelegt und dann noch nachgewiesen, dass er vergeblich eine kleinere Wohnung gesucht hat, zahlte das Amt mehr als die Obergrenze. Allerdings soll es Wartezeiten geben, bis der Betrag endlich überwiesen wird, so klagt zumindest ein EZ-Leser. Den einfachen Nachweis, man habe keine günstige Wohnung gefunden, werde das Landratsamt Esslingen weiterhin akzeptieren, sagte Pressesprecher Peter Keck.

Im Sozialausschuss wurde Anfang Juni nichtöffentlich über das Gutachten diskutiert. Die SPD hat offenbar die neuen Mietobergrenzen abgelehnt und der Verwaltung einen Fragenkatalog mitgegeben. Auch die Wohlfahrtsverbände im Landkreis sind derzeit dabei, ihre Kritikpunkte am Gutachten zu formulieren. Am 19. Juli steht das Konzept für die Mietobergrenzen dann auf der Tagesordnung des Esslinger Kreistags.