Von Andreas Volz

Manche Taten liegen zehn Jahre zurück, seit 2008 hat die Staatsanwaltschaft ermittelt und vor etwa fünf Jahren die Anklageschrift fertiggestellt. Aber erst jetzt fällte das Kirchheimer Amtsgericht das Urteil gegen den 53-jährigen Kirchheimer. Dazu reichte dem Schöffengericht ein Verhandlungstag - auch dank eines umfassenden Geständnisses.

Wegen 141 Handlungen war eer angeklagt: vorsätzliche Insolvenzverschleppung, vorsätzlicher Bankrott, Betrug und Urkundenfälschung, veruntreuende Unterschlagung sowie Vorenthalten und Veruntreuung von Arbeitsentgelt. Für das Urteil wurde lediglich der vorsätzliche Bankrott in „Beihilfe zum Bankrott“ abgeändert, die Fälle von Betrug und Urkundenfälschung wurden eingestellt - angesichts der Strafe, die für alle anderen Anklagepunkte ohnehin zu erwarten war.

Letztlich profitierte der Mann von dem langen Verfahren. „Vor vier Jahren hätte ich keine Bewährung beantragt, sondern drei bis vier Jahre Freiheitsstrafe“, sagte die Staatsanwältin. Obwohl der Angeklagte als Geschäftsführer mehrerer Unternehmen enorme Fehlbeträge anhäufte und bei Gläubigern hohe Schäden hinterließt, erhielt er die Freiheitsstrafe von einem Jahr und sieben Monaten auf Bewährung. Die Bewährungszeit beträgt drei Jahre. Zusätzlich muss er 100 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten und erhält eine fünfjährige Geschäftsführersperre.

Der Fall ist nur schwer zu durchschauen. Allein die Verlesung der Anklageschrift dauerte mehr als eine Stunde. Immer wieder hieß es in der Verhandlung, dass auch der Angeklagte selbst den Überblick verloren hatte. Verwirrend sind die Verflechtungen der vier Firmen, die aber meist denselben Namen trugen und teilweise nacheinander, teilweise nebeneinander bestanden. Mit der zweiten Firma, die er auf Drängen von Kunden, Partnern und Mitarbeitern gegründet hatte, habe das Unglück begonnen, erzählte der Angeklagte. Für diesen Geschäftszweig habe ihm das Know-how gefehlt.

Als die beiden ersten Firmen den Geschäftsbetrieb wegen Zahlungsunfähigkeit einstellen mussten, wurde ein anderes Unternehmen gegründet, das die Arbeit in den alten Räumen nahtlos fortführte. Der Angeklagte nennt dieses „eine Auffanggesellschaft“, die es ihm ermöglichen sollte, „weiterzumachen“. Die vierte Firma wiederum sei eine reine „Leiharbeiterfirma“ für die dritte gewesen. Strafrichterin Hannah Okonnek warf ihm fehlendes Unrechtsbewusstsein vor, weil er eine der beiden ersten Firmen bis heute nicht liquidiert hat. Er habe sich immer wieder „breitschlagen lassen“, doch weiterzumachen, sagte der Mann. Obwohl es besser gewesen wäre, frühzeitig die Insolvenz zu beantragen - oder sie überhaupt einmal selbst zu beantragen. Die meisten Anträge kamen nämlich von Krankenkassen, denen seine Unternehmen die Versicherungsbeiträge vorenthalten hatten.

Auch da fehlt dem Angeklagten das Unrechtsbewusstsein: „Wenn‘s Geld hinten und vorne nicht reicht, ist es eben die Konsequenz, die Versicherungen nicht zu bezahlen.“ Gleiches gilt für Mieten, Steuern und so weiter. Aus dem Privatleben schildert er Ähnliches: Derzeit sei er mit drei Monatsmieten im Rückstand.

Doch Not macht erfinderisch: So enthielt er nicht nur Geld vor. Es wurde auch auf die dritte Firma übertragen. Maschinen wurden mehrfach verkauft, zurückgeleast, als Sicherheit angeboten. Fazit der Staatsanwältin: „Da wurde erhebliche kriminelle Energie aufgewandt, um die GmbH als leere Hülse zu hinterlassen. Die Gläubiger liefen so ins Leere. “ Weiter sagte sie: „Sie sollten endlich Verantwortung übernehmen.“ Das ist nicht so einfach. Auf die Frage, was er als Auflage leichter leisten könne - eine Geldzahlung oder Arbeitsstunden - antwortete er auch angesichts von etwa 600 000 Euro Schulden aus seiner Privatinsolvenz: „Wenn sie mich so fragen, beides eigentlich nicht. Geld hab‘ ich keins - und Zeit auch nicht.“