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Mit einem Brautag begeistern der Obst- und Gartenbauverein und die evangelische Kirchengemeinde auch junge Leute für die alte Tradition.

BaltmannsweilerDem Obst- und Gartenbauverein (OGV) Hohengehren ist es in den vergangenen Jahren gelungen, jüngere Menschen wieder für ländliche Traditionen und deren Bedeutung für die Zukunft zu begeistern. Nicht zuletzt der engagierte Einsatz für den Erhalt und die Pflege der Streuobstwiesen auf der Gemarkung sowie die Unterstützung bei der Verarbeitung und der Vermarktung der Früchte hat viel dazu beigetragen. Nun hat sich der Verein mit dem Bierbrauen ein weiteres Feld erschlossen. Bei einem Brautag im evangelischen Gemeindehaus Baltmannsweiler hat eine fröhliche Truppe ihre Kenntnisse gezeigt.

Ein süßlich-aromatischer Duft hängt im evangelischen Gemeindehaus in Baltmannsweiler. Aus großen Edelstahltöpfen steigt leichter Dampf auf. 13 gut gelaunte Männer und Frauen eilen geschäftig hin und her, rühren in Behältern, stemmen schwere Gefäße hoch und schütten deren bräunlich-dickflüssigen Inhalt in Eimer um. Ab und an schwappt ein wenig daneben, der Fußboden ist klebrig. Zuweilen geht jemand in die Knie, öffnet ein Ventil an einem der Töpfe und lässt ein wenig braune trübe Suppe in eine Schüssel fließen. Dann wird verkostet.

Peter Röser taucht zur Messung der Stammwürze eines Suds, aus dem in absehbarer Zeit ein Weizenbier entstehen soll, ein Refraktometer in die Flüssigkeit, blickt hindurch, nickt und strahlt. „Das sieht sehr gut aus, das wird was.“ Der Aufwand scheine sich zu lohnen.

Röser, Vorstandsmitglied im OGV, der Vereinsvorsitzende Michael Paukert und ihre Mitbrauer sind seit den Morgenstunden dabei, zwei parallel laufende Brauvorgänge für ein Weizenbier und ein klassisches Export vorzubereiten, das Brauwasser zu erhitzen, das Malz einzumaischen, Hefe und Hopfen bereit zu legen, immer wieder in den Kübeln und Töpfen zu rühren, Maische und trübe Flüssigkeiten von zweifelhafter Farbe umzufüllen. Das Ganze musste beim Zoll angemeldet werden, auch wenn man nichtkommerziell für den Hausgebrauch eine Höchstmenge von 200 Litern pro Jahr steuerfrei brauen darf, erklärt Paukert.

Röser und Paukert hatten im vergangenen Jahr begonnen, mit dem Bierbrauen zu experimentieren. Die Obsternte war praktisch ausgefallen, folglich auch die Saft- und Mostproduktion. „Aber es gibt ja noch mehr ländliche Traditionen, und das Bierbrauen gehört natürlich dazu“, sagt Röser. Der Verein hatte die Anschaffung der Geräte für eine Hausbrauerei genehmigt, und so gingen Röser, Paukert und einige weitere Enthusiasten ans Werk.

Zum Schurwald-Brautag war es dann nur noch ein kleiner Schritt. Röser und Paukert kamen beim Neubürgertag mit Jonathan Dörrfuß, dem Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde Baltmannsweiler, ins Gespräch. Der ließ sich von der Idee, die kleine Brauerei für einen Tag im Gemeindehaus aufzubauen, begeistern. „Es ist eine schöne Sache, wenn die Kirchengemeinde und ein Verein gemeinsam etwas anbieten, das fördert die Gemeinschaft und den Zusammenhalt im Ort“, sagt Dörrfuß. Der Pfarrer hatte den Tag mit einer kurzen Andacht begonnen und dem Brauen einen Martin Luther zugeschriebenen Satz vorangestellt. „Ich sitze hier und trinke mein gutes Wittenbergisch Bier und das Reich Gottes kommt von ganz alleine – das heißt ja auch, dass wir nicht alles in der Hand haben“, erläutert Dörrfuß. Dies wird schnell deutlich. Denn auch wenn der Pfarrer selbst die Ärmel hochkrempelt und kräftig mit anpackt, so dauert es eben doch etwas länger als gedacht mit dem Maischen, das Wasser hat nicht die richtige Temperatur zur rechten Zeit, hier klemmt ein kleines Ventil, dort ist ein Schlauch verstopft, das Kochen des Hopfens muss noch warten – der Zeitplan ist nach hinten gerutscht und nicht zu halten.

Doch die Brauer raten zur Gelassenheit. „Man braucht eben Geduld fürs Brauen. Da kann man froh sein, dass es schon fertiges Bier gibt“, sagt einer der Mitstreiter, die sich die Wartezeit dafür zunutze machen, sich um ein bereitstehendes Fässchen mit Peter Rösers hausgebrautem Weizenbier zu kümmern, das goldbraun aus dem Hahn fließt, einen kraftvollen Schaum bildet, ein nuancenreich-würziges Aroma und einen trockenen Abgang aufweist.

So wird es recht spät, bis das Bier fertig abgefüllt in die Kühlung abtransportiert werden kann. Dort muss es nun noch eine Weile lagern, ruhen und ausreifen. Zur Ruhe zu kommen, sich in Gelassenheit und Geduld zu üben, hatte Pfarrer Jonathan Dörrfuß den Brauern in seiner Morgenandacht mit auf den Weg gegeben und Luthers Satz abgewandelt. „Vielleicht würde es uns gut tun, einmal dazusitzen und zu sagen: ich sitze hier und trinke mein gutes Baltmannsweiler Bier und das Reich Gottes kommt von ganz alleine.“ Zumindest das gute Baltmannsweiler Bier stellt Peter Röser schon in Aussicht. „Irgendwann im Februar wird es eine Verkostung für das Schurwald-Bräu geben. Ich denke, es ist nicht schlecht geworden“, sagt er und lässt erahnen, dass dies als schwäbisches Understatement zu verstehen ist.