Gezwirbeltes Metall: Widderköpfe sind das Markenzeichen von Hobby-Schmied Roland Müller. Quelle: Unbekannt

Von Greta Gramberg

Draußen in der Dämmerung pfeift der raue Wind und die Reste des kürzlich gefallenen Schnees machen den Gang über das Kopfsteinpflaster der Plochinger Innenstadt zur Rutschpartie. Doch durch die vergitterten Scheiben der Tür im Erdgeschoss des Haus Gablenberg dringt ein warmer Lichtschein - der nicht trügt. Denn im Innern haben Roland und Fabian Müller das Feuer in der steinernen Esse der alten Schmiede angefacht.

Nach Feierabend stehen die beiden Männer, die die Mitbürger vom Schauschmieden beim Plochinger Herbst und Frühling kennen, manchmal hier, um nach alter Handwerkskunst allerlei eiserne Gegenstände zu schmieden. Hier ist es wohlig warm und trotz des Hämmerns und der Enge, die keine Sitzgelegenheit zulässt, irgendwie gemütlich. Doch etwas kitzelt furchtbar in der Nase, sodass der Besucher unwillkürlich niesen muss. „Das ist die Anthrazitkohle“, sagt Roland Müller in Bezug auf die glühende Masse in der Esse. Sie erhitze rascher als die Steinkohle, die man früher nutzte, ergänzt sein Schwiegersohn Fabian.

Die beiden Männer müssen offenbar nicht mehr niesen. Mit der Sicherheit der Erfahrung hält der Ältere immer wieder mit einer Zange ein Stück Eisen ins Feuer, um es dann, wenn es glüht, auf einem Ambos zu behauen. Hin und wieder springt der Jüngere mit einem Schraubstock oder einer Zange bei, falls Roland Müller beide Hände zum Verformen des Metalls braucht. „Man muss wahnsinnig aufpassen: Wenn es zu heiß wird, verbrennt das Eisen“, sagt Roland Müller. Temperaturen zwischen 900 und 1200 Grad Celsius seien gut, erklärt sein 25 Jahre alter Schwiegersohn. Die Männer räumen in dem Zusammenhang auch mit einem Klischee vom Schmieden auf: Sobald beim Beschlagen die Funken sprühen - wie man es aus Filmen kennt - ist der Stahl zu hoch erhitzt worden. Wer es richtig machen will, erzielt also besser keine solch spektakuläre Wirkung.

Der 54 Jahre alte Roland Müller ist hauptberuflich Hausmeister bei der Stadt Plochingen, der die Schmiede gegenüber dem Rathaus gehört. So ist er vor etwa 25 Jahren dazu gekommen, die Einrichtung, die die Kommune als Handwerkerdenkmal erhält, mit zu nutzen. „Ich habe Stahlbauschlosser gelernt und in der Lehre das Schmieden angekratzt“, erklärt er. Einige Jahre später hat Müller dann Freundschaft mit einem ausgebildeten Schmied geschlossen und ist mit dessen Unterstützung ins Hobby eingestiegen.

Über die Jahre sind seine Fähigkeiten mit der Erfahrung und ein paar Kursen gewachsen. Er habe das Schmieden hauptsächlich bei seinem Schwiegervater gelernt, sagt Fabian Müller, der mit ihm seit etwa vier Jahren das Hobby teilt und ausgebildeter Abwassermeister ist. Das Stück Eisen auf dem Ambos nimmt langsam Gestalt an. Es soll ein Flaschenöffner werden, erklärt Roland Müller. Das flach gehämmerte Metall bearbeitet er an einem Ende so, dass es sich zwei teilt. Beide Stränge zwirbelt er mit einer Zange und biegt sie zu zwei Halbkreisen nach außen. „Widderköpfe sind mein Markenzeichen“, erklärt Müller. Viele andere der meist kleinen Gegenstände, die die beiden Männer herstellen, haben dieses Signet. Und viele haben ihren Ursprung im Mittelalter - der großen Leidenschaft der Müllers, die aus diesem Grund nicht nur schmieden, sondern auch altertümliche Lederkleidung herstellen, Bogenschießen und auf Mittelaltermärkten - etwa in der mit Plochingen befreundeten norditalienischen Stadt Cividale del Friuli - unterwegs sind. Dort nutzen sie ihre eisernen Eigenprodukte, wie Gürtelhaken oder den Mittelalterlichen Essdorn auch selbst. „Im Mittelalter war die Gabel verpönt, weil der Dreizack Zeichen des Teufels war“, erklärt Roland Müller zum letzten Gegenstand.

Dauerhaft in den vergangenen Zeiten leben wollen die beiden aber lieber nicht. „Dafür sind die Annehmlichkeiten der heutigen Zivilisation zu groß“, sagt Fabian Müller. Und auch in der Schmiede würde keiner von ihnen gerne täglich stehen bei all dem Ruß, der sich in Kleidung, Nase und Mund festsetzt. „Es soll ein Hobby bleiben“, sagt Roland Müller. Deswegen machen er und sein Schwiegersohn alles, was sie schmieden, nur für den Privatgebrauch, bis auf wenige Anlässe, wie Mittelaltermärkte oder die Stadtfeste Plochinger Frühling und Herbst.

Dann fallen beim Schauschmieden auch für die großen und kleinen Zuschauer mal das ein oder andere Hufeisen oder kleine mittelalterliche Messer ab. Fabian Müller: „Wir wollen der jüngeren Generation zeigen, wie früher und teils heute Metall bearbeitet wurde.“

Das Haus Gablenberg und die Geibelsche Schmiede

Die Historie der Schmiede im Gebäude gegenüber der Stadtverwaltung ist wechselhaft. Wie Plochingens Stadtchronist Manfred Reiner schreibt und der Schriftzug über der Tür zeigt - da steht: „Karl Geibel: Wagen- u. Hamerschmied“ - wurde der Handwerksbetrieb 287 Jahre lang von der Familie Geibel betrieben. Allerdings an einem anderen Ort, der Neckarstraße. Bei der Neuordnung der Innenstadt musste der frühere Standort der heutigen Schorndorfer Straße weichen. Das alte Inventar der Schmiede wurde darum in die Gablenbergstraße in einen eigens dafür errichteten Anbau an das Wengerterhaus von 1799, das Haus Gablenberg, umgezogen. Im Haupthaus ist die Plochinger Besenwirtschaft untergebracht.