Manuel Krotzek, Christina Fingerle und Kubrom Tewelde haben in der Backstube, unterstützt von Konditorin Ruth Thumm (von links), alles im Griff. Foto: Eisenhardt - Eisenhardt

Im Café Morlock auf dem Stumpenhof übernehmen die Mitarbeiter mit Behinderung einen Tag lang das Ruder. Alles haben sie im Griff: Backstube und Cafébetrieb.

PlochingenIm Café Morlock auf dem Stumpenhof herrscht am Montagvormittag wie an jedem Tag ein emsiges Treiben: Passanten kaufen frische Backwaren in der Bäckerei, nebenan im Café lassen sich die Gäste ihr Frühstück oder ein Stück Kuchen zum Kaffee schmecken. Dennoch ist dieser Montag etwas ganz Besonderes. Unter dem Motto „WOW, wir kriegen’s gebacken“ übernehmen die Mitarbeiter mit Behinderung selbstständig das Ruder im Cafébetrieb und im Ladengeschäft.

In der Backstube, in der sich am Vormittag Manuel Krotzek und Konditorlehrling Kubrom Tewelde unter anderem um frische Brezeln und Brötchen kümmern, ist einzig Konditorin Ruth Thumm zur Unterstützung mit von der Partie. Alle anderen Mitarbeiter ohne Handicap haben frei. Die Chefs, Geschäftsführerin Lilith Morlock und Gruppenleiter Gerrit de Riese von den Werkstätten Esslingen-Kirchheim (WEK) halten sich im Büro im Hintergrund. Seit Februar 2013 ist das Café Morlock als Werkstatt für Menschen mit Behinderung Teil der WEK. „Aktuell sind bei uns zwölf Mitarbeiter mit Behinderung beschäftigt – seien das nun geistige Beeinträchtigungen wie beispielsweise eine Lernschwäche oder ein körperliches Handicap“, berichtet Lilith Morlock.

Mit den gelernten Fachkräften aus Konditorei, Küche, Service und Laden arbeiten diese an sieben Tagen in der Woche Hand in Hand zusammen. Lilith Morlock, die Soziale Arbeit studiert hat, ist zusammen mit Gerrit de Riese für die pädagogische Arbeit der Beschäftigten mit Behinderung zuständig. „Die Idee für den WOW-Aktionstag ist entstanden, weil unsere Mitarbeiter mittlerweile so weit sind, dass die die Arbeit auch mal alleine managen können“, sagt die Geschäftsführerin, „das stärkt das Selbstbewusstsein und soll auch eine Wertschätzung unsererseits sein, indem wir ihnen die Verantwortung übertragen und ihnen das Vertrauen entgegenbringen.“

Gut fünf Wochen wurde das Projekt gemeinsam vorbereitet, erzählt Gruppenleiter Gerrit de Riese. „Natürlich haben alle schon erst mal große Augen gemacht, als wir unsere Idee angekündigt haben, dann waren aber alle sofort hoch motiviert dabei.“ Die täglichen Abläufe in Café, Bäckerei und Backstube seien allen bekannt, „es ging vor allem um die Aufgabenverteilung“. Das habe vor dem Aktionstag etwa mit der Getränkebestellung anhand von Bestandslisten angefangen. Am WOW-Morgen galt es, erst mal die Räume zu reinigen, die Kühlschränke und die Ladentheke aufzufüllen. Danach begannen der Verkauf und der Service im Café. Für Früh- und Spätschicht wurde jeweils ein Schichtleiter benannt, der die Aufgaben verteilt und während des Aktionstags den Überblick über alle Bereiche hat. Auch Fragen wie „was machen wir, wenn es Konflikte bei der Zusammenarbeit gibt“ wurden in der Vorbereitung geklärt. Ebenso wie Detailfragen, etwa zur richtigen Reinigung der Kaffeemaschine, zur Bedienung der Kasse oder wie das Frühstück in den Größen S, M und L auszusehen hat.

In allen Bereichen klappt die Zusammenarbeit an diesem Montag richtig gut: im Cafébereich ist in der Frühschicht Andrei Balan verantwortlich. Seit sieben Jahren gehört er zum Team. Er serviert, räumt ab, kümmert sich um Kaffeemaschine und Kasse – alles sehr aufmerksam und routiniert. Von Aufregung ist nichts zu sehen. „Ich bin heute mal der Servicemanager. Das ist kein Problem, ich kenne mich hier aus und fühle mich der Aufgabe gewachsen“, erklärt Andrei Balan.

„Das ist schon ein besonderer Tag“

Auch im Ladenverkauf läuft es rund, sagen Tatjana Kühr und Jochen Schumann. „Das ist schon ein besonderer Tag“, sagt die 28-Jährige, die seit vier Jahren zum Team gehört. „Ich habe ADHS und eine Rechenschwäche. Mittlerweile klappt das hier aber super, gerade auch der Kontakt zu den Kunden macht mir großen Spaß. Es ist toll, dass uns die Chefs so vertrauen und uns heute mal alles selbst managen lassen“, findet Tatjana Kühr.

Die Gäste sind von dem Projekt begeistert: „Wir kommen oft hierher und kennen die Mitarbeiter daher ganz gut. Es ist schön zu sehen, wie sie sich über die Zeit entwickeln. Das ist hier ein ganz selbstverständliches Miteinander. So eine Aktion ist daher eine richtig gute Sache“, sagen Helga und Gerold de Lenardis, die vom Reichenbacher Siegenberg rübergelaufen sind. Direkt ums Eck wohnt Bärbel Ossadnik, die von Praktikant Julius Könekamp bedient wird. „Ich komme seit 50 Jahren ins Café Morlock, vor allem jeden Montag nach der Gymnastik“, erzählt sie, „ich wusste, dass die Aktion heute stattfindet und finde das toll.“