Claudia Bitzer Foto: Bulgrin - Bulgrin

Darf der ehemalige Plochinger Bürgermeister öffentlich gegen ein siebengeschossiges Punkthaus Stellung beziehen? Claudia Bitzer meint: Er muss sogar. Aber die Stadt muss sich nicht nach ihm richten.

PlochingenDarf sich ein ehemaliger Bürgermeister in eine aktuelle kommunalpolitische Diskussion einmischen? Wer Eugen Beck kennt, weiß, dass er sich das sehr, sehr lange überlegt haben muss. Wer ihn kennt, weiß aber auch, dass der Bruckenwasen sein Lebenswerk ist. Ob Gartenschau oder Hundertwasserhaus: Der Visionär und Kämpfer Beck hat Plochingen bunter und lebenswerter gemacht. Nie zum Selbstzweck. Immer standen hinter der öffentlichen Wirkung auch kommunalpolitische Zielsetzungen. Und mit Andreas Sättele und Hartmut Strobel hatte er kongeniale Partner an seiner Seite.

Mit dem geplanten Punkthaus im Bruckenwasen sehen die Väter der Gartenschau jetzt aber nicht nur wesentliche Eckpfeiler ihrer Konzeption zusammenbrechen, sondern auch ihre Glaubwürdigkeit bei den Bürgerinnen und Bürgern. Schließlich wollten sie auf dem Bruckenwasen dem Ballungsraum wieder ein Stück Natur abringen und ihn nicht zupflastern. Also: Darf sich ein ehemaliger Bürgermeister in eine aktuelle kommunalpolitische Diskussion einmischen? Eindeutig ja. Er muss es in diesem Fall sogar.

Aber müssen sich sein Nachfolger und der amtierende Gemeinderat damit auch automatisch nach Becks Wünschen richten? Eindeutig nein. Jede Zeit hat ihre Herausforderungen an die kommunalpolitischen Akteure, die mit ihrem Amt auch Verantwortung übernommen haben. Die Öffnung des Ostens hatte in den 1990er-Jahren den Wohnungsmarkt gefordert – mit ein Grund, warum man sich auf dem Gartenschaugelände nicht nur für Natur pur, sondern auch für eine Bebauung neben der alten Spinnerei entschieden hatte. Der Druck auf den Wohnungsmarkt heute ist noch höher, Verwaltung und Gemeinderat müssen reagieren. Doch überall, wo sie neue Wohnungen schaffen wollen, regt sich der Widerstand – der Stumpenhof lässt grüßen. Und überall gibt es mehr oder weniger gute Gründe dafür, dass man die Finger davon lassen sollte. So entsteht aber keine einzige Wohnung mehr. Klar ist aber auch: Nicht alles eignet sich für alles. Dem Bauvorhaben auf dem Bruckenwasen würde es gut tun, wenn man seine optische Wirkung für alle sichtbar im Vorfeld visualisieren könnte. Das braucht Mut, muss aber nicht zwangsläufig gegen den Kubus an der B 10 sprechen. Die Kanten seiner potenziellen Nachbarhäuser sind auch keine Schönheiten.

Wie auch immer das Ergebnis am Ende aussehen wird: Beck und seine Mitstreiter werden damit leben müssen. Aber es kann ihnen keiner den Vorwurf machen, sie hätten nicht für ihre Überzeugungen gekämpft.

Und sie werden mit dem Ergebnis auch leben können. Schließlich kennen sie das Geschäft.

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