Foto: Karin Ait Atmane - Karin Ait Atmane

Mitten in Deizisau will die Gemeinde in Sachen Wohnbau neue Wege gehen: Auch private Baugemeinschaften sollen eine Chance bekommen. Bei einer Erstinformation gab es viel Interesse, aber auch Skepsis.

DeizisauWird die Gemeinde Deizisau Pionierin in Sachen neue Wohnformen? Das ist noch nicht sicher. Das Interesse an der Bürgerwerkstatt zum Thema „Bauen in Gemeinschaft“ war groß, aber bei den rund 40 Teilnehmerinnen und Teilnehmern war auch Skepsis vorhanden.

„Wo stünden wir, wenn wir als Gemeinde nie was Neues ausprobieren würden?“, fragte Bürgermeister Thomas Matrohs bei der Begrüßung. „Bauen in Gemeinschaft“ bedeutet, dass sich Privatleute zu einer Baugemeinschaft zusammenschließen und ein Mehrfamilienhaus erstellen. Sie erhoffen sich davon einen günstigen Preis, weil die Gewinnspanne des Bauträgers wegfällt, aber auch weitergehende Gestaltungsmöglichkeiten; außerdem gehört ein nachbarschaftlicher Ansatz zu dem Konzept. In Tübingen sei das schon zigfach praktiziert worden, sagte Albrecht Reuß vom Büro Citiplan, das solche Projekte begleitet. Aber auch in Stuttgart, in Metzingen und selbst in Dörfern gebe es Beispiele. In einer Gemeinde der Größe Deizisaus seien sie aber noch recht selten.

Der Gemeinderat hat sich trotzdem für einen Versuch auf den beiden Grundstücken zwischen der evangelischen Kirche und dem Alten Rathaus, in zentraler Lage im Sanierungsgebiet, entschieden. Zehn bis zwölf Wohneinheiten in zwei Gebäuden sollen an dieser städtebaulich bedeutsamen Stelle entstehen, mit einem Gemeinschaftsraum für Bürger. Ein Entwurf aus einem Wettbewerb liegt vor und legt die Grundzüge fest.

Das Prozedere sieht vor, dass sich nun Gruppen von Bauwilligen finden, ein eigenes Konzept entwickeln und sich damit bewerben. Man muss also schon eine ganze Menge Energie investieren, ohne zu wissen, ob man überhaupt zum Zug kommt. Am Abend des Bürgerworkshops wurden die Teilnehmer in Gruppen eingeteilt, um Erwartungen und Ideen zusammenzutragen. Über die breite Altersspanne freuten sich die Moderatoren von Citiplan besonders, denn es gehe um ein Projekt für Generationen und keine „Senioreninsel“.

Die Diskussion in Kleingruppe sagte allerdings nicht allen zu – einige gingen an dieser Stelle nach Hause, vielleicht mit der Erkenntnis, dass der Ansatz doch nicht für sie passt. Die anderen dachten über Fragen wie „Wie möchte ich in Zukunft wohnen?“ nach. Die Schlagworte, die sie dabei an den verschiedenen Tafeln sammelten, zeigten viele Übereinstimmungen. Zentrale Lage, individuelle Gestaltung, Barrierefreiheit, gute Gemeinschaft, aber doch ausreichend Privatsphäre wurden mehrfach genannt, aber auch der „bezahlbare Wohnraum“. Gerade der letztgenannte Punkt bereitete Kopfzerbrechen, denn zu den Kosten gibt es bisher nicht einmal eine Größenordnung. Dafür müsse man in der Planung schon deutlich weiter sein, meinte Reuß, betonte aber: „Bauen in Gemeinschaft ist erprobt, bauen in Gemeinschaft ist nicht teurer.“ Zudem müsse das Grundstück in diesem Fall erst bezahlt werden, wenn die Baugenehmigung vorliege. Er versuchte auch, die Angst vor dem Prozess an sich zu nehmen: Zunächst bilde die Gruppe, die den Zuschlag erhalte, eine Planungsgemeinschaft; in diesem Stadium könne man aber noch „mit einem blauen Auge“ aussteigen. Erst mit Vorliegen der Baugenehmigung werde eine Bauherrengesellschaft gegründet, und am Ende habe man eine ganz normale Eigentümergemeinschaft. Es sei auch nicht ausgeschlossen, dass doch ein Bauträger einsteige und die Sache in die Hand nehme.

Eigentlich „ein cooles Projekt“ urteilte am Ende des Abends Kerstin Seybold, die zu den Jüngeren in der Runde gehörte, „aber vielleicht eher schwierig umzusetzen“. Man müsse schon ordentlich Zeit reinstecken, vermutete auch ihr Mann Matthias, „ohne Kompromisse wird’s nicht gehen“. Dass noch gar kein Preis im Raum steht, fanden nicht nur die beiden problematisch. Zum Abschluss klebten alle einen Ja- oder Nein-Punkt, je nachdem, ob sie sich vorstellen konnten, den Weg weiterzugehen oder nicht. Das Nein überwog, aber nur knapp. Und der Abend war erst der erste Schritt: Im Februar soll das Exposé veröffentlicht werden und danach eine weitere Bürger-Info stattfinden. Dann wird auch der Gemeinderat über den Grundstückspreis entschieden haben.