Tierwohl-Professorin Barbara Benz erläutert den Bienenlehrpfad. Foto: Kaier - Kaier

Tierhaltung muss sich für Landwirte rechnen, aber den Vierbeinern, dem Federvieh und den Insekten soll es auch gut gehen. Dafür sorgt die Agrarwirtschaftlerin Barbara Benz an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt in Nürtingen. Im Hofgut Tachenhausen bei Oberboihingen verbindet die Professorin Theorie und Praxis.

Kreis Esslingen Bienen summen auf einer Wiese mit Margeriten und anderen Frühsommerblüten. „Da finden sie genügend Nahrung“, sagt Barbara Benz, die an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU) in Nürtingen Agrarwirtschaft lehrt. Die Professorin kümmert sich um das Wohl von Nutztieren. Und das fängt für die Freizeit-Imkerin bei den Insekten an. Bienen brauchen Nektar, Honigtau, Wasser und Pollen. Fehlt ihnen dieses Futter, schwächt das ihr Immunsystem und sie werden krank. Nach Ansicht der Wissenschaftlerin kann jeder Gartenbesitzer etwas dafür tun, dass das Bienensterben nicht weiter um sich greift. „Mit Blumenwiesen, einem blühenden Streifen im Garten oder einem Balkonkasten mit geeigneten Blumen oder Kräutern kann jeder einen für Bienen geeigneten Lebensraum schaffen.“

Mit ihren Studierenden hat Benz auf dem Hofgut Tachenhausen bei Oberboihingen einen Lehrpfad angelegt. Ein farbenfroh gemaltes Bienenkind führt Jungen und Mädchen auf Augenhöhe durch die Tafeln. Für Erwachsene gibt es kompakt aufbereitete Informationen. Im Bienenhaus dürfen große und kleine Besucher bei Führungen in die Kluft der Imker schlüpfen. Schutzkleidung und Handwerkszeug dürfen die Besucher selbst ausprobieren. Mit ihrer Leidenschaft steckt die Wissenschaftlerin ihre Studierenden ebenso an wie Laien. Wenn es ihr Terminkalender zulässt, macht sie die Führungen selbst. Neugierige Fragen von Kindern beantwortet sie ebenso gern wie komplexe Anliegen von Fachleuten aus der Agrarwirtschaft.

Vor allem sollen Landwirte und Hobbygärtner auf dem leicht zugänglichen Pfad abseits der Ställe und Gärten lernen, wie man für Bienen ein nachhaltiges Blütenangebot schafft. „Wir wünschen uns, dass viele Besucher die Infotafeln nutzen“, sagt die Wissenschaftlerin, der praktische Bezüge sehr am Herzen liegen. Das gilt auch für die anderen Forschungsgebiete der engagierten Professorin.

Glücklich wirken die Schweine in den Ställen. Manche Besucher wundern sich, dass der unangenehme Geruch nach Ammoniak fehlt, der sonst für die Schweinemast typisch ist. „Die Tiere selbst scheiden das Reizgas nicht aus“, erklärt Benz. Vielmehr entsteht Ammoniak durch den enzymatischen Abbau von Stickstoffverbindungen aus dem Futter, die vorwiegend mit dem Harn ausgeschieden werden. Nürtinger Wissenschaftler entwickelten deshalb ein System mit Gefälle, Harnrinne und Entmistungsschieber, mit dem die Ausscheidungen getrennt und zügig aus dem Stall befördert werden.

Von zu hohen Ammoniakgehalten in der Stallluft werden die Tiere auch selbst krank, bekommen eine Lungenentzündung. „Das wollen wir vermeiden, denn es soll den Tieren gut gehen“, sagt Benz. Ganz abgesehen davon, dass das Reizgas die Umwelt belaste. Studierende machen Stalldienste, spritzen die Schweine ab und reinigen ihre Umgebung. „Ich habe daheim keine Landwirtschaft, deshalb ist das eine gute Übung für mich“, findet Franziska Christ. Sie belegt den Masterstudiengang Nachhaltige Agrar- und Ernährungswirtschaft. „Die Kombination aus Theorie und Praxis gefällt mir.“ Nachdem sie die Futtertröge gefüllt hat, ist eine Streicheleinheit für die Schweine drin. Damit die Tiere ein abwechslungsreicheres Leben haben, hängen befestigte Baumstämme als Spielzeug von der Decke. Jede der sieben Boxen mit jeweils zwölf Schweinen ist in drei Teile gegliedert – der Schlaf- und Fressbereich ist vom Koten getrennt. Weil die Vierbeiner in den Ställen möglichst artgerecht gehalten werden, sind sie wenig aggressiv und toben sich schon beim Spielen aus. „Es ist sehr wichtig, auf welchen Böden die Tiere stehen“, erläutert Benz einen ihrer Arbeitsschwerpunkte.

„Wir hoffen, dass das System der Kot-Harn-Trennung in der Schweinehaltung Verbreitung findet“, sagt Benz. Aber die Agrarwirtschaftlerin weiß, dass neue Stallbaukonzepte mit mehr Tierwohl nur möglich sind, wenn sich der Mehraufwand für die Betriebe auch finanziell rechnet.“ Dazu leisten die Tiere selbst einen Beitrag, denn gesunde Schweine haben bessere Gewichtszunahmen bei geringerem Medikamenteneinsatz. Darüber hinaus ist es entscheidend, dass Konsumenten an der Ladentheke verantwortungsvolle Kaufentscheidungen treffen und bereit sind, etwas mehr für Fleisch aus besonders tierfreundlichen Ställen zu bezahlen.“

Regelmäßig ist die Professorin, die vor ihrem Wechsel an die Hochschule lange in der Wirtschaft tätig war, im Kontakt mit Landwirten und mit Unternehmen. „Wir tauschen uns bei unserer wissenschaftlichen Arbeit mit den Praktikern aus“, beschreibt Benz ihren Alltag in der angewandten Agrarforschung. „Wenn mir ein Landwirt sagt, dass das in der Praxis nicht möglich oder nicht finanzierbar ist, muss ich die Konzepte überdenken.“ An der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt klappe dieser Austausch gut. Gerade die Verbraucher will Benz für die Bedürfnisse der Tiere sensibilisieren.

Tierwohl hat für Benz viele Facetten. Für Landwirte hat sie mit ihrem Team eine sogenannte Eigenkontroll-App entwickelt. Damit können diese ermitteln, ob ihre Kühe gesund sind, oder ob sie Hilfe von Tierärzten oder Experten brauchen. „Die Merkmale werden mit einem einfachen Ampelsystem bewertet“, erklärt die Wissenschaftlerin. Zeigt das Smartphone „gelb“ oder gar „rot“ an, müssen die Bauern handeln. Die kostenlose App hat sie in Zusammenarbeit mit der Landesbeauftragten für Tierschutz auf den Markt gebracht. Mit ihren Studierenden probiert sie aus, welche Stallsysteme und Böden für Milchkühe am besten sind. Allerdings stehen in diesem Versuchsstall keine lebendigen Kühe. Handwerklich begabte Kursteilnehmer haben anatomisch exakt konstruierte Modelle der Rinder gebaut, deren Gliedmaßen beweglich sind.

Einen mobilen Hühnerstall hat Benz mit einem anderen Kurs aufgestellt. Ein Wiesenstück ist mit Elektrozaun gesichert. Darin können sich die Hühner frei bewegen. Die Wissenschaftlerin staunte, wie schnell die Bastler den Stall aufgebaut hatten. „Wenn ein Teil der Wiese abgegrast ist, ziehen die Tiere an einen anderen um.“ Allerdings wundert sich Benz, dass sich in sommerlicher Wärme ein großer Teil des Federviehs in den Holzverschlag verzieht. Nur eines der Hühner hockt auf einem Sitzbrett und schaut auf die grüne Wiese. Im Vergleich zur Hühneraufzucht in engen Ställen oder Legebatterien haben es die Tiere einfach schön.