Bluttests bei Schwangeren: Steigt mit einer kostenlosen Diagnose von Trisomie 21 die Zahl der Abtreibungen? Foto: picture alliance / dpa/Patrick - picture alliance / dpa/Patrick Seeger

Bärbel Kehl-Maurer, im Bundesvorstand der Lebenshilfe, steht der Früherkennung des Downsyndroms kritisch gegenüber.

Kreis EsslingenDie Diskussion im Bundestag beobachtet Bärbel Kehl-Maurer mit großer Sorge – die Frage, ob und inwieweit die Kosten neuer Diagnosemöglichkeiten zur Früherkennung des Downsyndroms durch die Krankenkassen übernommen werden sollen. Gibt es dann nur noch „Designerbabys“?

In der Parlamentsdebatte im Bundestag ging es vor allem um ethische Fragestellungen, da bei einer Feststellung der Trisomie 21 die meisten Schwangerschaften abgebrochen werden. Anlass ist ein seit 2012 zugelassener Bluttest, der verlässliche Hinweise auf eine Trisomie 21 beim Kind gibt, die zum sogenannten Downsyndrom führt. Jetzt wird geprüft, ob der Bluttest künftig als Regelleistung von der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) übernommen werden kann.

Bei sogenannten Risikoschwangerschaften können sich Eltern für eine Fruchtwasseruntersuchung entscheiden, die von der GKV bezahlt wird. Diese invasive Methode birgt allerdings die Gefahr einer Fehlgeburt. Der nicht invasive Pränataltest, also der Bluttest, ist hingegen für Frau und Kind ungefährlich. Das hört sich zunächst positiv an.

Selektion von Ungeborenen?

Bärbel Kehl-Maurer, seit neun Jahren Mitglied im Vorstand der Bundesvereinigung Lebenshilfe, Vorsitzende des Bundeselternrates der Lebenshilfe, Mitglied der PID-Ethikkommission und selbst Mutter eines Kindes mit Downsyndrom (ihr Sohn ist vor 27 Jahren gestorben), wird bei diesen Themen hellhörig. Sind Bluttests außerhalb der Risikogruppen ein Schritt in eine gefährliche Richtung? Kommt es in der Folge zu einer Selektion von Ungeborenen?

Die Nürtinger Stadträtin sieht hier einen generellen Widerspruch. „Im Grundgesetz ist verankert, dass niemand aufgrund seiner Behinderung benachteiligt werden darf, und Ziel der UN-Konvention ist Inklusion und Teilhabe.“ Gleichzeitig diskutiere der Bundestag über Bluttests und damit letztlich über Selektion. Ihre Befürchtung: „Was kommt als Nächstes? Welche genetischen Defekte dürfen noch untersucht werden?“

Ihr sei auch klar, so Bärbel Kehl-Maurer, dass man das Rad bei den Bluttests nicht mehr zurückdrehen könne. Die Frage sei aber, „wie gehen wir damit um und wo sind die Grenzen und unsere ethischen Grundsätze?“ Sie denkt dabei ganz besonders an Eltern, die sich bewusst für ein Kind mit Downsyndrom entscheiden. Aus eigener Erfahrung weiß sie, dass ein Leben mit Kindern mit Downsyndrom sehr bereichernd ist.

Die Kinder sind auch später als Erwachsene sehr fröhliche, lebensbejahende Menschen. Dabei hat sie aber keineswegs die rosarote Brille auf: „Es ist nicht einfach.“ Doch es sei ein ganz anderes, intensives Leben. „Man lebt andere Werte.“ Die 17 Jahre bis zum Tod ihres Sohnes wolle sie nicht missen.

Die langjährige Vorsitzende der Lebenshilfe Kirchheim hätte sich gewünscht, dass im Zusammenhang mit der Bluttest-Debatte auch über verstärkte Unterstützungsmöglichkeiten für Eltern mit behinderten Kindern diskutiert wird. Bisher müssten sie sich erst durchfragen, wo es Unterstützung und Fördermöglichkeiten gebe. Den Platz im Kindergarten oder in der Schule gebe es keineswegs selbstverständlich, und dabei sollten sich betroffene Eltern doch auf die Erziehung und Förderung ihrer behinderten Kinder konzentrieren können, zeigt die Nürtinger SPD-Stadträtin das Dilemma auf.

Viele Jahre habe es gedauert, bis es endlich so weit war, dass Inklusion in der Schule gelebt werde. Damit seien die Probleme für Menschen mit Behinderung aber noch lange nicht gelöst. „Jetzt haben die Eltern Probleme bei der beruflichen Bildung und bei der Suche nach einem Arbeitsplatz für ihre Kinder.“ Ein Thema, dem sich die ehemalige Konrektorin ganz intensiv widmen will. Es dürfe nicht sein, so Bärbel Kehl-Maurer, dass sich unsere Gesellschaft nur noch über Leistung definiere. Für sie sind Menschen mit Behinderung auch der Kitt in unserer Gesellschaft. Nicht Selektion und Ausgrenzung, sondern Inklusion und Integration müsse im Fokus stehen. Dass Menschen mit Behinderung und deren Familien einen festen Platz in unserer Gesellschaft haben, dafür macht sie sich schon seit vielen Jahren stark. Ein Frühchen versuche man doch auch zu retten, so Kehl-Maurer, obwohl eine körperliche Beeinträchtigung nicht ausgeschlossen werden könne. Warum wolle man dann einem Kind mit Gendefekt verwehren, überhaupt auf die Welt zu kommen? Die Gesellschaft müsse sich überlegen, welche Signale sie aussendet.