Leiterin Tanja Ley und ihre Mitarbeiterinnen Ilona Bader und Edith Tremmel (von links) präsentieren stolz das Zertifikat. Der prall gefüllte Ordner, verdeutlicht, dass sehr viel Arbeit dahinter steckt. Foto: Dietrich - Dietrich

Die Bücherei Köngen hat sich den gleichen Qualitätskriterien gestellt wie große Wirtschaftsunternehmen - mit Erfolg.

KöngenKleinen Bibliotheken hat die Hochschule der Medien in Stuttgart das Qualitätsmodell „Ausgezeichnete Bibliothek“ angeboten. Es war bundesweit einmalig und sehr anspruchsvoll: Auf Basis der international anerkannten Qualitätsmanagementsysteme EFQM und CAF stellten sich die teilnehmenden Büchereien denselben Anforderungen wie große Wirtschaftsunternehmen. „Die Bücherei Köngen hat die Zertifizierung erfolgreich abgeschlossen“, berichtet die Leiterin Tanja Ley. Sie ist mit Weilheim die einzige der sechs Bibliotheken, die im Regierungspräsidium Stuttgart angetreten sind. Über zweieinhalb Jahre zog sich die Zertifizierung, in dieser Zeit hat Ley so manche Nacht schlecht geschlafen und viele Aufgaben privat zuhause erledigt. Doch nun hat sie den Lohn: „Im Nachhinein ist die Arbeit entspannter. Eine Zertifizierung muss man leben.“

Auf Beschluss des Gemeinderats wurde der Eingang der Bücherei auf die andere Seite verlegt und eine Auskunft eingerichtet. Zudem erhielt sie neue Möbel. Bislang ist nur die untere Ebene barrierefrei zugänglich. Ob in der denkmalgeschützten Zehntscheuer ein Aufzug zur oberen Ebene mit den Romanen möglich ist, prüft die Gemeinde noch.

Doch entscheidend sind auch die inneren Veränderungen. „Wir haben alles mehrmals rumgedreht, haben die Abläufe hinterfragt“, sagt Ley. Wer was macht ist nun in Stellenbeschreibungen für die fünf Mitarbeiterinnen, die sich 3,03 Personalstellen teilen, festgehalten. Bei einer schriftlichen Befragung gaben über 100 Besucher Auskunft. 64 Prozent sind mit der Bücherei sehr zufrieden, 35 Prozent zufrieden. Gut die Hälfte der Besucher kommt mehrmals im Monat. Bei ihren Motiven nannten 93 Prozent „Familie, Freizeit, Hobby“, die Schule brachte es auf 24 Prozent. Besonders freut Ley, dass Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit des Personals von 85 Prozent der Befragten mit „sehr gut“ bewertet wurden.

Der Büchereileiterin geht es darum, dass jeder Besucher das bekommt, was er will: Ein Kind fragt nach einem Buch, das nicht da ist. Es wird wenn möglich angeschafft und als erstes für diesen jungen Leser reserviert. Will ein Erwachsener einen Sprachführer in Chinesisch, „wird so ein Titel über die Fernleihe und die Württembergische Landesbibliothek bundesweit gesucht. Wir kriegen hier alles“, betont Ley. Ein Schüler braucht Infos über Pinguine. Waren aber Klassenkameraden, die dasselbe Referat halten sollen, schneller und sind alle Bücher über Pinguine weg, „bekommt er einen Artikel aus den Brockhaus Online-Lexika ausgedruckt.“ Die Untersuchung der Abläufe und Aufgaben hat im fünfköpfigen Team – zu ihm gehören neben der Leiterin noch Ilona Bader, Renate Gauger, Sabine Landauf und Edith Tremmel – für mehr Selbstbewusstsein gesorgt. „Wir haben festgestellt, dass wir ganz viel machen.“ Ley ist sich sicher: „Bei uns fand eine Qualitätssteigerung statt, für den Kunden und für uns selber.“

Mit einer langen Checkliste lässt sich überprüfen, was abgearbeitet wurde und was noch zu tun ist: Wurde die Hygienecheckliste abgearbeitet, ist die jährliche Vorstellung im Gemeinderat erledigt, haben alle Veranstaltungen für Kinder stattgefunden? Bei den Nutzerzahlen gab es von 2017 bis 2018 eine deutliche Steigerung, gegen den allgemeinen Trend: „Das bestärkt uns.“ Die Steigerung betrifft auch die Kinder- und Jugendbücher. Weil Mädchen mehr lesen, „tun wir für die Jungs andere Sachen her, Piraten statt Prinzessin“.

Die Zusammenarbeit mit den Schulen läuft bestens, jeden Monat gehen 30 Bücherkisten an die Klassen. In der ABC-Tüte ist das Anmeldeformular für den kostenlosen Büchereiausweis drin, nur Erwachsene zahlen zwölf Euro pro Jahr. Die Erstklässler, in der Burgschule nun mit einem Tablet ausgerüstet, erhalten in der Bücherei eine Einführung in die Nutzung der Online-Lexika von Brockhaus. Dazu gibt es eine Büchereiführung.

Für Erwachsene gibt es alle fünf bis sechs Wochen einen Lesezirkel, zehn bis 15 Leute lesen denselben Roman und diskutieren dann darüber. „Manchmal schaffe ich nur dieses Pflichtbuch“, sagt Ley. „In den Weihnachtsferien habe ich aber drei Bücher in zwei Wochen gelesen. Auch meinen drei Kindern lese ich viel vor.“ Ein- bis zweimal im Jahr geht es ins Theater bei der WLB. Bei den E-Books gehört Köngen zum Verbund „24*7-Bibliothek“. Die Ausleihzahlen steigen.

Nicht nur die Nutzer sind mit ihrer Bücherei zufrieden, auch die Bücherei mit ihnen. Es gibt keinen Diebstahl und die Bücher werden pfleglich behandelt. „Manches Buch wurde 300 bis 400 Mal verliehen, bis es nachgekauft wird. Das ist doch eine nachhaltige Investition“, schwärmt Ley. Alle 20 Romane der Spiegel-Bestsellerliste sind im Sortiment und alle zigmal vorbestellt. „Aber auch Klassiker wie Pippi Langstrumpf sind bei Kindern noch immer sehr beliebt.“

2019 werden für Kinder „Tonies“-Hörbücher angeschafft. Geplant ist ein Lesecafé für Erwachsene mit Zeitungen und Zeitschriften, das am Vormittag geöffnet hat, wenn die Bücherei außer dienstags und samstags geschlossen ist. „Wir wissen, dass mancher Rentner gerne kommen würde, um die Zeitung zu lesen. Das wird im Foyer möglich sein oder in einem andern Raum der Zehntscheuer.“ Die Rezertifizierung steht dann 2021 an.

Ein Interview mit der HdM-Professorin Cornelia Vonhof zum Thema gibt es hier.