Kapelle als Kreativwerkstatt: Ursula Auwärter-Groß (links) und Miriam Schöttle (rechts) versuchen sich mit Frauen vom Bastelkreis mit dem Filzen. Foto: Karin Ait Atmane - Karin Ait Atmane

In Plochingen finden zur Zeit Ausstellung zu den Themen „100 Jahre Evangelische Frauen in Württemberg“ und „100 Jahre Frauenwahlrecht“. Passend dazu gibt es auch einige Workshops.

Plochingen

Die Tür zur Ottilienkapelle steht derzeit jeden Nachmittag offen und lädt dazu ein, die Ausstellung zu den Themen „100 Jahre Evangelische Frauen in Württemberg“ und „100 Jahre Frauenwahlrecht“ zu besuchen. Jüngst drang zusätzlich lautes Gelächter nach draußen, denn in der Kapelle hatten einige Frauen viel Spaß beim gemeinsamen Filzen.

Was läge für den Bastelkreis der Paul-Gerhardt-Kirche näher, als eine handwerkliche Mitmachaktion anzubieten? Die fröhliche Runde vom Stumpenhof ist eine der Frauengruppen, die die Wanderausstellung nach Plochingen geholt und mit eigenen Exponaten und Begleitveranstaltungen erweitert haben. Unterm Titel „Altes Handwerk neu gestaltet“ lädt sie zwei Mal zum offenen Filzen ein. Dafür sind Schultische in der Kapelle aufgestellt, inmitten der Ausstellung, und gekämmte Merino-Wolle in kräftigen Farben liegt bereit. Wer will, kann sich hier mit Anleitung ans Werk machen und eine einfache Fläche filzen, „nicht so anspruchsvoll wie eine Tasche oder so“, sagt Sabine Santos Perez-Brüßler vom Bastelkreis. Ursula Auwärter-Groß und Miriam Schöttle wollen es ausprobieren. Sie legen ein kleines Polster aus der flauschigen, „Kammzug“ genannten Wolle. Es wird mit Seifenwasser getränkt und dann mit einer Luftpolsterfolie als Trennschicht massiert und bearbeitet. Rund eine Dreiviertelstunde werden die Frauen damit beschäftigt sein, bis ihr Produkt kompakt genug ist. Das ahnen sie noch nicht, aber bei Gesprächen und Gelächter vergeht die Zeit schnell.

Immer wieder kommen in dieser Zeit Besucher und Besucherinnen von draußen rein, schauen ihnen über die Schultern, liebäugeln mit dem Filzen. Eine Frau will dafür später noch einmal wiederkommen. Andere setzen sich zuerst an den Webrahmen, an dem man mit verschiedenen Webfäden ein paar Mal das Schiffchen durch die Kettfäden ziehen kann. Der Titel der kirchlichen Ausstellung, „Gewoben in Gottes Geschichte“ schafft den Bezug dazu und auch zu Handarbeiten an sich, die ja traditionell eine typische Frauenbeschäftigung sind. So hat der Bastelkreis geknüpfte Teppiche und gestickte Bilder aus den 60er- und 70er-Jahren dabei, oder gestrickte Socken und eine gefilzte Tasche aus neuerer Zeit.

Die Frage nach dem Selbstbild und der Identität von Frauen wird mit Kleidungsstücken aus verschiedenen Jahrzehnten auf einem Ständer illustriert: Das schwarze Samtkleid aus den 20er-Jahren hängt neben dem Billig-T-Shirt von Primark. Auch eine Verkleidungsecke für Kinder spielt mit diesem Thema.

Der Kern der eigentlichen Wanderausstellung über Frauen in der evangelischen Kirche besteht aus zwei Themensäulen. Sie drehen sich um Frauensolidarität, die sich heute beispielsweise auf osteuropäische Haushaltshilfen oder Zwangsprostituierte bezieht. Oder um klassische Rollenbilder, auch in der Institution Kirche. Zugelassen zum vollen Gemeindepfarramt wurden Frauen in der evangelischen Kirche 1968, ist zu erfahren. In den Kirchengemeinderäten waren und sind sie ähnlich wie in weltlichen Gremien oft in der Minderheit. Die Parallelen zur weltlichen Gesellschaft sind unübersehbar, deshalb haben die Plochinger Frauen auch das Thema „100 Jahre Frauenwahlrecht“ mit in die Ottilienkapelle geholt. Ein großer Zeitstrahl zeigt die Entwicklung von der französischen Revolution bis heute, mit den Meilensteinen des Kampfes für Frauenrechte und Emanzipation.

So ist die Kernausstellung in Plochingen um verschiedene Aspekte erweitert und mit Aktionen und Veranstaltungen belebt. Die beiden Filzerinnen sind schließlich rundum zufrieden mit ihren hübschen Werkstücken, die sie am Ende zu Blütenkelchen geformt haben. Sie sind nicht das einzige, was sie von diesem Nachmittag mit nach Hause nehmen.

Die Ausstellung im Rahmen von „Plochinger Frauen feiern“ hat bis Sonntag, 15. September täglich geöffnet: von Montag bis Donnerstag und am Samstag von 15 bis 18 Uhr, am Freitag von 9 bis 12 Uhr und am Abschluss-Sonntag von 15 bis 16 Uhr. Am Montag, 9. September kann während der Öffnungszeit noch einmal gefilzt werden.


Einen Bericht über das Kabarett „Zur Sache Frau!“ lesen Sie auf Seite 10.