Werner Fohrer vor einem seiner New Yorker Straßenbilder. Foto: Bail - Bail

Der Esslinger Künstler spürt mit Spiegelungs- und Überlagerungseffekten dem anonymisierten und hektischen Leben in den Metropolen nach. Mit Bergbildern setzt er einen Kontrapunkt.

PlochingenUnterschiedlicher können Stimmungen nicht sein, wie bei der Ausstellungseröffnung mit neuesten Arbeiten von Werner Fohrer in der Galerie der Stadt Plochingen. Zahlreiche Fohrer-Fans waren in die schönen Galerie-Räume geströmt. Man kennt sich, man unterhält sich, tauscht sich aus über Kunst und Gott und die Welt, umgeben von anonymisierter Malerei mit isolierten Menschen, die sich diametral zu dieser Wohlfühlatmosphäre verhält und die Betrachter dennoch magisch in ihren Bann zieht.

„Spotlight“ ist der Titel der eindrücklichen Präsentation, in der neben den Landschaftsbildern und Musikerporträts insbesondere die Serien „Streetview“ aus den Jahren 2005 bis 2017 sowie die jüngste Reihe „Streetlife“ hervorstechen. Es sind „eingefrorene“ Szenen aus Metropolen wie Rom, London und New York. Auf den teilweise großformatigen Ölbildern erkennt man weder Orte noch Personen. Mensch und Raum sind inkognito. Sie haben weder Bezug zu ihrer Umgebung, noch zueinander. „Durch Verwischen und Unschärfe anonymisiert gemalt, zeitigen die Akteure auf den Bildern eine latente Einsamkeit, laufen in Reihen hinter- oder nebeneinander, unfähig, dabei einen konkreten Kontakt untereinander aufzunehmen“, so der Plochinger Künstler F.-Michael Starz in seiner Einführungsrede.

Digital global

Werner Fohrer, laut Bürgermeister Frank Buß, „ein Mann der ersten Stunde“ in den Künstlerateliers im Dettinger Park, macht sein Anliegen auch in den Titeln deutlich. „Where the Streets Have no Name“ aus der Serie „Streetlife“ zeigt das seltsam entrückte Treiben von Passanten und Verkehr in einer namenlosen Straße in New York. Bei den „Streetview“-Bildern macht Fohrer Screenshots von seinen Fahrten per Google Maps durch die Straßen in aller Welt und malt danach seine Interpretation der Realität – Bilder, die zeigen, wie Menschen heutzutage einen Zugang zu einer globalisierten Welt bekommen: digital.

Für „Streetlife“ stellte er selbst eine Videokamera auf pulsierende Plätze von Weltstädten. „Die entstandenen Sequenzen werden auf aussagekräftige Stills reduziert und in Photoshop gestalterisch für die Umsetzung auf der Leinwand vorbereitet“, erklärte Starz. Das Ergebnis sind vielschichtige Ölbilder, wie „Artificial Life“ und „Visions in Blue“. Verschachtelte und übereinander gelagerte Motive mit transparenten Spiegelungen auf Fensterscheiben und glänzenden Autokarossen vermitteln die Rastlosigkeit eines Ballungsraums, der Tag und Nacht unter Strom steht. Neorealist Fohrer bildet nicht die Wirklichkeit ab, sondern eine Verschlüsselung und damit die virtuelle Realität, die er meint. Für ihn ist das „die Symbolik des Zeitgeistes“. Betrachtet man diese Bilder, verschieben sich Zeit und Raum und man verliert sich in den Verflechtungen dieser modernen Vexierbilder.

Den Zugang zu einer anderen künstlichen Welt öffnet Fohrer mit drei prallbunten Porträts weltberühmter Musiker. Mel Gaynor, Jorja Chalmers und David Gilmour sind die glamourösen Vertreter einer prominenten Sehnsuchtswelt im Scheinwerferlicht. Starz spricht von „neuzeitlichen Ikonen, die angebetet werden.“ Der Kult um die Stars und Sternchen sei Ersatz für spirituelle Orientierung geworden. Auch hier nutzt der Künstler soziale Medien und greift auf Online-Portale wie Youtube zu.

Dreht man sich um, darf man auf der gegenüberliegenden Wand mit Wonne in die zur Reihe der Landschaftsaufnahmen zählenden „Waterface“-Bilder eintauchen. Zu sehen sind stark reduzierte, auf wesentliche Wellenbewegungen verdichtete Wasseroberflächen mit Spiegelungen. Werner Fohrer hat beim Radeln am Neckar fotografiert, seine Bildidee am Computer konkretisiert und die Motive entsprechend bearbeitet.

Der Berg ruft, der Gipfel schweigt

Für die Bergbilder muss man, wie es sich gehört, nach oben steigen: lediglich ein paar Stiegen, unters Dach der städtischen Galerie. Dort dominieren zwei stattliche Vertreter der Mountain-Serie, die der Esslinger Künstler seit zehn Jahren bearbeitet. Weit entfernt vom quirligen Metropolen-Hype fasziniert in „Der Gipfel schweigt“ eine gestochen scharfe Klarheit der Formen, unterstützt von den Farben Schneeweiß, Eisblau und Bergbraun. Licht und Schatten bringen Dynamik in die majestätisch ruhenden Massive: ein wohltuender Kontrapunkt zur Schnelllebigkeit in den Straßenbildern.

Bis 2. März. Öffnungszeiten: Montag, Mittwoch und Samstag von 10 bis 13 Uhr, Dienstag und Donnerstag von 10 bis 17 Uhr, Freitag von 9 bis 16 Uhr.