Man muss genau hinsehen: Markus Wilke bildet kunstvoll Gegenstände ab, die andere weggeworfen haben. Foto: Roberto Bulgrin - Roberto Bulgrin

Ob zerfetzte Jeans, ausrangierte Schienen oder ausgemusterte Stoffe – Markus Wilke inszeniert auf seinen Bildern Gegenstände, die andere weggeworfen haben.

FilderstadtBunte Farben, Fetzen und Plastikteile nimmt der Reutlinger Künstler Markus Wilke ins Visier. Er verdichtet den Müll zu abstrakten Kunstwerken. Auf den ersten Blick sehen seine Werke aus wie wilde Kompositionen aus Ornamenten. Erst bei genauerem Hinsehen erkennen die Betrachter, dass der Maler Gegenstände abbildet, die andere achtlos wegwerfen. Zerfetzte Jeans, ausrangierte Schienen und ausgemusterte Stoffe sind in den großformatigen Bildern zu erkennen. Liebevoll, gründlich, fast schön setzt sie der Künstler in Szene. Am Sonntag, 19. Januar, wird die Ausstellung „Verdichtung. Malerei auf Leinwand und Papier“ in der Städtischen Galerie Filderstadt in Bonlanden eröffnet.

Obwohl das Thema Plastikmüll derzeit in aller Munde ist, möchte Wilke mit seiner Kunst keine Botschaft vermitteln. Offene politische Statements sucht man in den abstrakten Farblandschaften vergebens. Dass Wilke achtlos weggeworfene Gegenstände ins Zentrum seiner Kunst rückt, irritiert. Botschaften sind dem weltoffenen Maler zu platt. „Es geht einfach darum, Sensibilität zu wecken.“ Seine Kunst verstört, und das im besten Sinn. In einem seiner Bilder erinnert Wilke an die Tradition der Textilherstellung auf der Schwäbischen Alb. Die grob gemusterten Albstoffe wirken ein wenig antiquiert. Achtlos weggeworfen, landen sie in Müll. Mit den Textilien wird auch die Erinnerung zu Abfall. Dem setzt Wilke seine Kunst entgegen, die durch tiefen Respekt vor den Objekten besticht.

In den offenen Galerieräumen in der Bonländer Hauptstraße 32/1 im Ortskern von Bonlanden kommen die Werke stark zur Geltung. Wilkes kraftvoller Stil reißt die Betrachter mit. Tote Kunststoffhüllen und ausgefranste Leinentücher bringt der Maler in Bewegung. Mit feinem Gespür für Details untersucht Wilke die Struktur der toten Materie. In den Müllbergen entdeckt der Künstler den nachhaltigen Wert des Weggeworfenen. „Ich male keine Wühltische“ wehrt er sich gegen die Willkür. Ohne ganz konkret Bezüge zu den aktuellen politischen Diskursen zu schaffen, bringt er die Besucher seiner Ausstellungen so zum Nachdenken.

Auf Studienreisen nach Kuba und in europäische Länder hat Wilke sich intensiv mit anderen Kulturen beschäftigt. Deshalb blickt der Maler kritisch auf die westeuropäischen Wegwerfgesellschaften, die den Wert der Dinge nicht mehr schätzen. Dem setzt er seine verdichtete Kunst entgegen. Studiert hat Wilke an der Freien Kunstschule in Nürtingen. Als Schaufenstergestalter hat sich Wilke intensiv mit Alltagskultur beschäftigt. Seit 2013 beschäftigt sich der Maler mit Plastikmüll. Davor habe er sich auf Landschaften konzentriert, blickt der Maler zurück. Um sich der komplexen Thematik anzunähern, hat er Deponien besucht. In dem Chaos fand der Künstler Strukturen. Das macht die Faszination seiner Arbeiten aus.

Über die Zusammenarbeit mit dem Verein Künstler der Filder, der das Ausstellungsprojekt kuratiert, freut sich Wilke. „Das Thema Plastikmüll hat die Mitglieder interessiert, da passen unsere Ansätze gut zusammen.“ Für die Vorsitzende Sabine Schäfer-Gold ist die Zusammenarbeit mit Markus Wilke nicht nur ästhetisch sehr inspirierend. Es sei wichtig, sich auch künstlerisch mit aktuellen politischen Themen auseinanderzusetzen. Sie wünscht sich, mit der Ausstellung in Bonlanden ein breites Publikum zu erreichen und auch Besucher anzusprechen, die sonst eher selten in die Galerie kommen.

Bis 16. Februar ist die Ausstellung in der Städtischen Galerie zu sehen. Wilke möchte seine Kunst zwar nicht als Statement zum Plastikmüll verstanden wissen. „Aber mir ist es wichtig, das Thema von unterschiedlichen Seiten zu beleuchten.“ Am Sonntag, 26. Januar, findet um 11.15 Uhr ein Künstlergespräch mit dem Theologen Hans-Ulrich Gehring statt. Der Professor und der Künstler tauschen sich da über die ethische Komponente aus. Am Sonntag, 2. Februar, liest Lara Elaina Whitman aus ihrem Buch „Plastikspur“. Beginn ist um 11.15 Uhr. „Was passiert mit dem gelben Sack?“ lautet der Titel eines Vortrags von Rainer Köhnlechner, dem Geschäftsführer des Entsorgungsbetriebs Hamos GmbH. Er findet am 7. Februar um 19 Uhr statt. Auf die Veranstaltungen mit Experten unterschiedlicher Fachgebiete freut sich Markus Wilke. Auch bei der Vernissage möchte der Reutlinger Künstler mit den Betrachtern seiner Bilder ins Gespräch kommen.

Die Ausstellung „Verdichtung“ findet am Sonntag, 19. Januar, um 11.15 Uhr in der Städtischen Galerie Bonlanden, Bonländer Hauptstraße 32/1 in Bonlanden statt. Öffnungszeiten sind donnerstags von 10 bis 12.30 Uhr, samstags von 15 bis 18 Uhr sowie sonntags von 11 bis 17 Uhr.

www.markus-wilke.com