Ob sich in diesem Winter die Liftbügel drehen, ist fraglich. Foto: Brändli Quelle: Unbekannt

Von Anke Kirsammer

Menschen mit und ohne Behinderung, Kinder und Ältere, Einheimische und Wochenendausflügler - für sie alle könnte das bisherige Skizentrum Pfulb in Schopfloch künftig nicht nur ein Magnet sein, wenn der Schnee unterm eisblauen Himmel funkelt, sondern auch, wenn im Sommer die Sonne auf grüne Wiesen lacht. Mit dem „Bewegungszentrum Pfulb“, wie Gabi Kazmaier ihre gemeinnützige Organisation nennt, die sie mit zwei weiteren Gesellschaftern gründen will, möchte sich die Sonderschullehrerin und Diplom-Sonderpädagogin einen Lebenstraum erfüllen.

„Seit 20 Jahren verfolge ich ihn“, sagt sie. Zwei Jahrzehnte, die sie intensiv genutzt hat, um mit gehandicapten Menschen Sport zu treiben, verschiedene Trainingsgeräte anzuschaffen, Mitstreiter zu gewinnen und weiter an ihrer Idee zu feilen. „Als ich gesehen habe, dass die Pfulb verkauft wird, habe ich sofort gedacht, dass ich meinen Traum dort verwirklichen möchte“, erzählt die 43-Jährige enthusiastisch. Ziel ist, inmitten des Biosphärengebiets Schwäbische Alb im Einklang mit der Natur ein inklusives Zentrum aufzubauen, das bewegt, begeistert und verbindet.

Großes Sportangebot

Das Paket, das die sportliche Allrounderin schnürt, hat es in sich: Anbieten möchte sie Tandem-, Handbike- und Radtouren, Rollskikurse im Sommer und Langlaufkurse im Winter, die auch sitzend möglich sind, Wanderungen und Spaziergänge - bei Bedarf mit Begleitung auch für Menschen, die einen Rollator oder Rollstuhl benötigen. Um den Rodelhang nutzen zu können, will die rührige Mutter von zwei Kindern Schlitten und Bobs verleihen. Angedacht sind ein Kinderferienprogramm unter dem Stichwort „Abenteuerspielplatz“, Talenttage des württembergischen Rehabilitations- und Behindertensportverbandes sowie eine Kooperation mit dem Naturschutzzentrum Schopflocher Alb. Ab kommendem Jahr sollen die Angebote an den Wochenenden und in den Ferien laufen. „Nach und nach möchte ich das Ganze ausbauen“, so Gabi Kazmaier. Dabei denkt sie an einen Sinnesparcours oder Ähnliches.

Inklusion auch bei der Abfahrt

Ein großes Fragezeichen steht derzeit jedoch hinter den Plänen, den Lift mit einzubeziehen (siehe dazu den Artikel unten). Sollte es noch zum Kauf der Anlage kommen, würde sich Gabi Kazmaier freuen, wenn die Skifahrer wie bisher kämen, und sie würde für Menschen mit Behinderung Kurse im Alpinskilauf mit Monoski, Biski oder Dualski geben. „Wenn ich die Augen eines querschnittgelähmten Menschen nach der Abfahrt leuchten sehe, weiß ich, wie wertvoll es ist, ihm so eine Erfahrung zu schenken“, sagt sie. Grenzen überwunden zu haben, schaffe Selbstbewusstsein und die Gewissheit, auch künftig viel erreichen zu können - trotz vieler Barrieren, auf die Menschen im Alltag oft stoßen.

Eine Vision, die Gabi Kazmaier mit dem Bewegungszentrum verfolgt, ist, die Barrieren zwischen nicht behinderten und behinderten Menschen abzubauen. „Das gelingt am besten in der urigen Hütte“, sagt sie. „Wenn 40 Leute zusammenrücken, wo eigentlich nur 20 Platz haben, kommt man ins Gespräch, auch mit dem Nachbarn, der ein Downsyndrom hat.“

Sicher ist sie, dass das noch besser bei einem guten Essen klappt. Aufgetischt werden sollen neben Kaffee und Kuchen auch regionale Gerichte wie Albleisa und Moschtsupp. Weil das Gebäude für das Vorhaben der Dreh- und Angelpunkt ist, hat sie die Wiese, auf der die Hütte steht, bereits gekauft. Damit auch Menschen mit Behinderung reinkommen, wären allerdings ein behindertengerechter Zugang und der Bau einer entsprechenden Toilette nötig. Aufgrund der Lage in einem Schutzgebiet muss der Landkreis dazu aber erst sein Okay geben.

In einer Inklusionskonferenz im Oktober zu den Themen „Mobilität und Sport“ hat Gabi Kazmaier auch mit Vertretern der Grünen das Gespräch gesucht. In der gestrigen Haushaltsdebatte des Kreistags hat die Fraktion daraufhin den Antrag eingebracht, die Projektidee „Bewegungszentrum Pfulb“ intensiv zu prüfen und die Initiatoren zu unterstützen. Verhandelt wird der Antrag voraussichtlich in der Sitzung des Sozialausschusses am 30. November.

Initiatorin mit viel Erfahrung

Gabi Kazmaier ist nicht nur Diplom-Sonderpädagogin und Sonderschullehrerin, sondern unter anderem auch Asthmatrainerin und Motopädagogin. Sie leitet Tandemfreizeiten für Blinde und Sehbehinderte, ist Übungsleiterin einer inklusiven Leichtathletikgruppe und gibt seit Jahren Skikurse für Menschen mit Behinderung. 2016 war sie als Betreuerin beim Paralympischen Jugendlager der Deutschen Behindertensportjugend in Rio.

Schon vergangenes Jahr sollten für die nächste Skisaison die Weichen gestellt werden: „Zu verkaufen“ stand am Skizentrum Pfulb in Schopfloch. Mit Gabi Kazmaier fand sich rasch eine ernsthafte Interessentin. Monatelang liefen die Verhandlungen mit den Verkäufern Marianne Allgaier, ihren Brüdern Eberhard und Peter Weber sowie verschiedenen Wiesenbesitzern. Doch wenige Tage vor dem Notartermin zur Übernahme von Lift, Hütte, Grundstücken und Imbiss ist die Vertragsunterzeichnung geplatzt.

Für Marianne Allgaier liegt der Grund in der Blockade ihres Bruders Peter Weber. „Es hängt nur an seiner Unterschrift“, sagt sie. Das sieht der Miteigentümer, der sich in dem Verfahren unfair behandelt fühlt, anders: „Ich bin dafür, den Lift und die Hütte zu verkaufen“, sagt er. „Ein privat von mir gepachtetes Grundstück gebe ich aber nicht her.“ Für eine Summe X sei er aber bereit, über den Pachtvertrag zu reden. „Mehrmals habe ich klein beigegeben“, betont Peter Weber. Damit meint er etwa seine zähneknirschende Zustimmung zur Aufgabe seines Imbisses, in dem er bei Hochbetrieb auf der Skipiste Würstchen verkauft hatte. Nun hätte er unterschreiben sollen, dass ein Grundstück neben dem Kiosk, das er vor kurzem gepachtet hat, mit dem Kaufvertrag automatisch auf die neuen Besitzer übergeht. „Dann hätte ich an der Pfulb nichts mehr zu suchen. Das geht nicht.“

Dass ein neuer Liftbetreiber daran interessiert ist, zumindest die wichtigen Grundstücke zu besitzen oder zu pachten, liegt für das übrige Pfulb-Team um Allgaier indes auf der Hand. Um dem Projekt von Gabi Kazmaier den Weg zu ebnen, hatte die Familie im Sommer sämtliche Pachtverträge gekündigt und den TÜV für den Lift machen lassen.

Ob sich an der Pfulb in der bevorstehenden Saison die Bügel drehen werden, ist derzeit fraglich. „Wenn es in den nächsten Tagen keine Einigung gibt, ist der Betrieb dieses Jahr organisatorisch nicht mehr zu bewältigen“, sagt Marianne Allgaiers Ehemann Walter Allgaier. Ein Zurück gibt es für die Familie in keinem Fall mehr. Die Firma ist aufgelöst, Versicherungen sind gekündigt.

Sollte der Lift zu bleiben, wird es besonders die acht Skiclubs beziehungsweise -abteilungen hart treffen, die die Pfulb nutzen. In den Vereinen herrscht Bedauern und große Ratlosigkeit, denn die Zeit drängt, die nach Weihnachten beginnenden Skikurse auszuschreiben.