Eltern und Fachleute diskutieren Möglichkeiten inklusiver Berufsausbildung. Foto: Stotz - Stotz

Wenn Schüler mit Behinderung ihren Abschluss in der Tasche haben, fühlen sie sich beim Übergang in den Beruf oft überfordert. Über Lösungen dafür diskutierten Eltern und Fachleute in der Arbeg.

Wernau Viele Eltern eines Kinds mit Behinderung betreiben einen hohen Aufwand dafür, dass ihr Kind eine normale Schule besuchen kann. Doch der Übergang in die Berufsausbildung oder das Arbeitsleben ist oft mit hohen Hürden verstellt. Bereits eine bedarfsgerechte Berufsorientierung ist häufig nicht gewährleistet. Eine kreisweite Arbeitsgruppe aus Eltern und Fachleuten will nun Lösungsvorschläge für die berufliche Bildung junger Menschen mit Handicap erarbeiten.

Bärbel Kehl-Maurer, die Vorsitzende des Vereins Lebenshilfe Kirchheim, sagte: „Viele Eltern verwenden viel Zeit und Energie für die schulische Bildung ihrer Kinder und einen inklusiven Unterricht in einer Regelschule, und der Bildungserfolg gibt ihnen und den Schulen recht. Doch wenn es um die Zeit nach der Schule geht, um Berufsausbildung und Arbeit, stellen wir eine große Lücke fest.“ Die Lebenshilfe hatte gemeinsam mit den Werkstätten Esslingen-Kirchheim (WEK) Eltern von Kindern und Jugendlichen mit Handicap sowie Fachleute für Integration und Beschäftigung zu einer Bestandsaufnahme von bestehenden Angeboten, Mängeln und Problemstellungen, aber auch zur Diskussion von Lösungsmöglichkeiten und Perspektiven, eingeladen. „Inklusion hört nicht mit der Schule auf, sie ist ein fortwährender Prozess“, betonte Bärbel Kehl-Maurer.

Rund 40 Teilnehmer, zumeist Eltern und einige Integrationsfachkräfte sowie die Sozialdezernentin des Landkreises Esslingen Katharina Kiewel, waren dafür bei der Arbeg in Wernau zusammengekommen. Die Eltern sahen große Mängel in der Berufsorientierung für inklusiv beschulte Jugendliche. Dies sei nicht den Schulen oder Lehrern anzulasten, sondern als strukturelles Problem zu sehen. „Eine Woche Praktikum ist eben zu wenig. Wenn mein Kind länger benötigt, stellt sich die Frage nach der Betreuung. Dafür fehlt es am Personal. Manche Eltern übernehmen das dann, aber nicht alle können ihre Arbeit zurückstellen“, sagte eine Mutter. Damit drohe eine „Spaltung“. Um dies zu vermeiden, müssten Regelschulen mit ausreichend Fachkräften für eine individuelle Förderung ausgestattet werden. „Ein Schulsozialarbeiter und ein zusätzlicher FSJler genügen einfach nicht.“

WEK-Geschäftsführer Volker Ditzinger sah als wichtige Vorbedingung für einen gelingenden Übergang in das Arbeitsleben die Schaffung von geeigneten Rahmenbedingungen, die jungen Menschen mit Handicap eine Ausbildungs- oder Arbeitsplatzwahl gemäß ihren Wünschen, Neigungen und Kompetenzen ermöglichen. „Ziel muss es sein, ein selbstbestimmtes Arbeiten zu ermöglichen, das den jungen Leuten Entscheidungsfreiheit für ein selbstbestimmtes Leben bietet.“ Er ermutigte die Eltern, die Berufswünsche ihrer Kinder zu fördern. Nach den Erfahrungen der Eltern sind dabei oft hohe Hürden zu überwinden, zumal für Jugendliche mit geistigen Handicaps oder Lernproblemen, die jedoch in einer betreuten Werkstatt unterfordert und fehl am Platz seien. Für einen Beruf im ersten Arbeitsmarkt seien Ausbildungs- und Arbeitsplätze nötig, die „den Neigungen und der Begabung der Kinder entsprechen, notfalls auch mit einem selbst gewählten Assistenten im Arbeitsleben als Begleiter und Vertrauensperson“, sagte eine Mutter. Dies sei nur sehr schwer zu erreichen, da in vielen Betrieben das Problembewusstsein fehle, stellten Eltern und Fachleute fest.

Selbst wenn ein Ausbildungs- oder Arbeitsplatz gefunden sei, mangle es oft an den Kapazitäten und am qualifizierten Personal in den Berufsschulen. So seien theoriereduzierte Unterrichts- und Ausbildungseinheiten sowie qualifizierte Unterstützung und Begleitung von Eltern und Ausbildungsbetrieben nötig. „Wir benötigen ein Umdenken in den Berufsschulen. Inklusion ist dort in den Köpfen nicht präsent“, sagte ein Teilnehmer.

Eine Arbeitsgruppe will nun auf der Basis der Bestandsaufnahme bis zur Sommerpause Lösungsvorschläge für die berufliche Bildung junger Menschen mit Handicaps erarbeiten. „Arbeit ist mehr als nur Geld verdienen, sie bedeutet Selbstbestimmung und gesellschaftliche Teilhabe“, sagte Kehl-Maurer. Dafür gelte es nun, einen Prozess anzustoßen.

Weitere Infos gibt es bei Bärbel Kehl-Maurer, E-Mail: kehl-maurer@t-online.de.