(red) - „Das ist doch kein Leben mehr ...“ Ethische Entscheidungen am Lebensende - zu diesem Thema sprach Annette Riedel, Professorin für Pflegewissenschaften an der Hochschule Esslingen, im Stadthaus im Scharnhauser Park. Eingeladen hatte der Förderverein Palliativversorgung für die Kreiskliniken und die Leitstelle für Ältere. Bei der anschließenden Diskussion wurden auch Unterstützungsangebote aufgegriffen.

Wenn sich das Lebensende eines Menschen abzeichnet und dieser nicht mehr selbst entscheiden kann, stellen sich viele Fragen: Welche Maßnahmen sind sinnvoll, was dient der Lebensqualität und vor allem, was ist der Wille des Betroffenen? Angehörige müssen dann schwerwiegende und oft belastende Entscheidungen treffen. Immer gilt es laut Riedel dann zu bedenken: Was wäre im Sinne des Betroffenen? Die Professorin, die auch ehrenamtliche Hospizmitarbeiterin ist, beschrieb, welche Wertekonflikte sich stellen können.

Spannungsfelder entstünden etwa zwischen dem Willen und der Autonomie der betroffenen Person und dem Wohl und der Fürsorge, die Angehörige im Auge haben. Auch Schuldgefühle spielen eine Rolle. Menschen hätten durchaus unterschiedliche Vorstellungen von „gutem“ Sterben und Lebensqualität. So könne ein Konflikt entstehen zwischen dem Wunsch, Leiden zu lindern, und der Entscheidung, einen Menschen sterben zu lassen. Deshalb sei es wichtig, sich zu fragen: „Wer leidet - ich oder der Betroffene?“ So könne die Entscheidung für künstliche Ernährung eine große Belastung für den Patienten darstellen. Andererseits könne ein Angehöriger das Gefühl haben: Ich kann ihn doch nicht verhungern lassen. Diese Abwägung sei überaus wichtig, betonte Riedel. Die Wissenschaftlerin erklärte: „Der Respekt vor der Autonomie der betroffenen Person hat immer oberste Priorität.“ Um zu wissen, was der Wille eines Menschen ist, der sich nicht mehr äußern kann, müsse man seine Wertevorstellungen, Lebensziele und Wünsche in Betracht ziehen. Um diesen „mutmaßlichen Willen“ in Erfahrung zu bringen, gelte es zu fragen: Was hat er erlebt? Was ist ihm wichtig, welche Ziele hatte er im Leben und was trägt zu seiner Lebensqualität bei? Welche Haltung hat er zur Medizin und welche weltanschaulichen Überzeugungen? Wenn ein Mensch sage „so will ich nicht weiterleben“, könne sich das auch wieder ändern. Riedel appellierte: „Gehen Sie ins Gespräch, hören Sie gut zu.“

Die Veranstaltung zeigte auch, wo Menschen Hilfe und Entlastung finden. „Im Kreis Esslingen leben wir ein bisschen wie auf der Insel der Glückseligen“, verwies Detlef Kollmeier, Arzt und langjähriger Vorsitzender des Fördervereins, auf das gute Netz an ambulanter und stationärer Hospiz- und Palliativversorgung. Dieses Netzwerk, zu dem auch niedergelassene Ärzte und Pflegedienste gehören, mache eine gute Begleitung am Lebensende möglich, stimmte ihm der Onkologe und Palliativmediziner Ulrich Abele ebenso zu wie Hausarzt Günter Crasser.

Christa Schlecht vom Hospizdienst Ostfildern betonte, das Ziel der ambulanten Hospizarbeit sei, „Patienten und ihre Angehörigen so zu stärken, dass ein Sterben zuhause möglich ist“. Palliativmedizinische Unterstützung zuhause, aber auch in Pflegeeinrichtungen und im stationären Hospiz gibt es von der Spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV). 550 Patienten mit belastenden Symptomen haben speziell ausgebildete Pflegekräfte und Ärzte im vergangenen Jahr betreut, berichtete Claudia Schmoke-Bohm vom SAPV-Team.

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