Im Jahr 1957 wird die Pliensaubrücke um 4,50 Meter verbreitert. Fußgänger kommen künftig gefahrlos auf einem eigenen Gehweg über den Neckar. Foto: EZ-Archiv - EZ-Archiv

Das Jahr 1957 brachte turbulente Ereignisse: Vor allem der Flug Sputniks eröffnete eine neue Runde des Wettrüstens. Esslingen freute sich über den Ausbau der Pliensaubrücke.

EsslingenIm März des Jahres 1957 schlägt die Geburtsstunde des modernen Europas. Die Benelux-Staaten, Frankreich, Italien und die Bundesrepublik unterzeichnen die Römischen Verträge und vereinbaren damit die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und der Europäischen Atomgemeinschaft Euratom.

Im Juli unternimmt die DDR einen diplomatischen Vorstoß zur Bildung eines Staatenbunds mit der Bundesrepublik. Der Westen erneuert daraufhin die Forderung nach Verhandlungen der vier Siegermächte über einen Friedensvertrag und freien Wahlen für eine gesamtdeutsche Regierung. Bei der sowjetischen Regierung stößt das auf wenig Gegenliebe. Die Eßlinger Zeitung berichtet, dass der sowjetische Außenminister Andrei Gromyko bei einer Konferenz mit seinem amerikanischen Amtskollegen John Foster Dulles das Thema meidet. „Ein Versuch, auch die Frage der deutschen Wiedervereinigung anzuschneiden, scheiterte am Widerstand Gromykos“, meldet die Zeitung.

Die konfrontative Grundstimmung wird besonders in den militärischen Rüstungsanstrengungen deutlich. Die Sowjetunion stationiert Truppen in der DDR, die USA geben bekannt, dass ihre Streitkräfte in der Bundesrepublik mit Atomwaffen ausgerüstet sind. Bundeskanzler Konrad Adenauer befürwortet im völligen Gegensatz zum Vorjahr eine atomare Bewaffnung der Bundeswehr.

Die startet im Frühjahr mit 10 000 wehrpflichtigen Soldaten. Eine Einheit wird in der Esslinger Becelaere-Kaserne stationiert. Die Eßlinger Zeitung berichtet, dass bei der Begrüßung der Soldaten auch bewährtes Personal zum Einsatz kommt. Ein Offizier, „der im Jahre 1940 bei der Erstürmung des Forts Eben-Emael mit dem Ritterkreuz ausgezeichnet wurde“, meldet die Dienstbereitschaft der Truppe. Im Oktober erzielt die Sowjetunion einen enormen technologischen und propagandistischen Erfolg. Nach einer Testserie mit Interkontinentalraketen gelingt es erstmals, einen Satelliten in eine stabile Erdumlaufbahn zu schießen. Der „Sputnik“ kreist in 900 Kilometern Höhe um die Erde und sendet regelmäßige Funksignale. Die EZ meldet die Klage amerikanischer Wissenschaftler, dass die USA technologisch „in der Entwicklung von interkontinentalen ballistischen Geschossen um fünf Jahre“ hinterherhinkten. Das Militär teile indes mit, „daß der dritte Versuch im Rahmen des amerikanischen Satelliten-Programms innerhalb weniger Tage zu erwarten sei“. Eine neue Runde des Wettrüstens ist eröffnet.

Die Esslinger Verwaltung geht das Problem des zunehmenden Verkehrs in der Stadt mit einem größeren Bauprojekt an. In viermonatiger Bauzeit wird die Pliensaubrücke um 4,50 Meter verbreitert. Der zusätzliche Streifen wird als Gehweg gestaltet, „auf dem die Fußgänger genügend Platz haben, um von der Fahrbahn den nötigen Abstand zu haben“, berichtet die Eßlinger Zeitung. Dazu hätten die Planer weitsichtig gehandelt. „Man beschloß, gleich ganze Arbeit zu machen und setzte die Verbreiterung nach der Brücke auch in Richtung zur Kreuzung Nellinger- und Stuttgarter Straße fort. Wenn nämlich beim Weiterbau der Bundesstraße 10 am Neckarufer entlang eine Fahrbahn unter der Brücke hindurch geführt wird, so braucht man keine Veränderungen mehr vorzunehmen“, schreibt das Blatt.