Ulrike Blum mit „Heinzi“, Pfarrer Jochen Keltsch mit „Annettchen, Abschied“ und Jürgen Blum mit „Kröte Gustaf“ (v. r. ). Foto: Bail - Bail

Bei den Kunsttagen werden im evangelischen Gemeindehaus Aichwald Grafiken von Horst Janssen gezeigt und damit zum ersten Mal Arbeiten eines Künstlers, der nicht mehr lebt.

AichwaldAn zwei Wochenenden gehen Kunst und Kirche in Aichwald wieder eine kongeniale Symbiose ein. 100 Arbeiten des hanseatischen Grafik-Genies und Bürgerschrecks Horst Janssen (1929-1995) werden im evangelischen Gemeindehaus in Aichschieß gezeigt. Organisiert wird das jährliche Kunstevent zum 13. Mal vom Verein Aichwalder Kunsttage. Der begnadete Zeichner, Teilnehmer der Documenta und der Biennale in Venedig, dürfte wie der Maler Klaus Fußmann 2017 und der Zeichner Simon Dittrich 2016 viel Menschen nach Aichwald locken. Kunstkenner aus der gesamten Region werden sich jeweils samstags und sonntags ebenso im evangelischen Gemeindehaus in Aichschieß zur Bilderschau treffen, genauso wie Bürger, die nicht unbedingt in Museen oder Galerien gehen. Die Ausstellung führt Menschen zur Kunst und in die Kirche. Hausherr und Pfarrer Jochen Keltsch freut sich über diesen „Raum der Begegnung“. Darüber hinaus werde ein Zugang zu Menschen geschaffen, die nicht unbedingt in die Kirche gehen. Die Vernissage findet traditionell in der evangelischen Kirche in Aichschieß statt.

Auf die Beine gestellt wurde die 13. Auflage der Aichwalder Kunsttage wieder von den 28 Mitgliedern des Vereins und zahlreichen Helfern. Alle arbeiten ehrenamtlich. „Wir wollen auch auf dem Dorf gute Kunst zeigen“, nennt Ulrike Blum als Grund für den enormen Aufwand. Sie ist gemeinsam mit Wolfgang Sperber verantwortlich. Alle Radierungen, Holzschnitte, und Plakate sind käuflich. Stempelsignierte Plakate kosten zwischen 30 und 40 Euro, handsignierte 100 bis 120 Euro. Die Radierungen liegen bei 300 bis 3000 Euro; dazu gibt es Bücher, Kalender und vieles mehr mit klassischen Janssen-Motiven wie Frauenbildnisse, Selbstporträts, Natur Morte und Eros. Der Erlös wird für Projekte der katholischen und evangelischen Kirchengemeinden gespendet.

In diesem Jahr stellte die Organisation eine besondere Herausforderung dar. Erstmals wird ein nicht mehr lebender Künstler präsentiert. „Das haben wir in Kauf genommen, weil er ein ganz genialer Zeichner ist“, sagt Ulrike Blum. Die Vorbereitung und der Kontakt zur Hamburger Galerie, die die Bilder zur Verfügung stellt, waren noch aufwendiger als sonst. Pfarrer Keltsch spricht denn auch von „kommunikativer Kunst“. Künstler und Galeristen müssen überzeugt werden, ich Aichwald auszustellen. Das erfordere manchmal Überredungskunst. Klappte aber immer.

Keltsch ist angetan von den Blättern, von Janssens Blick auf das Leben, seine Geschichten, die in den Zeichnungen stecken. „Auch wenn er Tabus bricht, ist es trotzdem ein liebevoller Blick“, sagt er im Hinblick auf die dunklen Seiten des weltberühmten Künstlers und Exzentrikers, der nicht nur mit seinen herausragenden Grafiken Aufsehen erregte, sondern auch mit seiner Lebensweise als Hedonist und Trinker. Von ihm stammen Sätze, wie „Ich bin die Gnade Gottes“. Selbstironisch bekannte er, dass er nicht Millionen gemacht habe, sondern Millionäre. Ulrike Blum weiß von Verkäufen signierter Plakate zu zwei Euro in den 80er-Jahren.

Die Lithografie „Kröte Gustaf“ von 1957, die den Anfang seines Erfolgs kennzeichnete, ist in der Ausstellung ebenso zu sehen, wie das Porträt von „Heinzi“ (1988) mit dem er öfter ein Schnäpschen gekippt haben soll, und „Annettchen, Abschied“ von 1986, eine Radierung, auf die Keltsch in seiner Predigt am Sonntag, 18. November, Bezug nehmen wird. Als Begleitprogramm läuft Peter Voss-Andreaes zweistündige Janssen-Dokumentation unter dem Namen „Ego“ von 1989. Die drei Klassen der Grundschule werden eine Gemeinschaftsarbeit zum Thema „Tod und Vergehen in der Natur“ erstellen, die im Untergeschoss des Gemeindehauses aufgehängt wird und anschließend in der Schule. Der Eintritt zur Ausstellung ist frei. Der Katalog kostet 10 Euro.

Vernissage ist am Freitag, 16. November, um 18 Uhr in der Kirche in Aichschieß. Es sprechen Pfarrer Jochen Keltsch, Bürgermeister Nicolas Fink und Andreas Bauer, Leiter der Villa Merkel in Esslingen, das Cello-Trio AcCellorando musiziert. Die Ausstellung ist am 17. und 18. November sowie am 24. und 25. November, samstags von 14 bis 19 Uhr und sonntags von 11 bis 18.30 Uhr im Gemeindehaus, Alte Dorfstraße 38 in Aichschieß, zu sehen sowie nach Vereinbarung mit Ulrike Blum unter Telefon 0711/3650563.