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Die AfD im Kreis Esslingen findet keine Kandidaten für die Gemeinderäte. Dafür will sie in den Kreistag einziehen – mit einigen parteilosen Kandidaten, aber ohne Republikaner.

Kreis EsslingenDa tut sich etwas am rechten Rand, das merkten die Journalisten-Kollegen, die über die Kreistagssitzungen in Esslingen berichten, schon in den vergangenen Monaten. Der seit Jahren einzige prominentere Republikaner im Gremium, Ulrich Deuschle, bekam Applaus von einer plötzlich größeren Anzahl an Besuchern. Tatsächlich stellte sich wenig später heraus: Seit Herbst haben er und die Alternative für Deutschland (AfD) im Kreis Esslingen Anlauf genommen, um bei der Kommunalwahl gemeinsame Sache zu machen – woran sie nun aber scheiterten.

Aber zurück zum Ende des Jahres 2018: Der 66 Jahre alte Notzinger Deuschle ließ schließlich verlautbaren, er wolle sich am 26. Mai auf der Liste der AfD zur Wahl stellen. Das ist nur folgerichtig für den früheren Landtagsabgeordneten, schwindet doch der Zuspruch für seine Partei bei Wahlen seit den 1990er-Jahren zunehmend. Deuschle zufolge haben die Republikaner im Kreis aktuell noch zwischen 80 und 90 Mitglieder – gut die Hälfte davon sei aktiv.

Doch auch die eigenen Angaben nach gut 180 Mitglieder zählende AfD hat Schwierigkeiten, genügend Kandidaten für die kommende Wahl zu finden. Für die Gemeinderäte kandidiert die Partei in keiner einzigen Kommune im Landkreis. Die Sprecherin des Kreisverbandes Esslingen, Vera Kosova, nennt „Angst vor Diskriminierung und Diffamierung“ als Grund. Sachbeschädigungen und „Hetzblätter“ in den Briefkästen der Nachbarn seien bei prominenteren AfD-Politikern an der Tagesordnung, erzählt sie und leitet wenig später einen Facebook-Post der AfD-Landtagsabgeordneten Carola Wolle aus dem Wahlkreis Neckarsulm weiter: Auf deren Hauswand wurde jüngst mit Sprühfarbe der Spruch „AfD angreifen“ geschrieben, die Haustür demoliert und der weiße BMW mit roter Farbe überzogen. Und weil auf dem Wahlzettel bei den Kommunalwahlen die Adresse stehe, sei man noch viel exponierter, erklärt Kosova weiter.

Doch eine oder zwei Ebenen höher, sieht es schon wieder anders aus: Mehr Abstand zu AfD-kritischen Nachbarn bringt der Partei ausreichend Kandidaten. Wobei die Alternativen hier Unterstützung von Parteilosen erhalten und im Vorfeld auch Mitglieder anderer Parteien abwerben konnten. Das prominenteste Beispiel: Peter Schuster, Diplom-Theologe aus Notzingen und einst Mitarbeiter des CDU-Landtagsabgeordneten Karl Zimmermann sowie Zweitkandidat der Christdemokraten im Landtagswahlkreis Kirchheim. Nun steht er auf Platz Fünf der 16-zeiligen AfD-Liste für die Regionalversammlung, die vor einigen Wochen gewählt wurde. Vera Kosova steht auf Listenplatz Eins, der Esslinger AfD-Kandidat zur Bundestagswahl 2017 Stephan Koethe auf Platz Zwei.

Vor zweieinhalb Wochen wählte der AfD-Kreisverband nun auch nahezu 60 Anwärter für den Kreistag – die Listen sind allerdings noch nicht öffentlich. Doch so viel ist schon bekannt: Ulrich Deuschle steht nicht darauf. „Herr Deuschle war ein sehr kompetenter Kandidat, der uns mit seiner reichen Erfahrung im Wahlkampf unterstützen wollte. Die Mehrzahl unserer Mitglieder sah jedoch seine Vergangenheit bei den Republikanern kritisch, und da wir eine basisdemokratische Partei sind, kam es zu dieser Entscheidung“, antwortete Vera Kosova diplomatisch auf Anfrage.

Der Republikaner-Chef im Kreis Esslingen war am Tag nach der Abstimmung dagegen noch nicht restlos davon überzeugt, endgültig von der Liste der AfD ausgeschlossen zu sein. „Das ist eine juristische Frage“, sagte er lediglich am Telefon. Weniger zurückhaltend fällt das Fazit einige Tage später aus: Deuschle spricht von „mangelnder Politikfähigkeit“ der AfD-Führung und „Nicht-Einhaltung getroffener Vereinbarungen“. Außerdem berichtet er von einem Clinch innerhalb der AfD zwischen „Bündnisfähigen und Populisten, die nicht politikfähig sind“.

Dennoch sieht Deuschle „die angestrebte Zusammenarbeit mit der AfD mit dem Ziel einer starken rechtskonservativen Alternative zu den etablierten Parteien und Freien Wählern“ nur als „vorläufig gescheitert“ an. Seine Republikaner sind nun recht spät in die Suche nach Kandidaten für eine eigene Liste für den Kreistag gestartet. Deuschle zufolge gelingt es dennoch, in allen 13 Wahlkreisen eine Vorschlagsliste zusammenzukriegen – auch dank Parteiloser und Anhänger der AfD. „Strategisches Ziel bleibt die Zusammenarbeit mit den politik- und bündnisfähigen Kräften in der AfD Esslingen, denen das Wohl der Bürgerinnen und Bürger wichtig ist, auch nach der Kreistagswahl“, schreibt er in einer Mitteilung. Inhaltlich liegen Republikaner und AfD zu 90 Prozent auf gleicher Linie, glaubt Deuschle.

Unterstützung erhält der Kreisrat von Christof Deutscher aus Kohlberg, ehemals einer von sechs Vorstandsmitgliedern des AfD-Kreisverbands. „Ich habe ihn sehr zu schätzen gelernt“, sagt der AfDler über den Republikaner. Er habe versucht, den Mitgliedern klarzumachen, dass der in Kommunalpolitik erfahrene Deuschle der jungen AfD helfen könne. Doch leider sei Deuschle weder auf die AfD-Vorschlagsliste für die Wahl zur Regionalversammlung, noch auf die für die Kreistagswahl im Wahlkreis Plochingen gesetzt worden. Deutscher begründet das einerseits mit der fehlenden Karenzzeit des Nicht-AfD-lers Deuschle, ohne die manche Mitglieder ungern früheren politischen Gegnern in Parlamente verhelfen wollen. Zumal einige womöglich nicht vergessen haben, dass Deuschle die Republikaner bei der vergangenen Landtagswahl in Abgrenzung zur AfD als „das Original“ bewarb.

Der andere Grund liegt für Deutscher in der „parteiimmanenten Spannung“, die es in der AfD in ganz Deutschland von Beginn an gegeben habe und die auch im Kreisverband herrsche: zwischen dem Flügel, dem Rechtsausleger der Partei auf der einen Seite. „Wobei auch im Kreisverband alle Demokraten sind, keine rechtsextremen Nasen.“ Und denen auf der anderen Seite, die „mit Parteien aus dem Rechtsaußenspektrum“ – sprich den Republikanern – nicht in Verbindung gebracht werden wollten. „Das Stimmenverhältnis steht 50 zu 50.“ Deutscher selbst zählt sich „eher zum konservativen Lager“ – wobei er damit „überhaupt nicht rechtskonservativ“ meint.

Schon nachdem Deuschle nicht auf die Regionalwahlliste gesetzt worden war, verließ Deutscher im November den AfD-Kreisvorstand. Er moniert, dass das Gremium, obwohl es vorher einheitlich Zustimmung für die Zusammenarbeit mit dem Republikaner gegeben habe, am Ende nicht einheitlich aufgetreten sei. Ob er mit der AfD-Spitze im Kreis gebrochen habe? „Nein, überhaupt nicht!“, sagt Deutscher. Es sei eine demokratische Mitgliederentscheidung gegen Deuschle gewesen. Er unterstütze jeden Sprecher in der Partei, also auch Vera Kosova, die politisch sehr aktiv sei und bei den Mitgliedern gut ankomme – seit Kurzem ist die Ärztin Mitglied des AfD-Landesvorstands und Führungsfigur der Juden in der AfD. Doch auch Deutscher hat die Zusammenarbeit mit den Republikanern noch nicht ad acta gelegt: „Herr Deuschle wird sicherlich mit uns in Kontakt bleiben.“