Vor eineinhalb Jahren sind die letzten Patienten aus dem Plochinger Kreiskrankenhaus ausgezogen. Nachdem die Idee einer Reha-Klinik gescheitert war, zog das Veterinär- und Gesundheitsamt ein. Pflegeschulen und Klinik-Akademie sollten folgen. Nun wird die Klinik ein reiner Verwaltungsstandort. Foto: Bulgrin Quelle: Unbekannt

Vor eineinhalb Jahren haben der Landrat und der Chef der Kreiskliniken den „Gesundheitscampus“ als gutes Nachnutzungskonzept für das Plochinger Kreiskrankenhaus präsentiert. Jetzt wird der Plan über den Haufen geworfen. Statt der Fortbildungsakademie der Kliniken, einer Psychiatrie-Ambulanz sowie den Pflegeschulen Ruit und Nürtingen werden weitere Abteilungen des Landratsamtes nach Plochingen ziehen. In der neuen Außenstelle der Kreisbehörde sollen 280 Beschäftigte arbeiten.

Von Roland Kurz

Zwei Entwicklungen, so erläuterte Finanzdezernentin Monika Dostal gestern im Kreistag, haben den Landkreis und seine Klinikgesellschaft zum Umschwenken bewegt. Zum einen will der Gesetzgeber die Ausbildung in den Pflegeberufen reformieren: Alten- und Krankenpflege soll vereint werden. Deshalb erscheint der bisherige Schulstandort Nürtingen vernünftiger, weil dort beide Richtungen gelehrt werden. In Plochingen sollten 145 Pflegeschüler unterrichtet werden, ein Teil der Schüler hätte in Patientenzimmern leben können.

Zweites Argument: Das Esslinger Landratsamt platzt aus allen Nähten, allein für die Betreuung der Flüchtlinge und das Unterkunfts-Management sind 90 neue Stellen eingerichtet worden. Um sich Luft zu verschaffen, hat der Landkreis ab Mai in der Röntgenstraße Esslingen-Zell (Hengstenberg-Gebäude) für den Abfallwirtschaftsbetrieb und das Vermessungsamt Büroräume angemietet. Dort werden zwar 120 Beschäftigte untergebracht, Landrat Heinz Eininger rechnet aber damit, dass auch nach deren Auszug der Bedarf in diesem Jahr um weitere 170 Arbeitsplätze wächst. Und nächstes Jahr kommen noch einmal 60 bis 80 Plätze oben drauf. Ohne die Plochinger Außenstelle müsste der Landkreis also weitere Räume anmieten oder gar Bürocontainer auf seinen Flächen aufstellen. In das ehemalige Krankenhaus sind vor einem Jahr schon das Gesundheits- und das Veterinäramt mit 83 Beschäftigten eingezogen. Diese Abteilungen hätten gewissermaßen zum Gesundheitscampus gepasst. Durch die geänderten Umbaupläne können weitere 200 Arbeitsplätze im Klinikbau angesiedelt werden.

In der Klinik wohnen Flüchtlinge

Die ersten 100 Plätze stünden im April 2017 bereit, wenn sofort mit den Bauarbeiten begonnen wird. Bis 2018/19 könnte auch das Gartengeschoss der Klinik und der große Flügel im zweiten Geschoss fertig sein. Derzeit sind im Krankenhaus aber noch Flüchtlinge untergebracht. Diese könnten in die Personalwohngebäude umziehen, die bei dieser Konzeption nicht mehr benötigt werden.

Eine Außenstelle Plochingen lasse sich bei rund 280 Arbeitsplätzen auch wirtschaftlich betreiben, heißt es in der Vorlage für den Kreistag. Durch die Busverbindung zum Stadtteil Stumpenhof bestehe auch eine gute Anbindung an den ÖPNV.

Bereits vor einer Woche hatte der Finanzausschuss des Kreistags in nichtöffentlicher Sitzung die 4,5 Millionen Euro für den Umbau inklusive Brandschutzarbeiten genehmigt. Dafür erhält der Kreis etwa 4000 Quadratmeter Bürofläche. Für den Gesundheitscampus hatte man Umbaukosten von 2,7 Millionen Euro veranschlagt. Gestern stimmte der Kreistag der Einrichtung der Landratsamts-Außenstelle in Plochingen und dem Kostenplan zu. Drei SPD-Räte enthielten sich der Stimme. Auf einen Meinungsaustausch verzichtete das Gremium gestern allerdings.

Zuschüsse zurückzahlen

Drei Hürden muss die Kreisverwaltung noch aus dem Weg schaffen. Vor gut einem Jahr hat man beim Land einen Förderantrag für den Gesundheitscampus eingereicht. Nun muss der Antrag zurückgezogen und eine eventuelle Rückzahlung von Zuschüssen mit dem Sozialministerium abgestimmt werden. Zudem gilt es zu prüfen, unter welchen Voraussetzungen die Kreiskliniken GmbH die Immobilie, die nun ausschließlich von Ämtern genutzt wird, an den Landkreis zurückgeben kann. Es geht um Steuerfragen - verlustfrei und unschädlich für die Gemeinnützigkeit lauten die Ziele. Derzeit zahlt der Landkreis an seine Kreiskliniken eine „ortsübliche Miete“.

Ausbildung in Pflegeberufen kommt nach nürtingen

Reform: Im Februar hat der Bundestag die Reform der Pflegeberufe beraten, voraussichtlich vor der Sommerpause wird das Gesetz beschlossen. Es sieht vor, dass Alten- und Krankenpflege zusammengefasst werden und es nur noch einen Abschluss gibt. In Nürtingen wird bereits jetzt als Modellversuch die Kombi-Variante Gesundheits- und Krankenpfleger/in plus Altenpfleger angeboten. Künftig gibt es nur noch einen Weg.

Konzentration: Norbert Nadler, Leiter des Klinikums Kirchheim-Nürtingen, sieht die nun anvisierte Konzentration in Nürtingen als „Riesenvorteil“. Plochingen wäre für ihn eine „2b-Lösung“ gewesen. In Nürtingen sieht er insbesondere die kurzen Wege der Lehrkräfte und der Schüler von der Klinik zu den Schulräumen als positiv. Wäre die Schule nach Plochingen gekommen, wären Fahrten von allen drei Klinikstandorten notwendig gewesen.

Kooperation: Die Zusammenarbeit mit der benachbarten Fritz-Ruoff-Schule Nürtingen ermöglicht zudem den besonders guten Auszubildenden, parallel die Fachhochschulreife zu machen. Schließlich haben auch wirtschaftliche Gründe die Klinikleitung dazu bewegt, ihr Konzept Gesundheitscampus zu überdenken. Denn die Zahl der Schüler in den Pflegeberufen sinkt, eine Konzentration ist umso sinnvoller.

Anbau: Um die zentrale Pflegeschule Nürtingen zu verwirklichen, wird an die bestehende Krankenpflegeschule angebaut. In den Anbau ziehen die Nürtinger Schüler, dann wird der Altbau renoviert. Schließlich zieht die Ruiter Pflegeschule nach Nürtingen um.

Akademie: Die Weiterbildungsakademie befindet sich derzeit in einem älteren Gebäude neben dem Kirchheimer Krankenhaus. Ihr künftiges Domizil soll ein Anbau ans Personalwohngebäude in Nürtingen sein. Dieser Anbau hat laut Nadler jedoch nicht die erste Priorität. Der Umzug auf den Säer könne auch später erfolgen. Die Akademie zählt jährlich mehr als 8000 Teilnehmer.