Kataloge sichten Bürgermeister Steffen Weigel, Roland Durst, Gabriele Mühlnickel-Heybach und Joachim Vöhringer (von links) im Keller des Wendlinger Stadtarchivs. Foto: Bulgrin Quelle: Unbekannt

Von Elisabeth Maier

Er war unter den ersten Wendlingern, die eine Digitalkamera hatten. Vor 20 Jahren entdeckte Roland Durst die Faszination der Fotografie mit der modernen Technik neu. „Ich habe selbst immer gern fotografiert“, erinnert sich der Senior, der mit seiner Frau Elisabeth im Stadtteil Unterboihingen lebt. Noch heute ist er oft auf der ICE-Baustelle und dokumentiert da den Baufortschritt. Da er sich für das Stadtmuseum engagierte, fotografierte er bei dessen Umzug ins ehemalige Pfarrhaus alle Museumsgegenstände ab. Und er digitalisierte Fotos, die Wendlingens Geschichte aus sehr persönlicher Perspektive dokumentieren. Jetzt überließ Durst seine Sammlung dem Wendlinger Stadtarchiv.

„Ihre Arbeit ist unschätzbar wichtig“, sagte Bürgermeister Steffen Weigel bei der Übergabe der Dateien und Kataloge im Stadtarchiv in der Brückenstraße. 460 Gigabyte an Daten, die Durst gespeichert hat, sind nun im Besitz der Stadt. Im Gebäude der ehemaligen Volksbank sind die wertvollen Dokumente künftig für interessierte Bürgerinnen und Bürger einzusehen. Liebevoll hat Durst die Fotografien aus Wendlinger Haushalten sortiert und in Katalogen abgebildet. Weil ihm der Bezug zur Zeitgeschichte am Herzen liegt, sind darin auch kleine Texte zu finden. Jahreszahlen hat der Heimatforscher akribisch festgehalten und zu den Fotos hinzugefügt. „Ich wünsche mir, dass meine Sammlung in gute Hände kommt“, begründet Durst seinen Schritt, die Sammlung nun zu übergeben. Gabriele Mühlnickel-Heybach vom Kreisarchiv Esslingen betreut die Wendlinger Sammlung.

Fotos aus dunkler Zeit

„Es hat viel Zeit gekostet, das alles aufzubauen“, findet der Rentner. Aber er habe das gerne gemacht. Stundenlang saß er am Rechner und archivierte die Fotos, die ihm Wendlinger und Unterboihinger aus den persönlichen Familienalben brachten. Wichtig war es ihm stets, die Fotos pünktlich und in gutem Zustand an die Besitzer zurückzugeben. So entstand über Jahrzehnte eine bemerkenswerte Sammlung. Auch die zwangsweise Zusammenlegung von Wendlingen, Unterboihingen und Bodelshofen im Jahr 1940 durch d die Nationalsozialisten ist darin eindrücklich dokumentiert. Bilder von jungen Männern, die auf Lastwagen saßen und Wahlkampf für Adolf Hitler machten, hat Roland Durst ebenso in seiner Sammlung wie Fotografien eines Arbeitslagers. „Auch an diese dunkle Zeit müssen wir uns erinnern.“

Für Joachim Vöhringer, den Kulturamtsleiter der Stadt, ist ein Freizeithistoriker wie Roland Durst ein echter „Glücksfall“. Nicht viele Städte oder Gemeinden hätten Menschen wie ihn, „die mit so viel Engagement und Sachkenntnis die Geschichte dokumentieren“. Auch wenn künftig die Stadt Roland Dursts Sammlung weiter betreut, versprach Bürgermeister Weigel, mit dem Rentner in gutem Kontakt zu bleiben: „Wir setzen auf ihren Rat ebenso wie auf Ihre große Fachkenntnis.“

Ohne tatkräftige Unterstützung seiner Mitstreiter vom Museumsverein Wendlingen-Unterboihingen hätte er sein Archiv nicht aufbauen können, sagte Roland Durst. Besonders der Unternehmer Hartmut Otto und Angela Heilemann hätten ihm sehr geholfen. Mit einem vergilbten Zeitungsausschnitt erinnerte Durst daran, wie seine Arbeit vor 20 Jahren anfing. „Da haben wir Leute aufgerufen, in ihren Fotoalben nach Dokumenten zu schauen.“ Dass das ein so großer Erfolg werden würde, habe er nicht gedacht.

Schätze in Schuhschachteln

„Auf vielen Dachstöcken und in alten Schuhschachteln sind Schätze verborgen“, appellierte Durst an die Wendlinger, ihre Fotos künftig dem Stadtarchiv zur Verfügung zu stellen. Da viele Zeitzeugen inzwischen gestorben seien, lasse sich die Geschichte etwa des Nationalsozialismus immer schwerer nachvollziehen. „Mit unseren digital erfassten Fotografien lebt auch dieser Teil der Geschichte weiter“, sagt der Unterboihinger. Im Treffpunkt Stadtmitte oder bei Vortragsabenden des Museumsvereins zeigte Durst seine 48 DVD-Beamer-Präsentationen, die er zu unterschiedlichen Themen zusammengestellt hat. Der Senior versteht es, trockene historische Fakten jungen wie auch älteren Zuhörern anschaulich zu vermitteln.

Durch seine vielen Kontakte kennt Roland Durst Alltagsgeschichten und Anekdoten aus der Stadt. Dass die Firma Behr nicht nur Möbel herstellte, die in ganz Deutschland begehrt waren, sondern auch viel für die Beschäftigten tat, hat er von ehemaligen Mitarbeitern erfahren. Eine Fotografie zeigt, dass 1942 der Löschwasserteich als Schwimmbad genutzt wurde.