Auch im wohlhabenden Kreis Esslingen ist Kinderarmut ein reichhaltiges Thema. Foto: dpa Quelle: Unbekannt

Von Claudia Bitzer

Familie S. hat drei Kinder, der Vater ist arbeitslos, die Mutter hat nur einen Minijob. Die Kinder sind aus den Sportsachen herausgewachsen. Auch die Fünftklässlerin braucht mehr für die Schule, als die Familie zahlen kann und die staatlichen Hilfen hergeben. Ein klassisches Beispiel, in dem die Kinderstiftung Esslingen-Nürtingen einspringt.

Vor fünf Jahren ist sie vom Katholischen Dekanat Esslingen-Nürtingen und der Caritas Fils-Neckar-Alb gegründet worden. Das Stiftungskapital von 50 000 Euro ist mittlerweile auf rund 118 000 Euro angewachsen. Auch die Zahl der Kinder aus einkommensschwachen Familien, denen die Kinderstiftung helfen konnte, ist kontinuierlich in die Höhe geklettert. 2016 konnten 316 Anträge unterstützt werden, 2014 waren es noch 113, 2015 schon 238. Seit ihrer Gründung hat die Kinderstiftung 700 Einzelfall-Anträge erhalten und dafür bisher knapp 58 000 Euro ausgeschüttet.

Arme Kinder im reichen Landkreis

Ob die Teilnahme an einem Schwimmkurs oder im Karateverein, ob beim Gitarrelernen oder beim Feinschliff der deutschen Sprache: Die Kinderstiftung hat es sich zur Aufgabe gemacht, die konkreten Nöte von Kindern aus benachteiligten Familien im Landkreis Essligen zu lindern. Der gilt zwar als wohlhabend. Nimmt man aber alleine die Zahlen der Bundesagentur für Arbeit vom Januar 2016, so leben hier mindestens 6427 Kinder in Armut, bestätigt Lisa Kappes-Sassano, Regionalleiterin der Caritas Fils-Neckar-Alb und Kuratoriumsvorsitzende. Von der versteckten Not noch gar nicht zu reden. Kappes-Sassano: „Wir wollten diesen Kindern Chancen geben, der Name ist Programm.“

Für Paul Magino, Dekan im Dekanat Esslingen-Nürtingen und Gründungsstifter, ist das nicht nur ein wichtiger christlicher, sondern auch ein politischer Auftrag. Der drücke sich auch in dem Armutsbericht aus, den der Diözesanrat und die Caritas zusammen auf den Weg gebracht habe. Der sei deutlich expliziter als der der Landesregierung, die dieses Thema lange Jahre gar nicht habe hören wollen. „Auch wenn dieses Bundesland nach Außen hin die Armut nicht kennt, so ist sie doch breit wahrnehmbar“, weiß der Dekan.

Zum Beispiel in den „Orten des Zuhörens“, die von kirchlicher Seite in Esslingen oder Nürtingen angeboten werden und in denen geschulte Ehrenamtliche von den Nöten der Menschen vor Ort direkt erfahren. Einer der Zuhörer ist Norbert Kindler, mittlerweile gewissermaßen ein Profi im Ehrenamt, der in Esslingen die Anträge einschätzt und weitergibt. „Den größten Teil unserer Einzelfälle bekommen wir auf diesem direkten Weg.“ Mittlerweile gehören aber auch Familienpflege, Diakonie, die Stiftung Jugendhilfe aktiv oder andere Einrichtungen zu den Antragstellern. Kappes-Sassano: „Unser Bekanntheitsgrad nimmt zu.“ Die Förderung ist auf 300 Euro pro Kind und Jahr gedeckelt. Und sie soll Vater Staat nicht aus der Pflicht nehmen, sondern springt erst dann ein, wenn seine Leistungen etwa aus dem Bildungs- und Teilhabepaket abgeschöpft sind.

Dem Ehrenamt sei Dank

Die Unterstützung der Kinderstiftung beschränkt sich aber nicht nur auf finanzielle Einzelfallhilfe. 32 Menschen aus allen Berufs- und Altersgruppen verbringen mit betroffenen Kindern als ehrenamtliche Paten ein Jahr lang einmal in der Woche ihre Zeit. Die „Chancenschenker“ gehen mit ihnen ins Theater, lernen mit ihnen, machen Ausflüge und vieles mehr (vgl. untenstehenden Artikel). 15 000 Euro nimmt die Stiftung dafür jedes Jahr in die Hand. Ohnehin wäre die Kinderstiftung Esslingen-Nürtingen ohne Unterstützung des Ehrenamts nicht denkbar.

Bei einem Zinssatz von 2,25 Prozent wirft das Stiftungskapital nicht viel ab. Und so werden die Ausschüttungen eben aus den Spenden bestritten, wie Kuratoriumsmitglied Frank Dierolf, hauptberuflich im Vorstand der Kreissparkasse, einräumt. Im vergangenen Jahr sind rund 54 500 Euro zusammengekommen. Sie stammen zum Beispiel von Unternehmen, die ihre Weihnachtsgeschenke an Kunden und Mitarbeiter dadurch ersetzt haben. Oder von Kindern, die Selbstgebasteltes auf dem Flohmarkt verkauft haben. Oder über die Sponsoren, die die Kinderstiftung beim jährlichen Spendenlauf der Caritas im Rahmen des Eßlinger Zeitung Laufs unterstützt haben. Dierolf wäre im Sinne der Nachhaltigkeit aber auch dankbar, weitere Mittel für den Kapitalstock zu bekommen: „Ich weiß, dass das derzeit schwierig ist. Aber es wäre wichtig.“

Bislang kommen die meisten Förderanträge aus dem Raum Esslingen. Deshalb soll in diesem Jahr die Region um Nürtingen mehr einbezogen werden. In der Hölderlinstadt wurden die Ehrenamtlichen vom„Ort des Zuhörens“ im Gemeindehaus der Johanneskirche besonders geschult. Nunmehr können auch dort Anträge gestellt werden.

www.kinderstiftung-esslingen-nuertingen.de

Kinderstiftung Esslingen-Nürtingen in Zahlen

Die Kinderstiftung Esslingen-Nürtingen ist 2012 vom Katholischen Dekanat Esslingen-Nürtingen und der Caritas Fils-Neckar-Alb ins Leben gerufen worden. Das Stiftungskapital ist mittlerweile aufgrund von Zustiftungen und Spenden von 50 000 auf rund 118 000 Euro angewachsen. In den vergangenen fünf Jahren hat sie 700 Anfragen auf Einzelfallhilfen erhalten und knapp 58 000 Euro dafür ausgeschüttet.

Die Kinderstiftung will konkrete Nöte von Kindern aus benachteiligten Familien lindern. 2016 hat sie 316 Einzelfallhilfen mit insgesamt 15 900 Euro unterstützt. Sieben Kindern hat sie dabei die Möglichkeit eröffnet, ein Instrument zu lernen, 112 Kindern hat sie im Bereich Sport unter die Arme gegriffen. 27 Kinder konnten Ferienangebote wahrnehmen, 19 Kinder wurden dank ihrer Unterstützung schulisch gefördert und 90 Kinder auf dem Postmichelfest in Esslingen erreicht. Darüberhinaus unterstützt die Kinderstiftung im vierten Jahr hintereinander die ehrenamtlichen „Chancenschenker“ mit 15 000 Euro. Dabei handelt es sich um Patenschaften auf Zeit für Kinder aus einkommensschwachen Haushalten.

Für 2017 wurden bereits 140 Anträge auf Einzelfallhilfe gestellt. Pro Woche erhält die Stiftung mittlerweile vier bis fünf Hilfeanfragen.