Martin Funk kehrt heute dem Rathaus Ohmden den Rücken. Foto: Jacques Quelle: Unbekannt

In seine verkehrsreiche, lebendige Heimat, das Neckartal, hat sich Martin Funk zurückgesehnt. Nun geht der Wunsch in Erfüllung: Heute Abend um 19 Uhr wird Wolfgang Benignus in der Gemeindehalle in den Ruhestand verabschiedet, der 34-Jährige als Bürgermeister Altbachs eingesetzt. Im Interview zeigt der SPD-Kreisrat deutlich, dass er aus seiner Erfahrung als Ohmdener Rathauschef einerseits realistische Vorstellungen über das mitbringt, was in der Gemeinde machbar ist. Doch er will auch mit Nachdruck etwas bewegen gegen Lärm, für bessere Finanzen und ein soziales Miteinander.

Sie haben zuletzt gesagt: „Mein Fehler ist, dass ich manchmal zu ehrlich bin.“ Seien Sie ehrlich: Haben Sie Bammel vor dem Stellenantritt?

Funk: Bammel würde ich nicht sagen. Ich bin gespannt auf das, was auf mich zukommt. Ich freue mich auf die neuen Aufgaben. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Es ist auch immer schade, wenn man eine Stelle verlässt.

Was werden Sie an Ohmden vermissen?

Funk: Die Leute, mit denen ich zu tun hatte. Ohmden ist eine liebenswerte Gemeinde.

Mehr Bürger, mehr Mitarbeiter, mehr Gemeinderäte, die es in Altbach zu überzeugen gilt. Haben Sie sich darauf vorbereitet?

Funk: Ob man vor 100 oder 400 Menschen spricht, die einem zuhören, das ist kein großer Unterschied. Im Gremium aber gibt es einen: Ohmden hat zehn Gemeinderäte, die eigentlich ohne Fraktion arbeiten. In Altbach gibt es drei Fraktionen. Aber ich denke, dass man konstruktiv miteinander arbeitet - so wurde es mir auch von allen Seiten zugetragen. Ich nehme auch nicht für mich in Anspruch, dass ich immer der Weisheit letzten Schluss habe.

In Ohmden waren Sie blutiger Anfänger. Welche Lektion nehmen Sie nach Altbach mit?

Funk: Dass man auch als Kommune nicht alles selbstständig entscheiden kann, auf andere Ebenen angewiesen ist und es manchmal dicke Bretter zu bohren gilt. In Ohmden hat es in der Gemeindehalle gebrannt. Wir haben gleich gesagt: Sanieren wir das ganze Gebäude. Da Ohmden nicht so gut finanziell aufgestellt ist, waren wir auf Mittel aus dem Ausgleichsstock angewiesen. Die Bewilligung des Antrags hat alles verzögert. Bezug war nach drei Jahren statt einem, wofür ich kritisiert wurde. Das sieht man jetzt auch am Altbacher Rathaus: Am besten keine konkreten Zeitvorgaben geben, wenn man es nicht in der Hand hat.

Würden Sie dennoch Druck machen, um etwas zu erreichen, auch wenn die Gemeinde nicht der Entscheidungsträger ist?

Funk: Auf jeden Fall würde ich Druck machen bei Sachen, die für die Gemeinde wichtig sind. Der Fluglärm ist ein gutes Beispiel. Ich bin froh, dass der Deizisauer Kollege Thomas Matrohs das Thema entsprechend angeht. Aber wichtig ist, Forderungen mit Fakten zu unterfüttern, mit Kompetenz Druck zu machen. Ich kann nicht einfach sagen: Guckt, dass weniger Lärm ist. Sondern muss, so wie Bürgermeister Matrohs, darstellen, dass der Fluglärm in Deizisau und Altbach doch vehementer ist als auf der anderen Seite des Flughafens. Das ist gut aufgearbeitet und ich will ihn natürlich unterstützen. Beim Lärmaktionsplan ist es das Gleiche: Man muss bei der Deutschen Bahn Druck machen und beim Thema Straße schauen, ob Tempo 30 in der Ortsdurchfahrt möglich ist, was man sonst machen kann und was es überhaupt bringt.

Nicht immer halten Sie den Aufwand für sinnvoll...

Funk: Wo es sich zum Beispiel nicht lohnen würde, ist beim Thema EnBW-Gewerbesteuerrückzahlung und Zinsen. Da kann man zwar fordern, dass die hohe Verzinsung aufgehoben wird, aber ich bezweifle, dass das System geändert wird. Wenn man sich die Statistiken anschaut, sieht man, dass der Staat eigentlich davon profitiert. Denn im Gegenzug hat er häufiger den positiven Zinseffekt.

Die Finanzsituation der Gemeinde hat sich verschlechtert, unter anderem durch den Wegfall der EnBW-Gewerbesteuereinnahmen. Was werden Ihre ersten Schritte sein, um die Kasse wieder aufzufüllen?

Funk: Eine Kommune kann die Kasse nur mit zwei Stellschrauben auffüllen. Sie zieht einerseits Anwohner an, die viel an Einkommenssteuer bringen. Aber vor allem sehe ich Möglichkeiten bei den Gewerbesteuereinnahmen. Meiner Ansicht nach sind in der Vergangenheit die richtigen Schritte gemacht worden. Das ehemalige Decoma-Gelände wird entwickelt und man geht davon aus, dass sich dort mehrere Unternehmen ansiedeln. Und es sind bereits gute Firmen in den vergangenen Jahren angezogen worden. Wichtig ist, dass die Gemeinde entsprechend die Infrastruktur mit bereitstellt. Thema ist etwa die Breitbandversorgung im Gewerbegebiet.

Sie werden also Angefangenes fortführen. Und darüber hinaus?

Funk: Wichtig ist nun ein guter Kontakt mit den Gewerbetreibenden, um zu schauen, welche Bedürfnisse und Wünsche da sind. Das Problem ist, neue Gewerbegrundstücke anzubieten, ist selten möglich, es hakt oft an persönlichen Interessen der Eigner. Viel kann man da als Gemeinde nicht tun.

Neben dem Decoma-Areal sind andere Großprojekte am Laufen wie der Rathaus-Neubau und das Baugebiet Losburg. Geraten Sie bei so vielen Baustellen in Stress?

Funk: Das läuft ja schon alles und es gibt entsprechende Mitarbeiter, die die Themen mit begleiten. Dass es am Anfang etwas dauern wird, bis man überall im Detail drin ist, ist klar. Ich denke, das Schlimmste, was man machen kann, ist, dass man sich in Stress bringen lässt. Man muss alles ruhig, aber zügig angehen.

Was tun Sie, um Stress abzubauen?

Funk: Was mir persönlich hilft, ist Sport zu treiben, ins Fitnessstudio zu gehen, damit ich die Gedanken wieder frei kriege. Oder auch ausgedehnte Spaziergänge in der Natur.

Sie haben stark abgenommen. Woran liegt das? Wahlkampf-Stress?

Funk: Ja, es waren 45 Kilo seit Ende Januar 2017. Ich habe aber nicht extra für Altbach abgenommen und hatte vorher auch keine Gesundheitsprobleme. Eher zufällig bin ich dazu gekommen, weil ich ein Buch entdeckt habe. Darin wird gut das Verhältnis erklärt zwischen Kalorienaufnahme und -verbrauch. Ich habe meine Ernährung umgestellt und treibe Sport. Das Abnehmen ist mir nicht schwer gefallen.

Wie sieht es mit der Wohnungssuche aus?

Funk: Ich bin guter Dinge, dass meine Lebenspartnerin und ich demnächst in der Sache was verkünden können. Ich gehe davon aus, dass wir in diesem Jahr auch privat den Umzug hinkriegen. Bis dahin wohne ich in Ohmden.

In Anlehnung an Sie wurde Ohmden als Mai-Scherz in „Funky-Town“ umbenannt. Können Sie sich damit identifizieren?

Funk: Die Musikrichtung ist okay, aber nicht meine liebste. Mit meinem Namen wurden zum ersten Mai öfters Scherze gemacht. Das Rathaus wurde auch einmal zum „Funk-Haus“. Ich finde Mai-Scherze, die nichts beschädigen, in Ordnung und nehme mich nicht so ernst.

Ein zentrales Anliegen, haben Sie im Wahlkampf gesagt, sei soziale Gerechtigkeit. In Ohmden haben Sie kurzfristig einen Flüchtling im Rathaus untergebracht. Was werden Sie beim Thema Flüchtlingshilfe in Altbach tun und vielleicht ändern?

Funk: Die Weichen sind ja schon gestellt. Eine große Unterkunft ist umgebaut. Wichtig ist mir, dass eine gute Zusammenarbeit mit den Ehrenamtlichen besteht. Der Arbeitskreis Asyl ist sehr rege. Ich muss gucken, wo ich mich einbringen kann.

Wollen Sie das Thema mehr ins Zentrum des Gemeindelebens rücken?

Funk: Auf jeden Fall. Jeder Mensch, der in die Gemeinde kommt, egal aus welchem Grund, ist Teil der Gemeinschaft als solches und es ist wichtig, dass er entsprechend integriert wird. Vielleicht wär ein Tag der offenen Tür in der Unterkunft nicht schlecht, um der Öffentlichkeit das Gebäude zeigen. Schließlich gab es von den Nachbarn auch Widerstände. Dann muss man schauen: Welche Möglichkeiten kann man schaffen, um ein Gemeinschaftsgefühl hinzukriegen? Ein gemeinsames Kochen könnte ich mir vorstellen.

Was sind Ihre ersten Amtshandlungen in Altbach?

Funk: Die erste Gemeinderatssitzung ist am 23. Januar. Also werde ich gleich am ersten Tag die Einladungen fertigstellen und rausgeben. Und die Mitarbeiter besser kennenlernen, reinhören, welche Bedürfnisse und Wünsche da sind.

Ihr künftiges Büro: Was wird da an Persönlichem zu finden sein?

Funk: Ich muss es mir erst anschauen, ich war noch nicht drin. Wichtig sind mir Pflanzen. Ein Foto von meiner Lebenspartnerin kann ich mir gut vorstellen. Der Rest wird sich ergeben, aber ich habe auch in meinem Büro in Ohmden nicht viel Persönliches. Was mich freuen würde, wäre Kunst aus Altbach.

Die Fragen stellte Greta Gramberg.

Zur Person

Martin Funk ist in Plochingen aufgewachsen, hat in Nürtingen Wirtschaftsrecht studiert und an den Hochschulen Ludwigsburg und Kehl seinen Master in Europäischem Verwaltungsrecht gemacht. 2010 wurde Funk Bürgermeister in Ohmden und legt den Posten nun einige Monate vor Ende der ersten Amtszeit ab. In Altbach siegte er im zweiten Wahlgang knapp mit 38 Prozent der Stimmen. Funk will mit Partnerin Anna Lovre nach Altbach ziehen. In Ohmden ist am 4. März Wahl.

„Am Ende kommt mehr raus als erwartet“

Persönlichkeiten der 1700-Einwohner-Gemeinde Ohmden charakterisieren zum Abschied ihren scheidenden Bürgermeister Martin Funk

„Referenzen hat er genug“, bescheinigt dererste stellvertretende Bürgermeister Roland Greiner Martin Funk für die neue Stelle. Dafür, dass Ohmden wenig finanzielle Mittel habe, sei unter dem scheidenden Bürgermeister recht viel realisiert worden: die Sanierungen von Gemeindehalle, Kindergarten, Schule und der Bau des Wasserhochbehälters etwa. „Der Energischste ist er nicht“, erklärt der Gemeinderat weiter. Aber er habe sich in den Vereinen gezeigt, sich eingebracht. Greiner wünscht Funk, dass die Zukunft so kommt, wie er sie sich vorstellt.

Dass Bildung ihm eine Herzenssache ist, diesen Eindruck hat Martin Funk bei Grundschulleiterin Gabriele Seitz hinterlassen. „Er war sehr jung, als er angefangen hat, aber auch sehr offen, Tipps von Fachleuten zu erhalten.“ Sie sei gut mit dem Bürgermeister ausgekommen, unter ihm sei etwa die Ganztagesschule eingeführt worden. „Martin Funk versucht, es möglichst vielen Leuten recht zu machen, deswegen dauert es manchmal etwas länger.“ So sei er immer bemüht, bei Schulfragen die Eltern mit ins Boot zu holen. Sie habe Funk als sehr kompetent und engagiert erfahren.

„Er hatte immer ein offenes Ohr“, charakterisiert Ratsmitglied Benjamin Dobelden Schultes. Natürlich gebe es zwischen Gemeinderat und Bürgermeister aber auch mal unterschiedliche Meinungen, das gehöre zur Kommunalpolitik dazu. „Ich glaube, er versteht sein Fach sehr, sehr gut“, so Döbel. Dass ein so junger Mann das Ohmdener Rathaus aus Sprungbrett nehme, sei allen klar, das nehme Funk niemand übel. „Ich wünsch’ ihm alles Gute.“ Altbach sei eine andere Hausnummer, die Ohmdener würden Funks weitere Arbeit von außen gespannt beobachten.

Martin Funk könne noch kommunikativer sein, Sachverhalte ausführlicher erklären, gibt die zweite stellvertretende Bürgermeisterin Daniela Haible-Lutz ihm mit auf den Weg. „Ich wünsche ihm ganz viel Glück und Erfolg.“ In Altbach seien die Rahmenbedingungen ganz anders. Aber jeder wachse mit seinen Aufgaben. „Wir haben hier viel erreicht“, sagt Haible-Lutz. Von der guten Ohmdener Kinderbetreuung könnten sich einige Städte ein Stück abschneiden. Funk verspreche nicht viel, er halte es eher andersrum: „Am Ende kommt mehr raus, als zunächst erwartet.“

Nur Gutes von der Zusammenarbeit berichten kann Feuerwehr-Kommandant Manuel Kaimer. Martin Funk habe sich für die Wehr eingesetzt. Er habe erkannt, dass es eine Organisation zum Schutz der Gemeinde sei, für die manchmal auch Ausrüstung angeschafft werden müsse - so hat die Feuerwehr etwa Arbeitsuniformen erhalten. „Wir konnten mit allem zu ihm kommen und er mit allem zu uns“, sagt Kaimer. Ein Hocker bei Vereinsfesten sei Funk aber nicht. Er habe sich immer blicken lassen und sei dann beizeiten gegangen.