Quelle: Unbekannt

Als einen, der neuen Schwung in die Gemeinde bringen sollte, hat Altbach 2001 Wolfgang Benignus zum Bürgermeister gewählt. Unter der Regie des damals 49-Jährigen wurden tatsächlich einige innovative Projekte realisiert, wie die Erdgasversorgung der Höhengebiete der Gemeinde, der behindertengerechte S-Bahn-Zugang Peoplemover oder die Fischtreppe. Nach zwei Amtszeiten hat Benignus nun zum 31. Dezember sein Büro geräumt. Im Interview blickt er mit Stolz auf das Geleistete, findet aber auch kritische Worte.

Sind sie traurig, dass Sie nicht noch ein paar Monate im Neuen Rathaus verbringen können?

Benignus: Ja natürlich. Das ist ein großartiges Vorhaben. Leider ist es in meiner Amtszeit nicht mehr fertig geworden. Wir sind im Zeitplan mindestens zwölf Wochen hinterher. Ursprünglich war ja geplant, dass wir etwa Mitte Oktober einziehen. Dann haben wir festgestellt, dass die Handwerker ihre Termine nicht einhalten und so ist eines zum anderen gekommen. Es ist schon frustrierend.

Das heißt eine der ersten Aktionen Ihres Nachfolgers wird der Umzug?

Benignus: Ich gehe davon aus, dass das nicht vor Februar sein wird. Aber es ist tatsächlich so, dass Martin Funk in seinen ersten hundert Tagen Umzug und Einweihung, also die ganzen schönen Dinge tun darf, die damit zusammenhängen.

Was sind die letzten Punkte, die Sie noch abzuhaken hatten, und die ersten Aufgaben, die vermutlich für Martin Funk anstehen?

Benignus: Die Projekte bei uns sind ja keine, die innerhalb von 14 Tagen oder vier Wochen aufs Gleis gesetzt und dann realisiert werden. Wir haben vor Jahresende etwa den Bebauungsplanvorentwurf für die Revitalisierung des Decoma-Geländes auf den Weg gebracht. Da werden über 30 000 Quadratmeter neue Gewerbefläche entstehen. Wir stellen uns vor, dass die große Fläche aufgeteilt wird. Da kommen, gehen wir davon aus, drei, vier, fünf oder gar sechs Firmen unterschiedlicher Ausrichtung rein. Ein anderes ganz spannendes Thema ist natürlich die Ansiedlung eines Pflegeheims und alten- und behindertengerechter Wohnungen auf dem Areal Hammelehle. Wenn Mitte des Jahres der Bau beginnt, dann könnte es sein, dass wir Ende 2019/Anfang 2020 dort ein Pflegeheim haben mit 60 Plätzen und 39 Altenwohnungen. Es ist eine schöne und dankbare Aufgabe, wenn man das fortführen kann.

Für Herrn Funk.

Benignus: Ja, aber ich freu’ mich, dass ich einen Teil dazu beitragen konnte. Wir versuchen immer, alle Akteure an einen Tisch zu bekommen und auch dem Partner das Gefühl zu geben: Jawohl, da gibt’s einen Kümmerer, der macht unser Anliegen zu seinem. Mich persönlich hat es auch unglaublich gefreut, dass wir das Haus der Gesundheit realisieren konnten. Dass es uns gelungen ist, einen weiteren Hausarzt nach Altbach zu holen, ist wie ein Sechser im Lotto mit Zusatzzahl.

Worauf sind Sie besonders stolz?

Benignus: Darauf, dass wir unsere Kindertageseinrichtungen auf einem tollen Stand und ein breites Angebot für die Eltern haben. Und, dass wir auf den hohen Druck nach neuem Wohnraum nach langwierigen Verhandlungen mit dem Neubaugebiet Losburg reagieren. Worüber ich auch glücklich bin ist, dass es uns gelungen ist, viele attraktive Firmen nach Altbach zu holen. Da gehören die Firmen Roleff, Spieth-Gymnastics, Heinrich Schmid dazu, jetzt baut gerade die Firma Fezer. Aber auch ortsansässigen Firmen wie Neddermann konnten wir bei deren Expansion helfen. Und mit der Revitalisierung des Geländes von Decoma bekommen wir nun eine größere Durchmischung.

Kompensiert das den Einbruch der EnBW-Gewerbesteuereinnahmen?

Benignus: Wir können natürlich nicht alles auffangen, was die EnBW früher mal bezahlt hat. Aber das sehe ich nicht so düster, wie es manchmal beschrieben wird. Der Konzern ist ja in einer Umstrukturierung mit dem Ziel, bis 2020 wieder in der Situation von 2012 zu sein. Ich glaube nicht, dass wir die hohen Gewerbesteuererträge von früher kriegen, aber wenn die EnBW wieder auf Spur ist und wieder Gewinne macht, wird auch für den Standort Altbach Gewerbesteuer fließen und dann sieht es hier, auch mit den neuen Betrieben, schon wieder etwas rosiger aus.

Im Wahlkampf vor 16 Jahren stand in der EZ: „Benignus wirkt ausgeglichener und zurückhaltender“ im Vergleich zur Konkurrenz. Haben Sie sich die Art beibehalten?

Benignus: Ich würde mich schon so beschreiben, dass ich ausgeglichen, verlässlich, berechenbar bin. Es ist schon wichtig, dass man eine gewisse Souveränität den Gesprächspartnern gegenüber signalisiert und gleichzeitig zeigt: Ich nehme dich ernst, ich kümmere mich um dieses Anliegen. Was ich für mich auch unterschreiben kann, ist, dass ich niemanden bevorzugt oder benachteiligt habe. Es ging nie um Personen, sondern immer um die Sache und das Ergebnis. Im Gemeinderat habe ich versucht, den größtmöglichen Konsens zu erreichen und zu überzeugen durch Argumente.

Bereuen Sie etwas?

Benignus: Bereuen würde ich nicht sagen. Aber ich bin bei Grundstücksverhandlungen ein stückweit desillusioniert worden. Es geht um einen Fall im Gewerbegebiet, bei dem ein Erweiterungsprojekt an zwei Eigentümergemeinschaften gescheitert ist. Die Gemeinde hat natürlich den Auftrag, das Gewerbe zu fördern, aber es ist nicht unsere Aufgabe, einzelne Grundstückseigentümer reich zu machen, ohne dass das Gemeinwohl davon etwas hat.

Im Wahlkampf 2017 war der Wohnsitz der Kandidaten Thema. Sie sind nie nach Altbach gezogen. Haben Sie es manchmal bereut, dass Sie abends nach Wernau fahren mussten? Sie sollen ein Hocker sein.

Benignus: Das Heimfahren war für mich nie ein Problem. Aber Sie haben recht: Ich finde es gut, wenn man, wenn die Sitzung rum ist, in entspannterer Atmosphäre nochmal das eine oder andere ansprechen kann. Und bei den Festen muss ich sagen: wir teilen uns das, meine Frau und ich. Ich fahr’ her und sie zurück.

Wie sieht es mit Ihrem Heimatgefühl aus?

Benignus: Mein Wohnort ist Wernau. Aber wir fühlen uns beide eher Altbach zugehörig. Das wird sich möglicherweise in Zukunft etwas verflüchtigen. Aber solange für mich kein Einreiseverbot besteht, werde ich gerne nach Altbach kommen.

Und mit Ihrer Zukunft?

Benignus: Auf was ich mich wirklich freue, ist, dass ich mehr Zeit für die Familie, für meine Kinder und meine Enkel habe. Ich habe bisher einen Enkel, aber im Januar zu meiner Verabschiedung kündigt sich der nächste an und im April ein weiterer. Ich fahr’ gerne Fahrrad und Ski. Ich werkle gerne am Haus herum. Das sind alles Dinge, die ich wieder intensivieren möchte.

Was hinterlassen Sie Martin Funk?

Benignus: Eine funktionierende Gemeinde. Man hört ja immer wieder von anderen Kommunen, was es da für Zwistigkeiten gibt. Unser Gremium zeichnet sich dadurch aus, dass es an der Sache orientiert diskutiert und das Ziel ist, für Altbach eine gute Entscheidung zu treffen. Was ich immer sehr geschätzt habe ist, dass man einen respektvollen Umgang miteinander hat und hinterher tatsächlich noch in der Nachsitzung ein Bier trinken kann.

Wie muss man Altbach angehen, damit man es lieben kann?

Benignus: Ich glaube, viel wichtiger als die eine oder andere Ecke, die nicht so ist, wie man es sich wünscht, ist einfach: Was für Menschen leben da? Und da habe ich festgestellt, dass es viele engagierte Menschen gibt. Der Altbacher ist nicht derjenige, der so mit Vehemenz auf irgendwelche Themen zugeht. Aggressivität ist ihm fremd. Und ich glaube, der Zusammenhalt ist auch da. Ein Projekt, das mich völlig überrascht hat, ist die „Bewegen - Unterhalten - Spaß“-Gruppe. Ich hätte nie geglaubt, dass der Altbacher auf dem Tablett des Marktplatzes für jeden sichtbar jede Woche bei Wind und Wetter seine Übungen macht.

Werden die Altbacher also offener? Oder waren sie das schon immer?

Benignus: Ich weiß nicht, ob sie es schon immer waren. Bei meinem ersten Wahlkampf hier wurde mir immer wieder gesagt: Die Altbacher sind so und die Altbacher sind so. Da hab ich gefragt: Sie sagen immer „die Altbacher“. Fühlen Sie sich nicht als Altbacher? Wie lange leben Sie denn hier? Da antwortete eine Frau: Seit 25 Jahren. Ich entgegnete: Aber dann müssten Sie doch sagen „wir Altbacher“. Sagte sie: Altbacher ist man erst, wenn der Großvater hier geboren ist. Da war mein erster Gedanke: Oh oh, das wird schwierig. Aber ich habe dann die Leute ganz anders kennengelernt. Es kommt auch immer drauf an: Wie kommt man diesen Menschen entgegen?

Die Fragen stellte Greta Gramberg.

Zur Person

Wolfgang Benignus wurde 1952 in Stuttgart geboren. Bevor er sich 2001 bei der Bürgermeistgerwahl in Altbach mit 78,5 Prozent der Stimmen gegen Kämmerer Wolfgang Wittkowski durchsetzte, hatte der Diplom-Verwaltungswirt bereits einige Berufserfahrung gesammelt. Nach dem Studium war er stellvertretender Leiter des Bauverwaltungsamts Fellbach. 1985 wechselte Benignus nach Neuhausen als Vize im Ortsbauamt und wurde 1986 Hauptamtsleiter. 2009 wurde er mit 99,34 Prozent der Stimmen als Altbacher Rathauschef bestätigt. Der 64-Jährige hat zwei erwachsene Kinder und lebt mit seiner Frau in Wernau.

„Herr Benignus ist eine Bürgermeister-Persönlichkeit, die wirkt“, sagt SPD-Gemeinderätin Andrea Barth. Er habe einiges für die Gemeinde bewegt.Der 64-Jährige sei ein selbstbewusster und souveräner Repräsentant Altbachs gewesen - im Gemeinderat jedoch nicht immer gleichermaßen souverän bei kritischen Nachfragen. Was Barth dem Bürgermeister a.D. anrechnet ist, dass er etwa das Dorffest neu organisiert hat. „Als Bürgermeister hat Herr Benignus den nötigen Gemeinsinn für Vereine und Organisationen mitgebracht.“

Als geradlinigen, verlässlichen und engagierten Bürgermeister beschreibt Altbachs längstgedienter Gemeinderat, Helmut Maschler (CDU), Benignus. Er habe dafür gesorgt, dass die Gemeinde Bevölkerungszuwachs hat, Kinderbetreuung und Schulen gut ausgestattet sowie die Infrastruktureinrichtungen am Laufen sind. Maschler hat nur eines geärgert: „Benignus hat immer versucht, in den Gemeinderatssitzungen alle hinter sich zu kriegen und ausdiskutieren zu lassen, sodass alle Gaststätten in Altbach schon zu waren, als wir aus der Sitzung rauskamen.“ Er sei zudem ein Hocker.

Noch ins neue Rathaus einzuziehen, das hätte der stellvertretende Bürgermeister Mathias Lipp (UWV) Wolfgang Benignus gegönnt. „Obwohl ich die Entscheidung des Rathausneubaus nicht mitgetragen habe.“ Es habe harte Auseinandersetzungen in der Sache mit Benignus gegeben. „Aber er ist immer fair geblieben.“ Der 64-Jährige sei entscheidungsfreudig, habe Schwerpunkte gesetzt und sei auf die Menschen zugegangen. „Was ich ihm hoch anrechne: Er hat nicht in Altbach Residenz genommen, aber war sehr präsent.“

„Ich wünsche Wolfgang Benignus, dass er in guter Gesundheit und noch lange seinen Ruhestand mit seiner Familie genießen kann“, sagt Irene Maier, Leiterin der Altbacher VHS. Sie findet aber auch kritische Worte: Sie hätte sich mehr Beachtung und Unterstützung für ihre Arbeit gewünscht, die sie seit 1984 macht. Immerhin habe ihr die Gemeinde aber ein schönes 25-Jahr-Dienstjubiläum beschert.

„Wolfgang Benignus hat immer eine hohe Wertschätzung für unsere Arbeit gezeigt, und wir haben bei ihm stets ein offenes Ohr für die Anliegen des Sports gefunden“, sagtEckhard Barth, Vorsitzender des Turnvereins Altbach.Benignus habe allgemein das ehrenamtliche Engagement in Altbach unterstützt und sei bei Vereinsveranstaltungen präsent gewesen. Wichtige Vorhaben seien unter seiner Leitung verwirklicht worden, wie die Sanierung der Sporthalle an der Neckarbrücke.