Ganz unterschiedliche Biker fahren elektrisch - E-Rockergruppen haben sich laut Christian Jog aber noch nicht gegründet. Fotos: oh Quelle: Unbekannt

Von Greta Gramberg

Plochingen - Kernige Typen mit Rauschebart und Tattoos, Best Ager auf Abenteuersuche und Softwareentwickler, die Wert auf Nachhaltigkeit legen: Sie alle haben sich Anfang Juni bei der WAVE, der World Advanced Vehicle Expedition, getroffen. Der Plochinger Christian Jog hat zum dritten Mal mit seiner Zero SR 2014 an der größten Rallye für elektrische Fahrzeuge teilgenommen, diesmal durch die Schweiz. Viel hat sich seit seinem ersten Rennen und dem letzten Bericht über ihn in der Eßlinger Zeitung 2015 getan.

„Im Prinzip sind die Fahrzeuge jetzt genauso teuer wie Verbrenner, haben mit über 300 Kilometern realistischer Reichweite alles, was man von einem üblichen Fahrzeug erwarten kann, und auch die Ladeinfrastruktur gerade in Baden-Württemberg ist deutlich besser geworden“, sagt Jog. Der 38-jährige Softwareentwickler kann inzwischen sogar während der Arbeitszeit sein Fahrzeug aufladen: Seine Firma hat Stromtankstellen für Mitarbeiter und Besucher installiert. So kann Jog sicher die täglich hundert Kilometer zur Arbeit und zurück fahren. In Plochingen sieht es ihm zufolge dagegen noch schlecht mit der Ladeinfrastruktur aus.

Zum Interview an einem Mittwochabend kommt Jog wenige Minuten zu spät. „Heute habe ich die Bahn genutzt, weil mein Motorrad gerade in der Inspektion ist - und ich bin es schon wieder leid“, sagt er. Jahrzehntelang besaß er kein eigenes Fahrzeug und fuhr mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Doch deren Unzuverlässigkeit habe ihn zum Umdenken gebracht. Er wollte ein Motorrad - zum Pendeln besser als ein Auto -, mit dem er über die Laufzeit günstig über die Runden kommt. „Das E-Motorrad kostet mich etwa 1,60 Euro auf hundert Kilometer“, sagt Jog. Da komme er nicht mal mit einem Nahverkehrsticket ran. E-Mobilität und nachhaltiges Denken seien wirtschaftlich. Allgemein hat sich Jog angeeignet, Dinge möglichst lange zu halten. Das alte Verbrenner-Auto, das nur seine Frau nutzt, will das Paar deswegen „tot fahren“ und erst dann durch ein Elektrofahrzeug ersetzen.

Überhaupt rät der 38-Jährige allen, sich gut zu überlegen, wann der richtige Zeitpunkt für den Umstieg auf E-Antrieb ist. An den steigenden Mitgliederzahlen in seinem Verein electrify-BW, der über E-Mobilität informiert, merkt er die Verunsicherung durch Diskussionen um Fahrverbote. Jog kritisiert, dass vom Kraftfahrbundesamt Autos zugelassen wurden, die die Schadstofflimits übersteigen, nun aber die Kommunen gezwungen werden, Luftreinheit zu gewährleisten. Der E-Biker fürchtet, dass der Diesel nicht das letzte Wort ist, künftig auch Benziner oder E-Fahrzeuge wegen des Reifenabriebs zur Diskussion stehen. „Sehr viel schöner wäre mehr Konsequenz von Politik und Wirtschaft, darauf zu achten, dass die Grenzwerte eingehalten werden.“

Bei allem spröden Willen zur Nachhaltigkeit haben E-Fahrzeuge aber auch Fahrspaß zu bieten, wie Jog betont. „Wer einmal mit einem E-Motorrad gefahren ist, weiß, dass es viel besser ist als mit einem Verbrenner.“ Die Nebengeräusche fehlten und die Vibration. Und die Leute begegneten einem viel freundlicher. Vielleicht fahren auch deshalb immer mehr bei der WAVE mit: Die Zahl der Teams hat sich seit 2016 von 60 auf mehr als hundert erhöht. Eine Woche lang sind sie etwa 1600 Kilometer von Zürich aus durch die Schweiz gefahren und haben damit die Grand Tour eingeweiht, die seit März über ein dichtes Netz von rund 300 Ladestationen verfügt.

Mit dabei sind Jog zufolge ganz unterschiedliche Typen: Es gebe Biker, die vorher Verbrenner gefahren seien, welche, die auf beide Antriebsarten setzen, und Neueinsteiger. Eines ist im Vergleich zu den „normalen“ Bikern ähnlich: Parallel zu Gruppen wie den Harley-Fans, die auf die Fahrer anderer Marken herabschauen, gebe es auch in der E-Szene Subkulturen, die auf bestimmte Maschinen setzen. Von E-Rockergruppen weiß Jog aber nicht. „Also Chapters gibt es noch nicht“, sagt der Softwareentwickler. Aber er organisiere eine E-Motorrad-Stammtisch in Esslingen. Der nächste sei am Sonntag, 7. Juli.

Daten zum Stammtisch und andere Infos gibt es auf der Facebook-Seite „Christian fährt elektrisch“ und unter www.christian-jog.de.