Solche Szenen sind häufig zu beobachten: Ein Fußgänger ist in sein Handy vertieft, während er die Straße überquert. Foto: Klemke - Klemke

Vor allem junge Leute sind so in ihr Handy vertieft, dass sie den Straßenverkehr um sich herum vergessen – sie bringen sich und andere so in Gefahr.

Kreis Esslingen - Der Kopf ist gesenkt, die Daumen tippen wild auf dem Display, in den Ohren stecken Kopfhörer. Ein mittlerweile normaler Anblick: Fußgänger, die auf ihre Smartphones starren und von ihrer Umgebung kaum noch etwas mitbekommen. Man nennt sie „Smombies“. Das Wort setzt sich aus „Smartphone“ und „Zombie“ zusammen und wurde 2015 zum Jugendwort des Jahres gewählt. Experten sprechen auch von der „Generation Kopf unten“. Vor allem junge Leute sind so in ihr Handy vertieft, dass sie den Straßenverkehr um sich herum vergessen. Zu diesem Ergebnis ist der Auto Club Europa (ACE) bei seiner diesjährigen Verkehrssicherheitsaktion gekommen. Die Polizei sieht im Kreis Esslingen allerdings keinen Handlungsbedarf.

Immer wieder sind Smombies aber in Unfälle verwickelt, weil sie von ihrem Smartphone abgelenkt waren, stellt der ACE fest und fordert Konsequenzen. Der zweitgrößte Autoclub Deutschlands hat bei seiner Verkehrssicherheitsaktion „Finger weg – Smartphone im Verkehr“ ein halbes Jahr lang das Verhalten von 140 000 Fußgängern an Ampeln und Zebrastreifen beobachtet. Das Ergebnis: Mehr als jedes vierte Mädchen (27,3 Prozent) und fast jeder vierte Junge (23,5 Prozent) starrte beim Überqueren der Straße auf das Handy. Bei Erwachsenen sind es 14 Prozent der Frauen und 16,4 Prozent der Männer. „Besonders erschreckend ist, dass zahlreiche Leute durch ihr Smartphone so abgelenkt sind, dass sie sogar rote Ampeln ignorieren“, sagt Harald Kraus, Vorsitzender des ACE Kreis Göppingen-Esslingen.

Die Dekra-Unfallforschung kam 2016 zu einem ähnlichen Ergebnis. Eine Untersuchung in sechs europäischen Hauptstädten ergab, dass 17 Prozent der Fußgänger das Smartphone nutzen, während sie über die Straße gehen. Dabei werden jüngere Menschen häufiger von ihrem Telefon abgelenkt als ältere. Die Unfallforschung stellt geschlechtsspezifische Unterschiede fest: Frauen waren vor allem mit Tippen beschäftigt, Männer hatten deutlich häufiger Kopfhörer in den Ohren.

Nicht als Unfallursache erfasst

Bislang sind laut ACE Alkohol am Steuer und überhöhte Geschwindigkeit die größten Unfallgefahren gewesen. Mit der Ablenkung durch Smartphones komme ein dritter Faktor hinzu. Lange Zeit sei die Zahl der Verkehrstoten kontinuierlich gesunken. Dies ist vorbei, behauptet der ACE. Seit einigen Jahren schwankt die Zahl. Einen Hauptgrund vermutet Kraus in der Smartphonenutzung. Sie wird aber als Unfallursache bisher nicht extra erfasst: „Es gibt keine Untersuchungen, die das bestätigen, aber es liegt nahe“. Der ACE fordert daher von Polizei und Politik: „Die Smartphonenutzung sollte ab sofort als Unfallursache in die Unfallprotokolle aufgenommen werden“.

„Generell nehmen die Unfallzahlen mit Fußgängern im Kreis Esslingen nicht zu“, hält Michael Schaal von der Pressestelle des Polizeipräsidiums Reutlingen dagegen. Sie gingen sogar zurück. 2014 wurden im Landkreis 169 Fußgänger bei Unfällen verletzt oder getötet, 2015 waren es 164, 2016 noch 160. Für 2017 seien „keine gravierenden Änderungen weder nach oben noch nach unten festzustellen“, berichtet Schaal. Bundesweit ist der Trend ähnlich, geht aus Zahlen des Statistische Bundesamts hervor. Der Polizeisprecher weist darauf hin, dass es bereits Bußgelder für die Handynutzung auf dem Fahrrad gibt. Radeln mit Handy in der Hand kostet 25 Euro, Musik hören wird nicht generell geahndet, kommt es jedoch zu einer Gefährdung, sind 15 Euro fällig.

Noch fordert der ACE keine Strafen für Fußgänger. Sollte aber Aufklärung nicht greifen, dürfe man Sanktionen nicht mehr ausschließen, sagt Kraus. „Ein Bußgeld in Höhe von 20 Euro für das Nutzen des Smartphones beim Überqueren einer Straße wäre denkbar.“ Aber es kann schon jetzt teuer werden bei einem Unfall. Wie für Autofahrer gilt für Fußgänger die Sorgfaltspflicht. „Wer eine Straße überquert, dabei auf sein Handy achtet und dadurch einen Unfall verursacht, hat eine Schadensersatzpflicht, wenn hierdurch andere Personen oder Gegenstände zu Schaden kommen“, sagt Melanie Klößner, Rechtsanwältin in der Nürtinger Kanzlei Leibold und Schmid mit dem Schwerpunkt Verkehrsrecht. „Soweit für den Autofahrer der Unfall ein unabwendbares Ereignis war, kann der Fußgänger sogar zu 100 Prozent für den gesamten Schaden haften.“

Manche Städte reagieren

Um Smombies zu schützen, haben manche Städte reagiert. Frankfurt setzt auf Abschreckung. Plakate mit Sprüchen wie „Solange du mit Kopfhörern durch meine Welt rennst, werde ich dich dafür bluten lassen“ sollen ein Bewusstsein für die Gefahren schaffen. In Augsburg und Köln warnen Bodenlampen die „Generation Kopf unten“ vor Straßenbahnen. Die chinesische Millionenstadt Chongqing hat einen „Smartphone-Bürgersteig“ eröffnet. Honolulu hat als erste Stadt in den USA die Ablenkung durch elektronische Geräte auf dem Zebrastreifen unter Strafe gestellt. Bis zu 99 Dollar kann ein Verstoß kosten. Der Fachverband Fußverkehr Deutschland sprach sich bereits vor einigen Jahren für eine solche Regelung aus – ohne Erfolg.