Felix Unseld hat seit März sein Büro im ersten Stock des Rathauses und sucht das Gespräch mit Geschäftsleuten und Flüchtlingshelfern. Foto: Bulgrin Quelle: Unbekannt

Plochingen hat seit März wieder einen Wirtschaftsförderer. Felix Unseld ist 31 Jahre alt, verheiratet und studierter Politikwissenschaftler und Geologe. Er kommt von der IHK Region Stuttgart, wo er als Berater in Ausbildungsfragen bereits mit Firmen in Plochingen zu tun hatte. Seine Erfahrung in der Vermittlung von Flüchtlingen in Ausbildung könnte dem 31-Jährigen zudem bei seinem zweiten Aufgabenbereich zugute kommen, der Flüchtlingskoordination. Im EZ-Interview lässt Unseld durchblicken, dass er aber nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Wohnqualität der Stadt im Blick hat und Sympathien für ihre kleinen Besonderheiten hegt.

Was ist Ihre Aufgabe in der Stabstelle Bürgerinformation, Wirtschaftsförderung und Flüchtlingsintegration? Wie kann man das in einem Satz zusammenfassen?

Unseld: In einem Satz ist es schwierig. Es ist ein sehr breit gefächertes Aufgabengebiet. Aber die Themen haben immer Überschneidungspunkte. Wirtschaftsförderung ist ja ein sehr allgemeiner Begriff. Das Eine ist, dass man schaut, dass es den Unternehmen, die da sind, gut geht. Und auf der anderen Seite muss man dafür sorgen, dass die Rahmenbedingungen gut sind für die, die herkommen wollen.

Ihre Arbeit wird eng mit dem Wirtschaftsförderkonzept verbunden, dass fortgeschrieben werden soll. Wie ist da aktuell der Stand?

Unseld: Wir sind jetzt dabei, mit der GMA (Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung) die Evaluation des alten Wirtschaftsförderkonzeptes vorzubereiten. Wir werden auch noch mal ins Gespräch gehen mit einigen Betrieben. Das Ziel des Gutachtens ist, dass wir klare Handlungsanweisungen haben. Was auch für mich die Arbeit erleichtert. Oft ist es in der Wirtschaftsförderung so, dass Erwartungen in einen gesetzt werden, die man nicht messen kann. Aber durch so ein Gutachten lässt sich die Arbeit leichter bewerten. Also wie war‘s als Herr Unseld gekommen ist und wo stehen wir in drei bis fünf Jahren, wenn man noch mal evaluiert?

Ihre ersten Eindrücke: Was sind die Stärken und was die Schwächen des Wirtschaftsstandortes Plochingen?

Unseld: Die Schwäche ist offensichtlich: Wir haben zu wenig Fläche. Es gibt in der momentanen konjunkturellen Verfassung unheimlich viele Anfragen von Unternehmen, die hier her kommen wollen. Plochingen hat natürlich den Vorteil dass es verkehrlich sehr gut erschlossen ist. Aber wir haben halt keine Flächen, die wir vermarkten können. Ich denk, eine der Stärken ist, dass es ein sehr diversifizierter Standort ist. Wir haben nicht nur, wie andere Kommunen in der Region, Automobilzulieferindustrie, die sehr stark von den Autobauern abhängt. Sondern wir haben hier Unternehmen, die den klassischen Mittelstand repräsentieren, die im Maschinenbau tätig sind. Wir haben Händler, Großhändler. Wir haben Unternehmen, die in einer Nische erfolgreich sind.

Arbeitsplatzdichte von 375 Beschäftigten pro 1000 Einwohner: Sind Sie damit zufrieden oder wollen Sie noch mehr herholen?

Unseld: Arbeitsplätze sind grundsätzlich immer gut, wenn man sie vor Ort hat. Man muss natürlich schauen, was ist überhaupt verträglich. Plochingen ist eben nicht nur Wirtschaftsstandort, sondern auch Wohnort. Und da muss man sicherlich aufpassen, dass man hier nicht einen Einpendlerüberschuss hat. Mit mehr Arbeitsplätzen geht mehr Verkehr einher, wir brauchen mehr Parkplätze. Irgendwann gerät dann auch die Infrastruktur an ihre Grenzen. Aber grundsätzlich freuen wir uns als Kommune natürlich, wenn es den Unternehmen so gut geht, dass sie mehr Leute einstellen, die Plochinger hier vor Ort auch Arbeit finden und nicht nach Stuttgart oder Ulm pendeln müssen.

Ist das dann auch ein Risiko?

Unseld: Ich möchte jetzt nicht sagen, dass Arbeitsplätze ein Risiko sind. Man muss einfach gucken, dass man die Balance zwischen Wohnen und Arbeiten hält. Man muss den Wohnstandort attraktiv halten und da spielt ganz klar auch der Einzelhandel eine Rolle. Man muss definitiv etwas für die Innenstadt tun, damit sie weiterhin attraktiv bleibt und nicht nur Plochinger versorgen kann, sondern vielleicht auch Leute von außen heranholen kann. Und da haben wir eigentlich auch ganz gute Voraussetzungen, denke ich.

In der Vergangenheit war auch davon die Rede, dass im Einzelhandel zu kleine Ladenflächen ein Problem sind. Kann man da vielleicht irgendwas machen?

Unseld: Ich weiß, dass es die Überlegungen gab, ob man gewisse Bereiche der Innenstadt so zusammenlegen kann, dass die Ladenflächen vergrößert werden. Es ist aber sehr schwierig aufgrund der Eigentümerstruktur. Ich glaub aber auch, dass dieses Kleinteilige, durchaus auch eine Chance sein könnte. Dass es hier eben nicht den Filialisten gibt, den ich in jeder größeren Stadt in der Umgebung finde. Sondern dass es tatsächlich inhabergeführte Läden sind, die nicht unbedingt über die große Produktbandbreite punkten können, sondern über die persönliche Beratung.

Sichtbares Zeichen, ob es im Einzelhandel läuft oder nicht sind Ladenleerstände. Da waren die Verhandlungen teilweise ja auch etwas schwierig - Stichwort Bahnhofsvorplatz -, aber jetzt sind ja Sie da. Was machen Sie?

Unseld: Man kann nur sagen: Eigentum verpflichtet. Aber man kann niemanden dazu verpflichten, das zu tun, was die Stadt gerne hätte. Vielleicht bringt auch noch mal ein Gespräch mit jemand Neuem andere Erfolge. Wenn man an die Leerstände in der Fußgängerzone denkt: Man muss die Marktstraße über die Bedingungen so attraktiv machen, dass die Händler, die herkommen wollen, sich leicht tun. Man muss gleichzeitig aber auch darauf achten, dass nicht jede beliebige Nutzung reinkommt und man die Fußgängerzone eher abwertet.

Es wurde auch moniert, dass Fairtrade-Produkte fehlen. Da sind Sie jetzt dran, richtig?

Unseld: Plochingen ist seit letztem Jahr Fairtrade-Town. Wir sind gerade dabei, zu schauen, wie wir Einzelhändler und Gastronomen stärker ins Boot holen können und die Vereine, die Kirchen. In der Verwaltung gibt es bei Besprechungen Fairtrade-Kaffee und Fairtrade-Säfte. Man darf Fairtrade aber nicht nur auf das Siegel bezogen sehen, sondern muss es auch auf die Regionalität runterbrechen. Weil wir ja auch ganz tolle Landwirte und Produzenten haben. Was ich zum Beispiel nicht wusste, bevor ich hierher gekommen bin: Es gibt die Plochinger Linse. Die hat einen noch besseren Co2-Fußabdruck als die Alblinse. Das sind so Kleinode, die muss man pflegen und hegen und ihnen eine Plattform geben, dass sie vielleicht auch ein bisschen bekannter werden.

Haben Sie schon mal den Hansenwein probiert?

Unseld: Nein, bisher noch nicht.

Weil Sie ja lokale Produkte fördern wollen: Können Sie da als Wirtschaftsförderer nicht irgendwas drehen, dass man den auch im öffentlichen Handel kaufen kann?

Unseld: Das muss ich mal mit den Kollegen besprechen, wie sich das darstellt. Ich denke es ist ein schönes Gimmick, dass es hier den historischen Weinbau gibt. Ob das eine Sache ist, die man so in den Mittelpunkt stellen soll, kann ich jetzt nicht beurteilen. Das wird die Zeit zeigen, wenn ich den mal in aller Ruhe probieren kann.

Wir haben bislang nur über Wirtschaftsförderung gesprochen. Was haben Sie in Ihren anderen Aufgabenbereichen Bürgerinformation und Flüchtlingsintegration vor?

Unseld: Sobald Bürgerbeteiligung ansteht, werde ich das betreuen. Es gibt aber gerade schon eher zwei Schwerpunkte: Auf der einen Seite die Wirtschaftsförderung und auf der anderen das Thema Flüchtlingsintegration. Hier sind wir gerade dabei, ein Konzept aufzustellen, für das wir auch die Bürger mit einbeziehen. Das ist aber nicht die einzige Aktivität im Bereich Flüchtlingsintegration. Wir sind auch im Gespräch mit den Ehrenamtlichen und versuchen, die Aktivitäten zu bündeln. Wir organisieren eine Veranstaltung zu Arbeit und Ausbildung von Geflüchteten. Also das hat eine ganz große Bandbreite, da lassen sich in so kurzer Zeit nicht alle Themen abdecken.

Die Fragen stellte Greta Gramberg.