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Premiere „Harald und Maude“: Kultfilm aus den 70er Jahre als Theaterstück.

Leinfelden-EchterdingenBei dem Kultfilm aus den 70er Jahren scheiden sich die Geister. Die einen sind erklärte „Harold and Maude“-Fans. Die anderen sehen schwarz bei der Komödie um einen hochneurotischen 19-Jährigen aus wohlhabendem Haus, der nie gelebt hat, aber schon 17 Mal gestorben ist – immer effektvoll inszeniert. Er verliebt sich in eine 79-jährige unkonventionelle Frau, die ihm Leben, Lieben und Lachen beibringt. Marleen Reinmann und Joachim Riesch haben das dritte Stück der Freiluftsaison mit dezenten Aktualisierungen für das Theater unter den Kuppeln in Stetten inszeniert.

Obwohl gleich zwei Tabu-Themen behandelt werden, großer Altersunterschied zwischen Liebenden und selbstbestimmter Tod, sind die zweieinhalb Stunden pralles Spiel und ein großes Vergnügen, das man sich nicht entgehen lassen sollte. Das liegt zum einen daran, dass der Schwerpunkt der Inszenierung auf dem Komödiantischen liegt, zum anderen an den Charakterdarstellern, die glänzend besetzt sind. Maude wird von der 71-jährigen Irmgard Kühnle-Lange gespielt, die mit so viel mädchenhaftem Charme und so viel Spielfreude agiert, dass das regelrecht ansteckend ist. Trotzdem lässt sie ihrem 18-jährigen Partner Tom Funk als Harold genügend Raum, um seine Melancholie und seinen Lebensüberdruss glaubhaft rüberzubringen. Vaterlos aufgewachsen will er mit den Scheinsuiziden die Aufmerksamkeit seiner überkandidelten Mutter erzwingen. Klappt anfangs, nutzt sich aber ab.

Vorliebe für Beerdigungen

Andrea Werthwein als Mrs. Chasen spielt die aufgekratzte Glucke, die mehr an gesellschaftlichen Konventionen als an echten zwischenmenschlichen Beziehungen interessiert ist, einfach großartig. In ihrer hysterischen Not zieht sie den Psychiater Dr. Mathews (Alexander Schiller mit einem ohrenschmeichelnden österreichischen Akzent) hinzu. Der kann aber genauso wenig ausrichten, wie die drei Kandidatinnen einer Heiratsvermittlungsagentur, die Harold der Reihe nach mit einem brennenden Sarg, mit abgehackter Hand und mit Harakiri in die Flucht schlägt. Heiraten würde den exzentrischen Sohn „kurieren“, hatte sich die besorgte Mutter überlegt, nicht ahnend, dass nicht ein junges Mädchen ihre Schwiegertochter werden soll, sondern eine alte Dame, die allerdings mehr Sexappeal verströmt als die Gören zusammen.

Vieles verbindet Harold und Maude, etwa die Vorliebe für Beerdigungen: „Das muntert einen auf“, gluckst Maude. Dort lernen sie sich auch kennen. Mit ihren originellen Ideen und der unangepassten Lebensweise bringt Maude selbst Pater Finnegan in die Bredouille. Sie isst in der Kirche und will sterbende Bäume auf dem Friedhof einpflanzen. Als sie auch noch sein Auto klaut, zeigt er sie an. Es ist einfach köstlich, wie Ernie Schnellbächer hin- und hergerissen ist, zwischen Verständnis und Gesetzestreue. Er windet sich, ringt die Hände, die Mimik, die Gesten – ganz große Komikerklasse.

Auch Merle Wisor als Robbe, die Maude aus dem Zoo geklaut hat – gerettet, nennt sie es – erobert die Herzen des begeisterten Publikums im Sturm, als sie winkend durch die Zuschauerreihen „davonschwimmt“. Freilich hätte an manchen Stellen etwas gestrafft werden können, etwa wenn Maude den jungen Mann mit ihrer ansteckenden Art bezirzt: „Was heißt Laster, was heißt Tugend?“, fragt sie. „Am besten, man verzichtet auf allzu viel Moral.“ Das wirkt nahezu systemsprengend leichtlebig, gleichzeitig aber auch intensiv und kann doch nur sein, weil die alte Dame trotz entsprechender Ernährung und gymnastischer Atmung einen exakten Plan bezüglich ihres Ablebens hat. Und das ist der melancholische Teil, der aber keineswegs rührselig inszeniert ist, sondern nur konsequent. Maude hat beschlossen, an ihrem 80. Geburtstag ihrem Leben ein Ende zu setzen. So wird aus der Geburtstagsparty, die Harold für sie ausrichtet, ohne, dass er es ahnt, ein Abschiedsfest.

Requisite ist besonders gefordert

Maude geht, und für Harold beginnt das Leben. Er hat gelernt, Champagner zu trinken und Wasserpfeife zu rauchen, er ist auf Berge geklettert und hat Tiere befreit, statt sich mit einer gezündeten Stange Dynamit im Schrank zu verstecken, die mit lautem Knall und viel Rauch explodiert. Die Requisite des Theaters unter den Kuppeln ist bei diesem Stück besonders gefordert und leistet professionelle Arbeit. Selbst wie Harold erhängt am Seil im Wohnzimmer seiner Mutter baumelt, wirkt echt, aber nicht schockierend. Da sind viele Videospiele für Jugendliche drastischer. Doch man versteht, dass das Hausmädchen Marie (Charlotte Haake) einen Schreck fürs Leben bekommt. Insgesamt stehen 17 engagierte Darsteller auf der Bühne, die in guter Teamarbeit zum Gelingen des Stücks beitragen. Verdienter Applaus am Ende des Premierenabends.

Bis 28. September sind neun Aufführungen geplant: freitags und samstags jeweils um 19.30 Uhr sowie sonntags um 18 Uhr. Karten und mehr Infos: dienstags und freitags von 15 bis 18 Uhr unter der Telefonnummer 0711/79 51 11 oder online unter www.tudk.de.