Sie stehen auch in schwierigen Zeiten zum Gymnasium Plochingen: die Elternbeiratsvorsitzende Bettina Straub, der Schulleiter Heiko Schweigert und die Schülersprecherin Michelle Steck (von links). Foto: Roberto Bulgrin - Roberto Bulgrin

Die Kostenexplosion für die geplanten Bauarbeiten am Plochinger Gymnasium drückt auf die Stimmung an der G8/G9-Modellschule. Schulleiter Schweigert betont: „G9 hat mit den Kosten nichts zu tun.“

PlochingenKlack, klack, klack. Die Platten vor dem Eingang zum Lichthof schwimmen, sobald man einen Fuß darauf setzt. Dennoch ist dem Plochinger Gymnasium der massive Sanierungsbedarf nicht auf den ersten Blick anzusehen. Schließlich handelt es sich um ein Betonensemble, dessen Hauptbau ins Jahr 1964 datiert und das im Laufe der Jahre immer wieder vergrößert wurde. Seit Kurzem sind die anstehende Sanierung und Erweiterung auf erschreckende knapp 60 Millionen Euro beziffert.

Auf den zweiten Blick kann man dann nachvollziehen, was die Baukosten und den Puls der Gemeinderäte in Plochingen und den Umlandgemeinden in die Höhe treibt: Trübe und undichte Fenster, hängende Leitungen, aufgeplatzter und teils schon korrodierter Beton. Fachräume, die immer noch eine ansteigende Höhenstruktur haben und die wegen des Betons schwer eingeebnet werden können. Trübe Lichtverhältnisse. Nirgendwo Sicherheitsglas. Als vor rund zehn Jahren binnen kürzester Zeit zwei Schüler durch die Scheiben gebrochen sind, hat die Stadt lasierte Holzbalken vor die Fenster geschraubt. Von den neuen Brandschutzvorschriften ganz zu schweigen.

„Die Fenster bekommt man oft nicht auf. Die Klassenzimmer sind unerträglich heiß. Die Overheadprojektoren funktionieren nicht. Und wir haben nur einen Aufenthaltsraum an der Schule, und der wird vorwiegend von der Kursstufe genutzt“, gibt Schülersprecherin Michelle Steck weiter, was ihre Mitschüler am meisten vermissen. Ein Aufenthaltsraum für das zweitgrößte Gymnasium im Land mit 1300 Schüler, von denen gut 70 Prozent aus den Nachbargemeinden kommen? Das ist mehr als überschaubar. „Wir Eltern haben vor sechs, sieben Jahren eine Liste gemacht, was mit kleineren Reparaturen verbessert werden könnte“, erzählt die Elternbeiratsvorsitzende Bettina Straub, die in das Sanierungsdrama auch noch als Stadträtin involviert ist. Vor 35 Jahren hat sie selbst an der Schule Abitur gemacht. Seit zwölf Jahren vertritt sie die Eltern des einzigen Gymnasiums im Landkreis Esslingen, das seit 2012 als Modellversuch neben einem achtjährigen auch den neunjährigen Weg zum Abitur anbietet.

Von dem, was die Eltern damals moniert hatten, „haben wir nur die Beleuchtung in den Klassenzimmern und eine Erhöhung der Brüstung zum Lichthof hinbekommen“, erzählt sie. Bei allem anderem habe man die Schule immer wieder darauf verwiesen, dass sie ja von Grund auf saniert werden solle. Doch auf die Seite gelegt hat man dafür nichts. Vor drei Jahren seien noch 20 Millionen Euro als Baukosten im Gespräch gewesen, dann waren es 36. Dass die erste einigermaßen belastbare Schätzung für Sanierung und Erweiterung nunmehr auf mehr als 53 Millionen, mit Preissteigerungsrate sogar auf mehr als 58 Millionen Euro kommt, stürzt die Stadt ohne die Beteiligung der Umlandgemeinden in den Ruin.

Plochingen war immer stolz darauf, Schulstadt zu sein. Und wie alte Plochinger erzählen, hat die Stadt in den 1970er-Jahren den Wunsch der Wernauer nach einem eigenen Gymnasium ordentlich torpediert. Straub kann den Unwillen der Umlandgemeinden, sich jetzt an der Sanierung des Plochinger Schulensembles zu beteiligen, nachvollziehen. „Aber mehr als 70 Prozent der Schüler hier kommen nun einmal nicht aus Plochingen.“

Was Schulleiter Heiko Schweigert in der laufenden Diskussion am meisten ärgert, ist die Behauptung, das G 9-Angebot verteuere die Sanierung. „Das Raumprogramm für die Sanierung und Erweiterung basiert auf dem Mindeststandard für ein sechszügiges G 8-Gymnasium“, stellt er klar. Seine Schule bekomme kein einziges Zimmer mehr für die fünf bis sechs zusätzlichen Klassen, die noch ein neuntes Schuljahr am Plochinger Gymnasium sind. Den Mehrbedarf müsse sein Haus durch schulorganisatorische Maßnahmen stemmen. „Ob wir jetzt ein G 8- oder ein G 9-Gymnasium sind, ist für die Sanierung völlig egal.“ Auch Straub betont: „Die 60 Millionen liegen nicht am G 9.“ 85 Prozent der Schüler am Plochinger Gymnasium wählen den neunjährigen Weg zum Abitur. Egal, wie man zu der Umsetzung des Modellversuchs oder zum Modellversuch selbst stehe: „Wenn so viele Eltern das für ihre Kinder wünschen, muss der Elternbeirat diesen Wunsch auch klar und deutlich vertreten“, betont sie in ihrer Funktion als Elternbeiratsvorsitzende.

Bis vor seiner vorübergehenden Deckelung auf fünf Züge vor eineinhalb Jahren, die schulorganisatorische und bautechnische Gründe hatte, hat das Plochinger Gymnasium noch bis zu sieben Eingangsklassen aufgenommen. Was würde es für die Schule bedeuten, auch nach der Sanierung nur noch fünf Parallelklassen annehmen zu können und nicht die sechs, von denen bislang die Planungen – und auch das Regierungspräsidium – ausgehen?

Schweigert: „Dann müssten wir weiter Kinder abweisen, müssten auf Kolleginnen und Kollegen verzichten, bekämen weniger Anrechnungsstunden und weniger Geld.“ Und weil es kein weiteres Gymnasium in der Nähe gebe, „können wir auch mit keiner anderer Schule kooperieren.“ Das würde unter Umständen auch bedeuten, dass das Gymnasium seinen Schülern nicht alle Wahlmöglichkeiten bieten könne. Der Frust unter den Lehrern sei jetzt schon hoch, so Schweigert. Immerhin hätten sie gemeinsam mit Eltern und Schülern schon viel Zeit in die Planungen investiert. „Und jetzt hängt alles in der Luft.“ „Wir müssen von den 60 Millionen herunterkommen“, spricht die Stadträtin Straub. Wie? Da rollen der Elternbeiratsvorsitzende Straub die Tränen übers Gesicht. Um den Hauptbau mit seinen sicherheitsrelevanten Mängeln überarbeiten zu können, muss der Erweiterungsbau stehen und der Kupferbau saniert sein. Denn sonst kann man die Schüler nicht umquartieren. Straub: „Doch was passiert, wenn wir die ersten beiden Schritte gemacht haben und uns dann das Geld für den Hauptbau fehlt?“ Zudem macht es ihr Sorgen, dass in den 60 Millionen noch keine Mensa enthalten ist. Schweigert: „Ich kann auf keinen einzigen Raum verzichten. Im Lehrerzimmer haben wir eine völlig untragbare Situation. Und es laufen schon Diskussionen, ob man jeden Fachraum auch wirklich in der Vollausstattung braucht.“

Zu alledem kommt die Sorge, wie die Eltern die jahrelangen Bauarbeiten wegstecken und ob die derzeit auf andere Kommunen ausweichenden Schülerströme auch wieder zurück nach Plochingen finden. Michelle Steck: „Mir haben viele Schüler bereits mit auf den Weg gegeben, dass sie Angst haben, die ganze Zeit neben einer Baustelle lernen zu müssen.“