Isabell Korul in einem Camp mit syrischen Flüchtlingen in der Nähe von Izmir. Foto: oh Quelle: Unbekannt

Von Ulrike Rapp-Hirrlinger

„Geflüchteten zu helfen ist eine Aufgabe, der wir uns als Gesellschaft stellen müssen. Und ich will meinen Teil dazu beitragen“, sagt Isabell Korul. Die 34-Jährige ist neue Koordinatorin für die Flüchtlingshilfe in Denkendorf und damit Ansprechpartnerin für die Ehrenamtlichen sowie zuständig für die Abstimmung zwischen allen Haupt- und Ehrenamtlichen in der Flüchtlingsarbeit. Sie ist Mitarbeiterin im Fachdienst Jugend-Bildung-Migration der Bruderhaus Diakonie, den die Gemeinde mit dieser Aufgabe beauftragt hat.

Es waren die Fernsehbilder der Flüchtlingsströme, die die Mutter zweier kleiner Kinder im Sommer 2015 bewogen, sich ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe zu engagieren. Die Bilder der ankommenden Schlauchboote sowie das Leid der Mütter und Kinder habe sie kaum ausgehalten, erzählt Korul. Im Arbeitskreis Asyl in Leinfelden-Echterdingen eignete sie sich das Wissen an, das ihr bei ihrer heutigen Arbeit zu Gute kommt. Auch, dass sie etwas Arabisch kann, weil ihre beste Freundin Palästinenserin ist, helfe ihr. Was sie antreibt, formuliert die junge Mutter so: „Ich will meinen Kindern eines Tages sagen können, dass ich so viel geholfen habe, wie es mir möglich war. Und ich will meine Kinder in diesem Sinn erziehen.“ Es sei wichtig, die Geflohenen dabei zu unterstützen, „dass sie möglichst rasch auf eigenen Füßen stehen“, beschreibt sie das Ziel ihrer Arbeit. „Da sind wir neben den Hauptamtlichen auch als Bürger gefragt.“ Ehrenamtliches Engagement sei großartig, sagt sie.

Im vergangenen Sommer war Korul als Freiwillige für den Verein „Balkan Route Stuttgart“ in Cesme, einem Ort nahe Izmir an der türkischen Westküste. In den Flüchtlingscamps erlebte sie schlimme Zustände: „Das war eine ganz harte Sache. Ich sah Kinder, die zwar lachten, aber ganz matte Augen hatten. Manche trugen keine Schuhe, und ihre Füße sahen wie die alter Menschen aus“, nennt sie nur wenige Beispiele. Die Stimmung in einer verlassenen Bungalowanlage, in der Menschen zum Teil wochenlang unter erbärmlichsten Bedingungen hausten, um auf Schlepper zu warten, beschreibt sie als grauenvoll. „Kinder waren dort im Winter erfroren.“ Am schlimmsten aber sei gewesen, als in einem überfüllten Lager in der Türkei eine Mutter sie immer wieder bedrängte, ihr kleines Baby mitzunehmen, damit es eine Zukunft haben könnte. All dies zu sehen, habe sie fürs Leben geprägt. „Das gab den Ausschlag, hauptberuflich in die Flüchtlingsarbeit einzusteigen. Ich konnte mir gar nichts anderes mehr vorstellen.“

Über ihre neue Aufgabe sagt sie: „Etwas Besseres hätte mir nicht passieren können.“ In Denkendorf hat Isabell Korul ihr Büro in der Robert-Bosch-Straße 41, wo Flüchtlinge sowohl in der vorläufigen wie auch in der Anschlussunterbringung leben. Dort soll ein Integrationszentrum entstehen. Deshalb gibt es Räume für Kleiderkammer, Fahrradwerkstatt, aber auch für Schulungen, Sprachunterricht und gesellige Angebote. Koruls Aufgabe wird auch sein zu klären, welche Angebote nötig und sinnvoll sind und wie sie realisiert werden können. Sie sieht sich selbst als Schnittstelle zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen sowie in der Vermittlerrolle bei etwaigen Konflikten. „Ich möchte Impulse geben für die Arbeit der Ehrenamtlichen sowie deren Wünsche hören und versuchen, sie umzusetzen.“ Außerdem gelte es, Strukturen zu entwickeln, um die Ehrenamtlichen zu entlasten. Denen stellt sie ein gutes Zeugnis aus: „Der Denkendorfer Betreuungskreis ist top organisiert und hat schon gute Abläufe und Strukturen entwickelt.“ Korul will auch zu Firmen und Vereinen verstärkt Kontakte knüpfen, um den Geflüchteten Praktika zu vermitteln. Das Konzept ihrer neuen Stelle haben Bruderhaus Diakonie, Gemeinde und Landratsamt gemeinsam erarbeitet. In ihrem Büro im Integrationszentrum ist sie am Vormittag, wenn ihre Kinder in der Kita sind. Sie schätzt die kurzen Wege im Haus - auch zum Sozialdienst der Malteser, der nur wenige Türen entfernt sein Büro hat.

Auch für die jungen Männer, die in der Robert-Bosch-Straße leben, ist Isabell Korul immer wieder Ansprechpartnerin. Die zierliche junge Frau hat keine Berührungsängste: „Ich war schon immer interessiert an anderen Kulturen, Ländern und Religionen. Fremdes macht mir keine Angst.“

Zur Person

Isabell Korul wuchs in Esslingen in einem, wie sie selbst sagt, „sehr multi-kulturellen Umfeld“ auf. Sie absolvierte zunächst eine Ausbildung zur Friseurin und legte die Meisterprüfung ab. Der Wunsch nach Veränderung bewog sie, als Quereinsteigerin eine Bürotätigkeit im Kundenservice einer Firma zu übernehmen. Dort brachte sie es bis zur Key Account Managerin. Nach dem Umzug auf die Filder wurden ihre heute vierjährige Tochter und der zweijährige Sohn geboren. Inzwischen lebt Korul in Filderstadt-Plattenhardt.