Symbiose aus Architektur und Musik: Maria Fiedler vor der Fassade des Filums, die an die Tastatur eines Flügels erinnert. Foto: Bail Quelle: Unbekannt

Von Petra Bail

Wenige Handwerker befinden sich noch in der neuen Musikschule in Bernhausen und verrichten die letzten Arbeiten, das meiste ist aber längst erledigt. Schon vor der offiziellen Einweihung des herausragenden Gebäudes zwischen Filharmonie und Rundsporthalle am kommenden Wochenende, 10. und 11. Dezember, ist klar: Hier spielt die Musik. Die gemeinnützige Karl Schlecht Stiftung (KSG) mit Sitz in Aichtal hat der Stadt Filderstadt den 13 Millionen Euro teuren Neubau mit 30 Unterrichts- und Ensembleräumen für verschiedene Anforderungen und einem Konzertsaal, der 260 Zuhörern Platz bietet, spendiert.

Bis vor kurzem befand sich die Musikschule in engen, alten Räumen. Jetzt haben die 1300 Schüler und die 70 Lehrer auf 3000 Quadratmetern Raum zur musikalischen Entfaltung und zur Begegnung. Die kommunale Einrichtung versteht sich als internationales, interkulturelles und integratives Bildungszentrum. Menschen zwischen eins und 99 Jahren sollen dort unabhängig von ihrer sozialen oder kulturellen Herkunft ein qualifiziertes musikalisches Angebot erhalten, erklärt Maria Fiedler die Philosophie der Karl Schlecht Musikschule. „Wir stehen für Breitenarbeit, aber auch für Spitzenarbeit, wie die Teilnahme bei ‚Jugend musiziert‘.“

Damit sich die Besucher wohlfühlen, wurde im Foyer eine Cafeteria eigenrichtet, die die Mitarbeiter der Karl-Schubert Werkstätten betreiben, die auch für die Gebäudereinigung zuständig sind. „Integration ist für uns gelebter Alltag“, sagt Fiedler. Im kommenden Jahr wird neben den Fachbereichen für Streicher, Klavier, Blech- und Holzbläser, Percussion, Blockflöte, Gesang, Akkordeon, Gitarre, Jazz, Rock und Pop, Schulkooperationen, Musikerziehung und Rhythmik auch Musiktherapie angeboten.

Seit 16 Jahren leitet die 59-Jährige die Musikschule Filderstadt und schwärmt von den Entfaltungsmöglichkeiten, die sich jetzt bieten. „Das Haus ist die Krönung. Es ist die Erfüllung meines beruflichen Werdegangs und besser als ein Lottogewinn.“ Der Bau soll den Nutzern durch Materialität, Farben und Formen Wertigkeit vermitteln. „Jedes Gebäude spricht eine Sprache“, sagt Manuel Schupp, aus dessen Stuttgarter Architekturbüro Orange Blu der Entwurf stammt. „Dieses thematisiert Aspekte von Instrumenten, Klang und Wir-Gefühl.“ Äußerlich ein schlichter Kubus, erinnert die Fassadengestaltung in feinem Elfenbein und Schwarz an die Tastaturen eines Flügels.

Die Symbiose von Architektur und Musik wird im Inneren spielerisch fortgeführt: Die Decke im Foyer ist eine abstrakte Interpretation von ineinandergreifenden Tasten, das kelchförmige Atrium in abgestuften Blautönen verbindet alle drei Geschosse und gipfelt in einer besonderen Decke, eine Kombination aus geöffnetem Klavierdeckel und gespanntem Geigenbogen. Farbgebung und Elemente greifen Holz- und Metallcharakter von Instrumenten auf. Materialien und schräg gestellte Wände sorgen für eine herausragende Akustik, nicht nur im Konzertsaal, dessen Wände und Boden aus Bambus sind. „Man fühlt sich wie in einem Instrumentenkörper“, sagt Schupp, dessen Büro auch die Musikhochschulen in Stuttgart, Mannheim und Trossingen als Referenzen vorweisen kann.

Gemeinsam mit den Architekten hat Maria Fiedler ein besonderes Haus entwickelt, „das individuell auf unseren Arbeitsauftrag abgestimmt wurde“. Stolz verweist sie auf vier Übungskabinen für Schüler. Bereits jetzt schon hat das Musikzentrum mit Vorbildcharakter eine magnetische Anziehungskraft. Nicht nur Kinder und Erwachsene kommen und staunen über das Leuchtturmprojekt, auch viele Lehrer bewerben sich. Es ist wie im Tal der Glückseligen. Die KSG ergänzt die städtische Förderung jährlich um 300 000 Euro für die kommenden drei Jahrzehnte. „Mit Indexsteigerung“, wie Fiedler betont, die so in der Lage ist, mehr als die Hälfte der Lehrkräfte fest anzustellen.

Für das mehr als 80-jährige Stifter-Ehepaar Brigitte und Karl Schlecht ist das neue Musikzentrum laut Maria Fiedler eine Herzensangelegenheit. Die Idee zur Förderung entstand aus deren Begeisterung über die vielen talentierten Musikschüler, die Lehrer und die Leitung der örtlichen Einrichtung, getreu ihrem Motto: „Spielend Lernen lernen.“ „Ich verstehe das Filum daher nicht allein als Geschenk an meine geliebte Heimat Filderstadt, sondern mehr als verpflichtende, ethische, nachhaltige Aufgabe für uns alle, unserer Jugend durch Förderung ihrer Talente zu einem gelingenden Leben zu verhelfen“, sagt Karl Schlecht.

www.musikschule-filderstadt.de

Zur PErson Karl Schlecht

Karl Schlecht ist ein waschechter Filderbub. 1932 wurde er in Bernhausen geboren, besuchte dort die Grundschule, musste aber auch auf dem Feld mitarbeiten. Als Maschinenbaustudent entwickelte er 1957 in der Garage für das Gipsergeschäft seines Vaters eine Mörtelpumpe. Er stieg zum Spitzenreiter innovativer Verputzsysteme und Marktführer in Deutschland auf. Daraus wurde das Weltunternehmen Putzmeister mit 18 internationalen Tochtergesellschaften. 2012 verkaufte Schlecht seine Firmenanteile. Der Erlös von mehreren Hundert Millionen Euro floss vollständig in die KSG-Stiftung, die Schlecht 1998 gegründet hat.